Kapitel 21: Glück
Kapitel 21: Glück
Severus war atemlos. Zu seiner Rehabilitation, die wohl nie abgeschlossen sein würde, gehörte auch, dass er jeden Tag Sport trieb. Und so war er gerade zwei Runden im Malfoy Park gelaufen. Es war nicht so groß, wie die Runden um den großen See in Hogwarts, aber sein steifer Rücken ließ ihm kaum Bewegungsfreiheit und machten es noch anstrengender. Vielleicht, dachte er, wäre es gut gewesen, zu Zeiten des Krieges genauso trainiert zu sein, wie er es nun war. Gleich würde er Gewichte heben müssen. Er hasste die Hanteln, aber Lucius war ein nerviger Freund und kontrollierte jeden Tag, ob sie von ihm benutzt wurden. Zugegeben, es half. Er merkte selbst, wie großartig seine Kräfte wiederkehrten. Aber manchmal wusste er nicht, wieso er überhaupt noch trainieren sollte. Er war nie der Typ Mensch gewesen, der großartig Zeit, noch Lust dazu hatte, sich um sich selbst zu kümmern.
„Das ist deine größte Schwäche", hatte ihm Narzissa streng erklärt, als er ihr davon erzählt hatte. „Du hast nie gelernt, wie wichtig es ist, gut auszusehen. Das ist die beste Waffe, die ein Mensch bei sich tragen kann, denn es ist viel zu manipulativ, um wirklich offensichtlich zu werden."
Und jetzt gab sie ihm außer dem nach Rosen duftenden Shampoo noch eine Spülung, die sein Haar glänzen ließ. Sie hatte ihm außerdem eine Zahnreinigung aufgezwungen und es hätte ihn nicht gewundert, wenn sie seinen Körper nicht auch noch mit Öl einreiben lassen hätte und dann vorbeiziehenden Karawanen zum Verkauf angeboten hätte. Aber zum Glück ging sie nicht so weit.
„Ich will nur dein Bestes, Severus", sagte sie. Er schnaubte Aber tatsächlich, wenn er manchmal in den Spiegel sah, war er froh, dass sie sich darum kümmerte. Es war schwerer sich selbst zu hassen, wenn einem auffiel, dass man schöner aussah als vorher. Nicht gut, aber besser.
Aber gerade jetzt hasste er es. Denn er schwitzte fürchterlich und er war atemlos. Eigentlich mochte er es zu laufen, aber heute war er zu schnell losgelaufen und nun pochte es in seinem Bauch vor Seitenstechen. Relativ langsam kehrte er zurück zum Malfoy Manor.
Warum war er nicht zurück gegangen nach Spinners End? Er hatte in den ersten Wochen da er wieder sprechen konnte erklärt, dass er vorhatte, wieder zurück zu kehren. Aber die ganze Familie war dagegen gewesen. „Du bist Teil der Familie", hatte Narzissa ihm erklärt. „Du wirst hier so lange bleiben, bis du wieder gesund bist", meinte Lucius. „In Spinners End wirst du noch vergammeln und das wäre ein Schade um dein Brautalent", schmeichelte Draco wie eh und je. Und so war er im Manor geblieben.
Die Malfoys waren Askaban nur knapp entronnen. Harry Potter persönlich hatte sich für sie eingesetzt, nun verstand Severus, dass es auch an den Gefühlen für den Malfoy Sprössling liegen könnte. Dennoch hatten sie eine große Summe an Geld abgeben müssen. Außerdem war für Lucius das lebenslange Verbot ausgesprochen worden, sich wieder geschäftlich im Ministerium zu bewegen. Seine ganzen Bestechungen hatten selbst durch seinen heimlichen Widerstand gegen Voldemort nicht in Vergessenheit geraten können. Aber es war jedem klar, dass er mehr als glimpflich davongekommen war.
Severus stapfte die Treppen hinauf zur Eingangstür und machte sich dann weiter auf den Weg in das Trainigszimmer.
Da klopfte auf einmal eine große Schleiereule an ein Fenster im Gang. Schnell öffnete er das Fenster und ließ die Schleiereule herein. Er nahm sie auf einen Arm und trug sie zu sich in sein Zimmer. An ihrem Fuß hing ein zusammen gerolltes Stück Papier mit seinem Namen.
Er gab dem Tier etwas Wasser und ein paar Eulenkekse und rollte dann das Papier auf.
Liber Severus,
ich war der Überzeugung, du wärest tot. Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich habe mich so oft gefragt, warum es so weh tun muss zu lieben, warum muss es so weh tun, dich sterben zu sehen. Ich habe dich geliebt, weißt du das? Nun weiß ich nichts mehr. Ich will nichts lieber, als dich bei mir zu haben und ich wünsche nichts sehnlicher, dich niemals verloren geglaubt zu haben. Und ich habe Angst davor, Angst dir wieder zu begegnen, oder davor, dass du mich vergessen hast. Bitte, komm zu mir, denn ich weiß nicht, wo ich dich finden soll. Ich bin bei Harry. Komm, sobald du kannst, lass mich nicht noch länger warten.
In Liebe, deine Rae, deine Hermine
Severus klopfte das Herz bis zum Hals, seine Finger zitterten. Er hatte das nicht erwartet, nicht dass sie sich so schnell melden würde. Dann beschloss er, ihrer Aufforderung Folge zu leisten.
Hermine stand stumm am Fenster und betrachtete die Blätter, die draußen im Garten hin und her wehten. Sie wartete auf etwas. Worauf konnte sie noch nicht wissen, vielleicht war es Harry, der von der Arbeit Heim kam, vielleicht war es Severus, der plötzlich auftauchte, vielleicht war es auch nur, dass sie müde wurde, oder dass sie aufwachte in ihrer Hütte und bemerkte, dass alles nur ein Traum war.
Irgendwann erschien ein Fleck am Himmel, der auf das Haus zuhielt. Harry Schleiereule, erkannte sie, sie trug einen ebenso eingerollten Zettel bei sich, als Hermine das Fenster öffnete, um sie hereinzulassen. Sanft, aufgeregt streichelte sie dem schlauen Vogel über den Schädel. Mit zitternden Händen nahm sie ihr den Zettel ab.
Ich bin gleich da! Die Eule ist verdammt schnell.
Stand dort in seiner typischen Schrift und Hermine entwich ein merkwürdiges Glucksen. Dann lief sie hinaus und blickte in den Himmel, wartete auf einen weiteren Punkt, der näher kam, der über ihr Kreise zog, wie ein kleiner Schutzengel. Und als sie ihn schließlich sah, bewegte sie sich nicht, sie stand einfach da und versuchte zu atmen. Er landete vor ihr auf dem Boden. Seine gelben Augen starrten sie an, als könnte er in sie hineinsehen.
Dann verwandelte er sich zurück. War er ihr jemals so schön vorgekommen? Sein schwarzes Haar war länger geworden, gebürstet, sauber. Sein Körper sportlich, gerade, muskulös. Er wirkte gealtert und irgendwie verjüngt.
„Arn", raunte sie. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Er wirkte viel aufgeregter, als sie sich fühlte und doch so, als wüsste er ganz genau, was der Plan war. Als gäbe es einen Plan.
„Rae", sagte er. Vorsichtig trat er einen Schritt näher. Er Hob seine Hand, als wolle er ihr durch die Haare fahren, fühlen, dass sie echt war. Aber dann ließ er sie fallen. Etwas betrübt sah sie der Hand hinterher. Dann richtete sich ihr Blick wieder auf seine Augen. Seine leuchtenden schwarzen Augen, die ihr tausend wohlige Schauer und Abenteuer versprachen.
„Bist du echt?", fragte sie. Es war völlig ernst gemeint.
„Probier es aus", forderte er sie heraus.
Da sie den Schritt überbrückte und ihn zu sich herunterzog, ihn umarmte, als wolle sie ihn nie wieder loslassen, erkannte sie, dass er echt war, dass sie nicht träumte, dass er lebte. Sie fühlte seinen warmen Nacken, seinen Puls, seine Tränen in ihrer Schulter und sie weinte, weil sie erkannte, dass sie wieder leben wollte.
Severus hatte nie solche Freude gespürt, wie gerade jetzt in diesem Moment. Es fühlte sich an, als wären Fesseln von seinem Herz gesprungen, als würde es überquellen nur wegen ihr, wegen dieser wundervollen Hexe, der wohl immer noch etwas an ihm lag.
„Wie hast du überlebt?", fragte sie, als sie sich irgendwann voneinander lösten und sie seine Wange fasste, als suche sie etwas in seinem Gesicht, was nur sie dort finden könnte.
„Draco Malfoy hat mich gerettet, kurz nachdem ihr gegangen seid", erklärte er.
„Ich mag ihn", lachte sie. Sie lachte. Es schien, als würden die Sommersprossen auf ihrer Nase dabei tanzen und das Leuchten ihrer Augen berührte ihn tief. Sie war so schön, schöner als in all seinen Träumen und Erinnerungen.
„Ich mag ihn auch", flüsterte er rau. Sie schloss ihren Mund und suchte wieder sein Gesicht ab. Plötzlich schien sie gefunden zu haben, was sie suchte.
„Darf ich dich küssen?", fragte sie. Es war das wohl romantischste, was jemals jemand zu ihm gesagt hatte. Er nickte, weil seine Stimme kläglich daran scheiterte zu funktionieren. Ihm kribbelten Beine, Arme und Bauch, als er seinen kläglich schmerzenden Rücken zu ihr herunterbeugte. Aber alles, alles hätte er auf sich genommen, damit er fühlen konnte, wie er jetzt gerade tat.
Als Harry Ron etwa vier Stunden zuvor während ihrer Pause in der Ministeriumsmensa Endivien durcheinander mampften, eröffnete Harry, was er Ron schon die ganze Zeit hatte mitteilen wollen.
„Ich habe gestern überraschend Besuch bekommen", begann er und Ron, der schon den Teller auskratzte, nickte ihm zu, damit er weitererzählte. „Es bleibt erst einmal unter uns", sagte er und nun hatte er tatsächlich Rons volle Aufmerksamkeit. „Hermine ist wieder aufgetaucht."
Ron war völlig aus dem Häuschen gewesen, er hatte sich nicht eingekriegt, beinahe hätte er es der versammelten Mannschaft mitgeteilt, wenn Harry ihm nicht den Mund zugehalten hätte. „Es bleibt unter uns", hatte er gezischt.
„Ich will sie sehen", maulte Ron und Harry war froh, dass sie keinen Außendienst hatten, sondern schön Büroschicht schieben mussten.
„Ja, komm halt mit, wenn ich heim gehe", sagte Harry. „Und jetzt konzentrier dich."
Sie konnten sich beide kaum konzentrieren. Zu sehr freuten sie sich, dass Hermine heile zurückgekehrt war und so beschloss Harry heute ein wenig früher Schluss zu machen, auch wenn Kingsley ihm und Ron missbilligend hinterher sah. Als sie in eine Seitengasse zu Harrys Straße apparierten, liefen sie eilig und feixend zum Haus.
Es war ein Eckhaus mit hohen Hecken zu ihrer Seite und zur anderen Seite ein kleiner Holzzaun. Harry und Ron bogen kaum ab zum Haus, als sie Hermine erblickten, aber wen sie außerdem sahen, erstaunte sie beinahe noch mehr. Da stand Snape, leicht über sie gebeugt und blickte auf sie herunter. Harry konnte Ron schlucken hören. Hermines Hand strich über die Wange des dunklen Zauberers. Sie sagte etwas zu ihm und er antwortete. Dann sagte sie nochmal etwas, weder Harry noch Ron verstanden, was es war. Aber es wurde klar, dass es alles andere als eine Beleidigung war, als sich der ehemalige Professor herunterbeugte, um sie zu küssen.
„Nun, wir sollten sie nicht stören", meinte Harry vorsichtig.
„Sicher, meinst du, sie macht das freiwillig?", fragte Ron leicht berstört.
„Oh ja, das glaube ich", flüsterte Harry, während er beobachtete, wie sie sanft durch das schwarze Haar fuhr.
„Fuck", meinte Ron, aber es war zu hören, dass er es nicht ernst meinte. Dann seufzte er. „Immerhin sieht sie glücklich aus. Und jetzt lass uns verschwinden."
Harry lachte leise, während er mit Ron fortschlich, gerade in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
Trotz jahrelanger Kriegserfahrung hatten werder Hermine noch Severus etwas davon mitbekommen.
„Wir haben viel zu bereden", sagte sie ernst, als sie sich voneinander lösten. „Wir haben viel, was wir nur gemeinsam verarbeiten können." Severus nickte, sie hätte in diesem Moment alles von ihm einfordern können.
„Erinnerst du dich an deine Frage nach dem Glück", fragte er plötzlich, es war nicht so, dass er ihre Briefe jeden Tag durchlas, aber...ja, vielleicht einmal die Woche. Hermine nickte.
„Was ist schon Glück?", rezitierte sie ihren ersten Brief. Sie hatte alle aufgehoben.
„Du bist mein Glück", antwortete er, das Leuchten in seinen Augen hätte nicht größer sein können.
„Und du bist meines", sagte sie.
-Ende-
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