VIII
„Sein anwesend Justiziare Maon, Stux, Yreb, Fhim, Besa und Oberstwache Ewmy. Außerdem Angeklagter und Wachen. Schwören nun alle Anwesenden auf Ehle, dass sagen sie die Wahrheit." Die Justiziarin rief nach und nach die Namen auf, und ihre Kollegen sagten „Schwören ich".
Auch Henry tat das, als er an der Reihe war. Ihn erinnerte das seltsamerweise an die Vorgänge auf der Erde, jedoch war das Gericht dieser Welt mehr eine Parodie der Justiz der ersten.
„Bestehen Vorwurf der Verwahrlosigkeit, der werden vorbringen von Ewmy. Treten du nun vor, Oberstwache." Die nasale Stimme der Richterin verstummte und die Frau in der grauen Uniform stand auf, sodass sie Henry mit gelben Augen mustern konnte.
„Haben werden bringen Angeklagter mir von Hoka, haben auffinden xev ihn auf der Straße. Haben eingehen ein anonymer Hinweis. Haben sehen Angeklagter so aus, wie sehen ihr jetzt. Haben durchführen darauf ich Gespräche, doch haben sagen Angeklagter lediglich Wirrsinn, denn haben behaupten er, dass sein er nicht von hier und weiteres. Kommen ich noch zu keinem begründeten Schluss, ob sagen Angeklagter die Wahrheit oder sein Erinnerer, jedoch werden durchführen zuerst diesen Prozess um Verwahrlosigkeit. Denn sein diese mit Abbild von Armut wohl eindeutig."
Ewmy sprach schnell, Henry konnte ihren Worten kaum folgen. Die Richter dankten der Oberstwache mit einem Kopfnicken, sie setzte sich wieder hin. Nun richteten sich alle Blicke auf den Angeklagten.
Ein Mann mit pinkem Haar begann: „Also, Angeklagter, sein Fall wohl klar. Warum haben gehen du in solchem Zustand auf die Straße?"
„Verzeihung?", erwiderte der alte Mann verdutzt. „Ich hatte mich verirrt, und ja, zu dieser Zeit habe ich wohl nicht vor Schönheit gestrahlt, doch ich wüsste nicht, warum mein Hygienezustand von solcher Wichtigkeit wäre. Gleichzeitig, wie ich bei meinem Gesprächen mit Frau Ewmy immer betont habe, wusste ich nicht, dass ich mich in einem anderen Land befinde, was ich erst kürzlich durch einen Zufall herausgefunden habe. Ich komme nicht von hier und habe keine Ahnung von den hiesigen Gesetzen, es tut mir leid, sollte ich welche verletzt haben."
Der Greis beendete seine Rede. Er hatte ruhig gesprochen und war nicht unterbrochen worden, so wie es bei den Verhören zuvor die Regel gewesen war. Hier war seine letzte Chance, seine Unschuld zu beweisen, da es diesen Sehlen nicht in den Kopf ging, dass er ein Mensch war!
Gleichzeitig, und diese Erkenntnis durchfuhr ihn wie einen Blitz, sobald ihm jemand glaubte, dass er aus der ersten Welt kam, schwebte er in Lebensgefahr. Die Erinnerer lauerten überall. Es war sehr unklug, wie er sich gerade verteidigt hatte.
„Haben sagen du, dass wissen nicht du– anscheinend–, wie lauten Gesetze hier. Lesen ich nun Verfügung von Hel vor, bewilligt von Ehlenern und Helenern unter der Hand von Ehle", der Richter öffnete ein schweres Buch. „Sein von heute an alle Seelen verpflichtet, dass teilnehmen sie an den Brunnenbädern, wenn wollen gehen sie in Öffentlichkeit. Vergehen sie sich mit Nichtbeachtung der Verwahrlosigkeit, insofern werden ansehen ihnen, dass haben tun sie dies nicht. Sein nicht es strafbar, wenn aussehen sie wie jemand aus Brunnenbad, aber haben nicht sein dort. Anmerkung der Hel: Werden festlegen Standardaussehen im staatlichen Katalog."
Der Justiziar war mit seiner Vorlesung aus den Gesetzen fertig und zog ein anderes Aktenblatt heraus. „Sein hier aktueller staatlicher Katalog und finden nicht ich dort dein Aussehen."
Der Mensch war verwirrt. „Sie meinen, dass mein Äußeres nicht richtig ist?" Was war das denn für eine Anschuldigung? Welche Psychopathen legten fest, wie man auszusehen hatte?
Doch der Justiziar nickte. „Ziemlich offensichtlich", fügte er hinzu.
„Wie bitte?", entfuhr es dem Achtzigjährigen. „Ich verbitte mir diese Beleidigung!"
Die Richter starrten ihn verblüfft an, dann fing einer an, leise zu lachen. Seine Kollegen stiegen einer nach dem anderen ein.
„Sein du voller Falten und Altersanzeichen", er rümpfte die Nase dabei. „Haben sein das noch nie im Katalog." Besonders Ewmy fand all das sehr lustig.
Henry hatte immer noch nicht realisiert, was die Sehlen ihm gerade erzählt hatten. „Es ist also ein Verbrechen, dass ich alt bin? Ich werde wegen meiner Falten verhaftet? Wegen meiner Gebrechlichkeit? Dass ich stolze 80 Jahre lang überlebt habe?"
Eine Richterin schien den Zorn in seiner Stimme nicht wahrgenommen zu haben. „Ja, sein es Verbrechen, dass sehen du so aus, aber sein es nicht strafbar, leben lang", sagte sie besänftigend, als würde sie mit einem kleinen Kind reden. „Sein viele, viele älter als du, haben ich für meinen Teil schon das zweite Säkulum erreicht."
In Henrys Kopf schwirrte alles. Was erzählte die Frau da? Säkulum, Säkulum, da musste er seine letzten Lateinkenntnisse zusammenkratzen– meinte es nicht Jahrhundert? Der Angeklagte schwieg, während die Justiziare weiteren Irrsinn plapperten. Auf ihre Fragen antwortete er nicht mehr.
In der zweiten Welt war es illegal, alt auszusehen, obwohl viele älter waren als es jeder Mensch je erreichen würde. Der 80-Jährige dachte weiter nach und zog logische Schlussfolgerungen. Dieses Land war extrem weit entwickelt in Sachen der Technik. Er schloss also nicht aus, dass das hohe Alter auch künstlich erzeugt wurde. Oder aber Sehlen waren von Natur aus langlebig oder sogar unsterblich.
Zu gerne würde er seine Befürchtungen mit jemanden bereden, aber er war den hohen Damen und Herren auf Gedeih und Verderben ausgeliefert, konnte nicht seinem neuen Freund befragen. Er war wortwörtlich der Gnade der hier Versammelten ausgeliefert, dass niemand ihn verriet. Er konnte nur hoffen, dass niemand ihm glaubte, und doch sollten die Richter seinen Worten glauben, damit er nicht unschuldig ins Gefängnis kam.
„Angeklagter! Wollen sagen du etwas noch zu deiner Verteidigung, tun du nicht?" Die Frau im Ballkleid riss ihn aus seinen Gedanken.
„Nein, ich habe alles erklärt", meinte der alte Herr mit belegter Stimme.
„Ziehen die Justiziare sich nun zurück und beraten über das Urteil."
Ewmy wirkte triumphierend, als sie die Geschworenen herausführte.
Henry war wieder allein, insofern man die Wachen als nicht zählend als Gesellschaft betrachtete. Und doch, nun interessierte ihn, was die Männer und Frauen, die unsichtbar bleiben sollten, die niemand bemerken sollte, dachten. Wer von ihnen hatte überhaupt zugehört? Wer hatte gemerkt, dass Henry die Wahrheit sprach, dass er keine Sehle wie alle anderen war?
Eine überschaubare Menge der Uniformierten hatte die Oberstwache zurückgelassen. Sie standen stramm und blinzelten nicht. Der Senior versuchte, es sich auf der Bank gemütlich zu machen.
Er hatte Kopfschmerzen von dem vielen Denken, es belastete seine Platzwunde, die immer noch nicht ganz verheilt war. Sein Rücken tat erbärmlich weh. Bestimmt zwei Tage war er nun in dieser Position an den Tisch gekettet.
Und wie er Ewmy kannte, würde diese auch nicht eher als das erneute Verstreichen dieser Frist auftauchen. Er schnaubte verächtlich.
Wenigstens blieb ihm diese Zeit noch in Freiheit. Sicherlich würden die Richter der Einschätzung der Oberstwache folgen, welche den alten Herrn überhaupt nicht leiden konnte und das auch immer wieder zum Ausdruck brachte.
Die neuen Wachen kamen, lösten die alten ab. Es war faszinierend, ihnen dabei zuzuschauen.
Wenngleich die Uniform immer dieselbe war, trug jeder eine einzigartige, fantasievolle Frisur. Die Gesichter wirkten jung, jetzt jedoch wusste Henry, dass das nur Schein war. Wie alt wohl die Sehlen werden konnten? Sein Blick strich über die Weißuniformierten.
Plötzlich stürzte er und hielt inne. War das nicht...?
Tatsächlich! Krit hatte es irgendwie geschafft, für seine Zelle eingeteilt zu werden. Die großen, dunkelblauen Augen und die Korkenzieherlocken, die im Kontrast zu seiner harten Gesichtsform standen; zweifellos, das war er.
Die Wache zwinkerte Henry zu, als dieser verblüfft dreinstarrte.
Und der alte Mann nahm das als Versprechen, dass er einen Freund hier hatte, dass noch nicht alle Hoffnung verloren war. Er wollte nicht in den Käfigen versauern oder von Egomanisten gefunden werden. Mit den Augen lächelnd schaute er noch einmal zu Krit, dann wandte er seinen Blick ab, um keinen Verdacht zu schüren. Aber er war frohen Mutes, hatte nicht aufgegeben. Noch nicht.
Wieder kamen Wachen und brachten ihm die Mahlzeiten. Ein Anzeichen dafür, wie schnell die Zeit verging. Das einzige, wohlgemerkt.
Es waren die wenigen Augenblicke des Tages, wo seine Handschellen geöffnet wurden und er mit zittrigen Fingern die Suppe löffeln durfte. Seine Hände schmerzten unheimlich, immer wieder tropfte die heiße Brühe zurück in den Teller, bevor er sie essen konnte. Alles unter dem gestrengen Blick der Uniformierten.
Henry war unbehaglich dabei. Wer war ein Überläufer? Dass sie ihn so oder so alle verachteten, war ihm klar. Ihm war es allerdings lieber, nicht getötet oder gefoltert zu werden.
Er bemühte sich, seinen Puls etwas zu beruhigen. Da die Schale leer war, wurden seine Hände normalerweise wieder gefesselt, doch heute nicht. Er hob überrascht eine Augenbraue und sah die leitende Wache an.
Die ging kurz zur Tür und öffnete die Tür für eine Person. Ewmy!
Wie hatte er sie doch vermisst.
Der alte Herr wusste nun, dass diese scheinbare Gnade keine werden würde. Er konnte sich denken, dass sie etwas im Gegenzug einfordern wollte.
Wie auch zuvor in der alten Zelle hatte sie sich einen Klappstuhl mitgebracht. Sie scheuchte die Uniformierten weg, offensichtlich darauf bedacht, dass niemand ihr Gespräch mithörte. Henry war skeptisch, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war.
Die Frau beugte sich zu ihm, sodass er ihr schweres Parfüm riechen konnte. „Also, mein Lieber, haben wir noch einmal das Vergnügen. Haben bekommen ich diese Möglichkeit zu einem Gespräch von den Justiziaren, weil sein mein Beitrag zu diesen Ermittlungen sehr groß."
Sie ließ keinen Zweifel daran, dass dagegen seine Beteiligung äußerst gering war. „Wollen hören ich keine Ausflüchte", flüsterte sie, „keine Lügen." Ihre Stimme war so scharf sie ihre Fingernägel.
Henry blickte verbissen auf die Tischplatte. Er würde auf diese Provokationen nicht eingehen, ihr keine Gelegenheit geben, sich an seinem Leid zu laben.
„Sein das hier keine offizielle Veranstaltung", führte sie fort, „also müssen antworten du nicht. Aber müssen sein ich höflich auch nicht."
Der alte Mann biss sich auf die Zunge. Wenn das höflich gewesen war, was erwartete ihn denn nun? Die Wachfrau rutschte noch näher zum Angeklagten, dem das äußerst unangenehm war. Aber er rührte sich nicht vom Fleck, unwillig nachzugeben.
„Haben sein schon immer überzeugt, dass sein du Erinnerer", sie spuckte das Wort mit höchstmöglicher Verachtung aus. „Aber", sie lachte leise, „sein nun egal mir das. Hassen ich diese Egomanisten, diese Abtrünnigen, verstehen du? Wollen töten ich alle mit eigener Hand, falls dürfen ich. Doch nun sein egal mir das. Kümmern es mich nicht, was sein du, was haben bringen dich hierher."
Sie presste einen Zeigefinger unter Henrys Kinn und zwang ihn, den Kopf zu heben. Gelbe Falkenaugen bohrten sich in ihn.
„Jetzt", verkündete sie im Flüsterton, „sein du niemand. Liegen du am Boden. Haben ich dich in meiner Gewalt." Sie spuckte ihm ins Gesicht.
Henry schloss die Augen ob dieser Demütigung. Was bildete sich diese Frau ein? Er zügelte seine Wut mühsam. Es zwang ihm all seine Selbstbeherrschung ab, dass er nichts sagte, bis diese schreckliche Furie verschwunden war. Woher kam dieser Hass? All dieser Hass, immer und immer wieder.
Mit versteinertem Gesicht nahm er wahr, wie die Wachen seine Hände wieder anketteten. Vergessen würde er das hier ganz sicher nicht, da spielte es keine Rolle, dass Ewmy und er eigentlich auf derselben Seite standen.
Bald nach diesem Gespräch fingen seine Wächter an, unruhig zu werden. Manche verzogen auffällig häufig das Gesicht, andere liefen nicht mehr im Gleichschritt.
Der alte Mann wusste nicht, ob Angst oder Freude sie durcheinanderbrachte.
Als plötzlich nur die Hälfte der eigentlich abkommandierten Wachen zu der Dienstübernahme kamen, wurde ihm klar, dass irgendetwas falsch lief. Die Uniformierten schienen zu derselben Schlussfolgerung gekommen zu sein, denn sie diskutierten miteinander– allerdings so leise, das Henry sie nicht verstand– und schließlich verschwanden einige nach draußen.
Die verbliebenen achteten kaum noch auf den Gefangenen, sondern besprachen mit sorgenvoller Miene die verschiedensten Dinge. Am Ende verließen Henry auch die letzten Wachen.
Jetzt war er wirklich allein, und obwohl ihn eigentlich diese Tatsache glücklich stimmen sollte, war er unruhig. Irgendetwas stimmte hierbei ganz und gar nicht.
Was hatte die Oberstwache schon wieder vor?
Henry seufzte und zerbrach sich weiter den Kopf. Was sollte dies alles?
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