2. Der Neue
»Hi.«
Dieser Patrick trat neugierig ein paar Schritte ins Zimmer, betrachtete die Einrichtung neugierig. Manu bemühte sich, sich zusammenzureißen.
»Hey.«
Seine Stimme war nicht sonderlich laut und klang auch nicht wirklich überzeugend, aber mehr war meistens eh nicht aus ihm herauszukriegen. Manu war niemand, der gerne mit Leuten sprach, die ihm nicht sonderlich nahe standen.
»Mein Bett?«
Patrick deutete auf das zweite Bett, was Manu nur mit einem Nicken quittierte. Während Manu seine Tasche davor auf den Boden fallen ließ, machte sich Frau Kleber erneut bemerkbar.
»Ich lass euch dann mal alleine, Jungs. Lebt euch gut ein. Manu, vielleicht willst du Patrick später alles zeigen? Ihn mit zum Abendessen nehmen und so.«
Sofort nickte der Dunkelhaarige. Sie antwortete mit einem Lächeln und winkte den beiden Jungs noch einmal kurz zu, bevor sie verschwand und die Tür hinter sich ins Schloss zog. Unsicher beobachtete Manu Patrick.
Der fremde Junge hatte breite Schultern, schien viel Sport zu machen. Seine Frisur war, im Gegensatz zu Manus langen, dunklen Haaren, die ihm bis zum Kinn gingen, modern und gewollt zerzaust. Er wirkte auf den ersten Blick sympathisch und sah gut aus. Sein Blick, als er im Gegenzug Manu abscannte, erzählte jedoch anderes. Er versuchte nicht einmal, zu verbergen, dass er den schmalen Jungen mit den offenen, zerzausten Haaren und der fast schon kränklich blassen Haut für einen Freak hielt. Manu suchte seine Klamotten und Frisur nicht primär danach aus, was andere momentan für modern befanden oder was er glaubte, dass Mädchen gut finden würden. Zusätzlich musste die Tatsache, dass er noch keinen vernünftigen Satz von sich gegeben hatte, ihn ziemlich unfreundlich und abweisend wirken lassen. Der Neue konnte ja nicht wissen, dass das zu großen Teilen an Manus Charakter und nicht seinem Denken über ihn lag.
»Wenn du willst, kann ich dir nachher mal ein bisschen was zeigen.«
Manu hatte sich überredet, mit dem Fremden zu reden. Er fühlte sich zurückerinnert an seine ersten Tage hier, wie Dado ihm geholfen hatte und wie dankbar er ihm dafür gewesen war. Der fremde Junge – Patrick, wenn er sich recht erinnerte – zog jedoch nur eine Augenbraue hoch. Es machte nicht den Eindruch, als könne er Manu sonderlich leiden. Sofort wünschte dieser sich, er hätte einfach den Mund gehalten.
»Mhm.«, Patrick nickte, schien aber nicht wirklich begeistert.
Manu beschloss, jetzt wirklich lieber den Mund zu halten und drehte sich im Bett auf die Seite, das Gesicht aber immer noch in den Raum gewandt, um nicht allzu unfreundlich zu wirken. Patrick schien das nicht zu stören, denn nur wenige Sekunden darauf drehte er sich selbst zur Wand, sodass Manu nurnoch seinen Rücken betrachten konnte.
Gedankenverloren entsperrte er sein Handy und öffnete WhatsApp. Maurice hatte ihm immer noch nicht geantwortet, was wohl hieß, dass er sein Handy noch nicht wieder bekommen hatte. In der Klinik hatte er jegliche technischen Geräte abgeben müssen und das letzte Mal, als er sein Handy für eine halbe Stunde bekommen hatte, hatte er sich sofort bei ihm gemeldet.
Als es kurz vor halb sieben war, rappelte Manu sich seufzend doch vom Bett auf. Gleich würde es Abendessen geben und er sollte dem Neuen ja den Speisesaal zeigen. Mit einem Blick in den Spiegel der Schranktür stellte Manu fest, dass seine Haare zerzaust und am Ansatz schon ein wenig fettig waren – er würde heute Abend noch duschen. Für jetzt aber musste es genügen, dass er sich die Kapuze seiner Sweatjacke über die Haare zog und somit das Schlimmste verdeckte. Ein Blick zu dem Neuen, der immer noch zur Wand hingedreht dalag und sich nur leicht mit seinen Atemzügen bewegte. Schlief er? Manu ging einen Schritt auf ihn zu, dann noch einen. Erst als er nur noch ein paar Schritte vom Bett entfernt dastand, blieb er stehen.
»Patrick?«
Der Neue schreckte hoch, schien wohl doch nicht geschlafen zu haben, und setzte sich im Bett auf.
»Es gibt Abendessen.«
Wortlos richtete Patrick sich auf, fuhr sich einmal durch die ein wenig zerzausten Haare, die daraufhin wieder super aussahen - Leute wie er hatten einfach keine unschönen Haare, auch nicht, nachdem sie fast zwei Stunden gelegen waren – und folgte dann Manu in den Flur, wo er die Zimmertür abschloss.
Den Weg zum Speisesaal legten sie wortlos zurück und als sie den großen Raum betraten und Manu Patrick gerade erklären wollte, dass er sich einfach irgendeinen Platz suchen solle, hatte dieser sich bereits von ihm gelöst und war verschwunden. Manu hatte sich schon darauf eingestellt, zumindest ein paar Tage alleine mit dem Neuen am Esstisch zu verbringen, bis dieser sich eingewöhnt und neue Freunde gefunden hatte. Aber das schien für Patrick gar kein Problem zu sein. Als Manu ihn wieder entdeckte, saß er mit Michael und Freddie am Tisch, zwei Jungs aus ihrer Stufe, die zu den Beliebtesten zählten.
Also suchte Manu sich ebenfalls einen Tisch, entdeckte etwas weiter hinten vier seiner Klassenkameraden sitzen, die Plätze bei ihnen schienen noch frei.
Stegi, der Kleinste von ihnen, nickte, als Manu zu ihnen kam und dieser ließ sich auf einen der unbesetzten Stühle sinken. Stegi, Tim, Rafi und Tobi zählten zwar nicht zu den Beliebten der Klasse, aber sie waren eine eingeschworene Gruppe für sich und als diese durchaus akzeptiert und respektiert. Er wusste, dass Maudado ab und zu mit den vier etwas gemacht hatte, sie hatten bereits öfters mit ihnen am Tisch zu Mittag oder Abend gegessen und das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie Manu für die Mahlzeit bei sich aufnahmen.
Sie hielten ein bisschen Smalltalk, Manu sprach zwar nicht viel, bemühte sich aber, zu antworten, wenn man ihn ins Gespräch mit einbezog und versank sonst in seinen Gedanken. Erst, als das Gespräch auf Patrick zu kommen schien, wurde er wieder hellhörig.
»Drei Neue sind es dieses Jahr. Zwei von denen hab ich schon getroffen, scheinen beide ganz nett zu sein. Den Anderen nur gesehen.«
Tim nickte, musterte Stegi liebevoll. Zwar waren sie offiziell nur beste Freunde - aber keiner glaubte mehr so recht, dass da nicht mehr lief. Stegi fuhr fort: »Patrick, dieser Braunhaarige«, er sah sich kurz im Raum um, »bei Freddie und so am Tisch. Er hat ein Regenbogen-Bändchen um.«
Wie automatisch wanderten Stegis Finger zu seinem eigenen bunten Festivalarmband, das er neben einer Reihe anderer trug, seitdem er mit Tim – und soweit Manu wusste auch den anderen beiden Jungs - kurz vor den Sommerferien auf dem Christopher-Street-Day gewesen war.
»Glaubst du, er ist schwul?«
Nachdenklich musterte Stegi den Neuen.
»Kann sein. Keine Ahnung. Wenn er das Band trägt, wahrscheinlich. Ich kann ihn ja irgendwann mal darauf ansprechen. Wir werden es schon noch früh genug herausfinden. Und selbst wenn - ändert ja nichts.«
Er drehte sich ein wenig zu Tim und der Blick, den sie austauschten, erzählte ganz klar, dass sie es wohl beide ziemlich cool finden würden, noch einen Gleichgesinnten in der Stufe zu haben.
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Weil es vorhin so gut ankam wie versprochen um Mitternacht gleich noch ein Kapitel!
Morgen Abend dann das nächste :)
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