Dado war inzwischen den dritten Tag wieder im Internat und seitdem hatte Manu das Gefühl, dass sich für ihn alles wieder gebessert hatte.

Zwar schaffte er es immer noch bei niemand anderem, außer seinem besten Freund, zu sprechen, aber bei Dado ging es. Die letzten Nächte hatten sie stundenlang einfach nur geredet, über dieses und jenes. Den wenigen Schlaf sah man ihnen zwar an - sie beide hatten Augenringe bis in die Kniekehlen - aber keiner der Erzieher sagte etwas. Sie sahen alle, wie gut es den beiden tat.

Die Schulstunden, Pausen, Mahlzeiten und eigentlich auch sonst jede freie Minute verbrachten die beiden gemeinsam und selbst, wenn sie getrennte Kurse hatten und Manu wieder alleine da saß, fühlte er sich nicht mehr so schlecht, wie noch vor den Herbstferien.

Patrick hatte ihn erstaunlicherweise bis jetzt in Ruhe gelassen - nicht ein Mal mehr einen dummen Spruch hatte Manu ertragen müssen. Die anderen Mitschüler, die Dado noch vom letzten Jahr kannten, hatten ihn alle wieder freudig begrüßt - nur ein einziges Mal hatte Manu mitbekommen, dass jemand ihn komisch ansah, wegen seines Klinikaufenthalts. Dennoch merkte man Maurice an, dass er sich nicht mehr so gut mit seinen ehemaligen Schulfreunden verstand, wie noch im letzten Jahr. Man merkte Tim, Stegi und den Anderen an, dass sie Manu nicht sonderlich leiden konnten und er - im Gegensatz zu früher selbst als Dados Anhängsel nicht ein Mal mehr wirklich erwünscht war. Zwar hätten sie nie direkt etwas gegen ihn gesagt, wenn Dado dabei war, aber die Spannung zwischen ihnen war greifbar.

Also hatte auch Dado sich weitestgehend von ihnen fern gehalten. Manu war bei ihnen nicht willkommen und wo Manu nicht war traf man auch Dado selten.

Gerade hatte Maurice noch Unterricht - er hatte Kunst und nicht wie Manu Musik gewählt - während Manu alleine auf ihrem neuen Zimmer saß. Irgendwann schaffte er es aber doch, sich aufzuraffen, vom Bett aufzustehen. Er würde die Zeit nutzen und seine restlichen Sachen aus seinem alten Zimmer holen - schließlich brauchte er so langsam mal mehr als nur die zwei Shirts, die er eingepackt hatte. Heute Morgen hatte er sogar schon einen von Dados Hoodies angezogen, weil er nicht in sein altes Zimmer gewollt hatte, um einen seiner eigenen zu holen. Maurice hatte bloß gelacht, als er aus dem Bad gekommen war und auf ein Mal Manu in seinem Pulli dagesessen war, es hatte ihn aber nicht gestört. Und dennoch - gerade war er so positiv gestimmt, dass er sogar vor der Begegnung mit Patrick, die das mit sich führen würde, keine Angst hatte.

Erst, als er vor seiner alten Zimmertür zum Stehen kam, zögerte er noch ein Mal kurz, zwang sich dann aber dazu, ruhig zu bleiben. Es war okay, er würde nur kurz rein gehen, seine Sachen packen und wieder verschwinden. Wenn er Glück hatte, war Patrick nicht ein Mal da.

Patrick war da. Als Manu das Zimmer betrat, sah er überrascht von seinem handy, das er in der Hans gehalten hatte auf, grinste dann aber leicht. Manu war sich nicht ganz sicher, was dieses Grinsen ihm sagen sollte.

»Wen haben wir denn hier.«

Manu versuchte, seinen ehemaligen Zimmergenossen zu ignorieren, während er merkte, wie sein Körper sich anspannte. Auch Patrick schien das nicht zu entgehen, denn er lachte leise.

»Chill mal. Ich werd dich schon nicht aus dem Fenster werfen.«

Am liebsten hätte Manu erwidert, dass man sich bei ihm nie ganz sicher sein konnte - aber er war clever genug, die Klappe zu halten. Abgesehen davon, dass er sich auch ohne seine Unfähigkeit, zu reden nie getraut hätte, ausgerechnet Patrick so Konter zu geben.

Manu ging zu seinem Schrank und öffnete ihn, betrachtete kurz den Inhalt. Zu viel, um es einfach so zu tragen, er würde seinen Koffer brauchen. Der Koffer, der oben auf dem Schrank stand, wo Manu niemals einfach so hinkommen würde.

Er seufzte und sah sich im Raum um. Auf seinem Schreibischstuhl stapelten sich noch Teile seiner Schulsachen. Er würde sie zuerst alle runter räumen müssen, damit er den Stuhl benutzen konnte, um an seinen Koffer zu kommen. Allgemein waren es doch noch einige Dinge - mehr allerlei Krimskrams als wirklich seine Klamotten - die er würde einpacken müssen.

Gerade wollte Manu sich den Stuhl frei räumen, als er auf ein Mal eine Bewegung neben sich wahr nahm und Patrick sah, der aufgestanden war und nun fast direkt neben ihm stand.

Erschrocken stolperte Manu einen Schritt zurück, was seinen ehemaligen Zimmergenossen genervt die Augen verdrehen ließ. Manu hielt die Luft an, beobachtete, wie Patrick sich bewegte, sich streckte - und nach seinem Koffer griff. Ungläubig sah er zu, wie der Größere den Koffer neben ihm auf den Boden stellte und sich dann wieder auf seinen eigenen Schreibtisch setzte, Beine baumelnd und Manu nicht aus den Augen lassend. Unsicher musterte er erst den Braunhaarigen, dann seinen Koffer und begann schließlich wortlos, seine Kleidung einzuräumen. Wahrscheinlich wollte Patrick ihn bloß so bald wie möglich hier raus haben. Eine andere Erklärung für das eben gab es nicht. Als Patrick wieder zu sprechen ansetzte, zuckte Manu erneut erschrocken zusammen. Irgendwie war er heute noch schreckhafter als eh schon.

»Dieser Neue. Maurice. Er ist dieser Typ, von dem du erzählt hast, oder? Den du geküsst hast.«

Manu stockte kurz, verfestigte seinen Griff um den Stapel Socken, den er gerade in seinen Koffer schmeißen wollte. Widerwillig nickte er.

»Merkt man. Man sieht euch an, wie vertraut ihr seid.«

Manu schwieg. Selbst wenn er gekonnt hätte - was sollte er dazu sagen?

»Ist er schwul?«

Erschrocken sah Manu auf. Ohne es bewusst zu wollen, funkelte er Patrick auf ein Mal wütend an. Nahezu aggressiv schüttelte er den Kopf. Patrick sollte die Finger von Dado lassen.

Leise lachte besagter auf.

»Schade. Er ist süß. Guck nicht so eifersüchtig. Ihr beiden würdet auch gut zusammen passen.«

Irgendwo in seinem Inneren trafen Manu Patricks Worte. Was wollte er mit solchen Aussagen bezwecken?

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Frohe Weihnachten.

Heute gibt es vermutlich ein paar Updates für euch ;)