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II

Zwei Minuten zu spät, um genau 15:53 Uhr traf der Bus an der Haltestelle ein. Der Fahrer öffnete die hintere Tür und Henry hievte seinen Rollator in das Fahrzeug. Glücklicherweise wartete der Busfahrer, bis er sich hingesetzt hatte, dass er weiterfuhr.

Der leichte Nieselregen befeuchtete die Scheibe, als der alte Mann hinausblickte. Es waren bereits viele Straßenlaternen angegangen, obwohl die Sonne noch gar nicht untergegangen war. Doch dieser Tag war so diesig, dass man sich zu dieser Entscheidung hatte hinreißen lassen, vermutete er. Sie schimmerten matt im Spiegelbild der Fensterscheibe.

Da Henry wieder etwas zu Atem gekommen war, sah er sich an, mit wem er heute die Busfahrt teilte. Im Halbdunkeln hatten die meisten ihre Augen geschlossen oder sahen auf ihre Bildschirme vor sich. Eine Welle der Erschöpfung schien über ihnen zusammenzubrechen. Nicht viele waren seine Mitfahrer, ein oder zwei Schüler, junge Erwachsene und drei sich lautstark unterhaltende Senioren. Letztere saßen in einem der Vierersitze im vorderen Busabschnitt und schienen sich bestens zu verstehen. 

Aber halt– konnte das sein? Henry kniff ungläubig die Augen zusammen. Waren das Marianne, Hannelore und Erich?

Tatsächlich. Das Ehepaar Bunger, mit Erich hatte Henry jahrelang die Schulbank gedrückt, Hannelore war jünger. Und Marianne war auch in seiner Klasse gewesen, war sie nicht die größere Schwester von Hannelore? So ein Zufall.

Henry schüttelte ungläubig den Kopf, doch seine Vorahnungen wurden bestätigt. Er irrte sich nicht. Er wusste es ja.

Die beiden Schwestern hießen vorher... Walter? Nein, Klaus. Marianne war Witwe, ihr Mann vor langer Zeit gestorben. Vinth. Hatte Henry nie persönlich gekannt. Erich und Marianne hingegen sehr wohl.

Als wäre es gestern gewesen, wie Marianne und Gerda - Gerda Truf, jung verstorben- zuerst ihn beäugten, dann sich vielsagend anblickten und schließlich mit dem Rest der Mädchen anfingen zu tuscheln. Außer mit Heide, natürlich.

Erich und Hans und Walter und Peter und Jürgen und all die anderen hätten in der Pause haarklein erzählt bekommen, was die jungen Fräuleins am Morgen erfahren zu haben glaubten. Die Knaben hätten es entweder dabei belassen oder ihn im Unterricht, in der Pause, zu Hause damit malträtiert.

Es waren Kleinigkeiten: Was für ein Brot er dabeihatte, wenn er eins dabeihatte, wie abgenutzt seine Socken aussahen (als wären die ihren besser, in der Nachkriegszeit herrschte überall Mangel), dass er ja beim Fräulein Weber nachsitzen musste, weil er ihr widersprochen hatte. Daraufhin war Henry damals in Tränen ausgebrochen und Peter, so war der Senior sich sicher, hatte diesen Anblick nie vergessen.

Sie hatten ihn nicht gemocht- wobei, das war eine Untertreibung. Als Klassenprimus war dem jungen Henry Schneider ein schweres Schulleben vorherbestimmt, doch er war schlimmer als der besserwisserischste Streber. Er wusste eben alles.

Er verstand auch nie, warum die anderen so viel Falsches sagten. Nicht nur seine Mitschüler, auch die Lehrer erzählten häufig haarsträubenden Unfug. Oh, wie oft war er heimgeschickt worden, wie oft hatte seine Mutter zur Schule gehen müssen, und Henry, Henry verstand die Welt nicht mehr.

Es war doch für den Knaben alles so offensichtlich!

Nur, dass niemand außer ihm dieses exklusive Wissen, diese Gabe hatte, war ihm nicht klar. Sehr, sehr lange hatte er für diese Erkenntnis gebraucht.

Vielleicht wären ihm also Schuljahre voller hinterhältiger Streiche und Abende, an denen er sich in den Schlaf weinte, weil er wusste, wie schlimm der folgende Tag wäre, erspart geblieben.

Dass sein Ranzen plötzlich verschwunden war, war noch der harmloseste Spaß seiner Kameraden. Als sie merkten, dass ihm schulischer Erfolg wichtig war (als es ja etwas war, worin er besser als die anderen abschnitt, womit er mit Anerkennung und Lob der Lehrer belohnt wurde), fingen sie an, den Lehrern weiszumachen, Henry sei an allem Unfug, den sie verursacht hatten, schuld.

Das Loch in der Wand? Schneiders Jung'. Warum Gerda so bitterlich weinte? Henry hatte sie geschlagen. Wer die Scheiben zertrümmert hatte? Natürlich, der Henry.

So unbarmherzig wie Kinder, die neidisch und unschuldig waren, nur sein konnten. Jeden Morgen dieselbe Tortur.

Als sie dann älter wurden, wurde es weniger. Nein, es wurde subtiler.

Statt ihm die Pausenbrote wegzuessen, luden sie ihn nicht zu Geburtstagsfeiern ein. Oder, wenn sie rüber in die Stadt fuhren, war natürlich kein Platz mehr- und sie hatten leider, leider vergessen, an ihn zu denken. Sobald er sich im Gespräch einmischte, wurde er ignoriert, sei es im Unterricht oder danach.

Die Erwachsenen bekamen das mit, es kümmerte sie aber nicht. Sie hatten weitaus größere Probleme. Und wie gut sich die Nachbarskinder verstanden, war nicht ihr Bier. Das waren sowieso nur Kleinigkeiten, sollten sie doch selber klären.

Henry blickte hinaus auf die graue Landstraße. Die Sonne durchbrach die undurchdringlich scheinenden Wolkenbarrieren, golden und roséfarbene Strahlen streiften die Krone der regennassen Bäume.

Der Bus kurvte einsam durch die Landschaft, sie hatten noch eine Wegstrecke bis zu ihrem Ziel vor sich. Die Insassen kannten diesen Weg gut, deswegen schenkten sie ihrer Umgebung kaum Aufmerksamkeit.

Nicht so Henry– wenngleich er diese Route wohl öfter gefahren war als die anderen. Er schaute sich jeden Baum, jede Biegung an, bemüht, nicht dem Gespräch der Senioren zu folgen.

Als Erwachsene hatte der alte Mann erst gar nicht angefangen, sich mit seinen ehemaligen Kameraden gut zu stellen. Für ihn war dieses Thema erledigt, obwohl er tagtäglich durch solche Zusammentreffen daran erinnert wurde, dass kaum einer von ihnen weggezogen war. Viele, viele Jahre ging das so. Nun war es wahrhaftig zu spät, um Versöhnung zu suchen oder seine Entscheidung in jungen Jahren zu bereuen.

Er kannte ihre Enkel und Kinder nicht, er kannte nichts von ihnen. Manchmal hatten sie flüsternd mit dem Finger auf den alten Mann gezeigt, als ob er sie nicht sehen würde. Deswegen war er froh, dass Arne nicht aus der Gegend war und dem „Einsiedler" kein Misstrauen entgegenbrachte.

Die Geschichten, die über ihn im Umlauf waren, kannte Henry natürlich. Wort für Wort. Er lebte damit.

Draußen wurde es immer dunkler. Die Sonne verabschiedete sich mit einem Feuerwerk der Farben, als ob sie den Tag über nicht genügend ihrer Goldstrahlen verteilen hatte können – was tatsächlich der Fall war, weil das bedrückende Grau heute jegliche Schimmer hatte verschwinden lassen. Die Wolken verzogen sich noch immer nicht, obgleich die Dämmerung siegte. Langsam kamen die hellen Lichter der Stadt näher.

Während die meisten Businsassen die Fahrt über ihre Ruhe genossen hatten, hatten die drei Senioren weitergeredet. Als sähen sie sich nach Jahren zum ersten Mal wieder, so kam es zumindest Henry vor. Doch nun beendete glücklicherweise die Ankunft des Omnibusses an seinem Ziel die immerwährenden Tratschereien.

Was war der alte Mann froh, als er ausstieg und seinen Rollator in Richtung einer Bank schob.

Darauf bedacht, weder Marianne noch Erich oder Hannelore anzuschauen. Denn seine Bekannten hatten ihn im Bus nicht entdeckt, und so sollte es seiner Meinung nach bleiben. Dieser Tag war aufreibend genug, er brauchte keine vielsagenden Blicken der Drei.

Er setzte sich vorsichtig auf die nasse Bank. Wäre wohl besser gewesen, er hätte sich auf die Sitzfläche seines Rollators niedergelassen. Henry grummelte. Dann nahm er – endlich - mit zitternden Fingern seine FFP2-Maske ab. Er atmete tief durch. Was für eine Anstrengung wegen eines kleinen Stückes Stoff.

Sein Puls hatte sich wieder beruhigt, er machte sich dran, weiterzugehen. Von seinem Ziel war er noch einige Blocks entfernt, doch die hereinbrechende Nacht ermöglichte es dem Senior, die bohrenden Blicke der Passanten zu meiden. Wer war schon an einem nassen Herbsttag spätnachmittags in der Innenstadt unterwegs?

Henry fühlte sich motiviert, seine Knochen schmerzten nicht wie sonst manchmal und der Nieselregen flaute ab. Sein Beschluss stand fest.

In der nachtnahen Stadt war wirklich kaum einer aus. Die Gaststätten waren wenig besucht, und niemand verirrte sich mehr an die Tische nach draußen. Entgegenkommende grüßten zwar ab und zu, doch meist eilten sie an Henry vorbei. Niemand wollte heute länger als nötig draußen verweilen.

Auch der alte Mann schritt zügig voran. Er war eingeschränkt, konnte lange Strecken nicht ohne Pausen gehen, des Weiteren machte das Kopfsteinpflaster ihm zu schaffen. Tapfer hielt er durch.

Vor einem Schaufenster, in dem sich einst ein Elektrofachhandel befunden hatte, wartete er kurz. Wie viele Jahre stand dieser Laden schon leer? Die Antwort wurde ihm im Hinterstübchen seines Gedächtnis gegeben.

Tatsächlich kürzer als er vermutet hatte, im letzten Jahr hatten die letzten Betreiber ihr Geschäft aufgegeben, weil es sich wegen der Pandemie nicht rentierte. Aber sie hatten einen Buchladen geführt, das Geschäft, das Henry vertrauter war, hatte deren Vor-Vor-Vor-Eigentümern gehört. Wie schnell das alles doch vergangen war.

Er betrachtete sein Spiegelbild. Ein Mann mit faltigem Gesicht, das schüttere, weiße Haar unter der Kapuze verborgen, sah ihn an. Der braune Regenmantel passte sich dem Hintergrund an, und seine Stofftasche im Netz des Rollators war völlig durchnässt. In der Ferne schlug eine Kirchturmuhr. Ja, Zeit rannte.

Henry riss sich los und lief weiter. Langsam schob er seinen Rollator durch die Straßen. Der Weg war doch weiter, als er gedacht hatte. Es regnete. Wieder eine Pause, Henry setzte sich auf eine Bank. Es war kalt.

„Herr Schneider! Was machen Sie denn hier?", rief eine Henry sehr bekannte Stimme auf einmal. Der Greis zuckte erschrocken zusammen.

Arne Tiller! Der alte Mann drehte den Kopf zur Seite. Seine Haushaltshilfe kam mit großen Schritten auf ihn zugerannt.

„Sie sind ja völlig durchnässt, hier draußen werden Sie sich noch erkälten! Und was brauchen Sie denn überhaupt hier in der Stadt, es ist doch schon Abend?" Der junge Mann hörte gar nicht mehr auf zu reden.

Henry winkte nur unwirsch ab. „Lassen Sie das mal meine Sorge sein, ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen", antwortete er mit schärferen Tonfall als er gewollt hatte.

Arne hielt inne. „Ich hatte nicht beabsichtigt...", fing er an.

Beide schwiegen.

Eine Frau trat zu den beiden, Henry kannte sie nicht. Sie hatte ein kleines Mädchen auf dem Arm. Es war Arnes Frau, Tessa, und die kleine Rosalie. Beide waren in dicke Jacken eingemummelt.

„Sie müssen Herr Schneider sein, oder?", plauderte sie, ohne die angespannte Stimmung zu bemerken. „Meinen Sie nicht, dass Sie sich bei dem Wetter noch den Tod holen, wenn Sie hier sitzen?" Tessa lächelte offenherzig , ihre Augen strahlten trotz der Kälte.

Der alte Mann meinte: „Dann sei es so." Einen Mundwinkel zog er spöttisch nach oben, sonst verzog er keine Miene.

Das Ehepaar wechselte einen Blick.

„Ich weiß, es ist ein weiter Weg bis zu Ihrem Haus, wenn Sie möchten, können Sie sich bei uns aufwärmen", startete Arne noch einen zögerlichen Versuch.

„Nein danke, ich habe noch etwas zu tun", lehnte der Senior ab, höflicher als zuvor. Er stützte sich auf seinen Rollator und machte Anstalten, wegzugehen.

„Schön, Sie kennenzulernen." Tessa lächelte nervös.

Henry antwortete nur mit einem Nicken auf ihren freundlichen Gruß.

„Guten Abend", grummelte der Senior halblaut im Vorbeigehen. Resolut schritt er aus, wie um Arne zu beweisen, dass er keiner Hilfe benötigte.

Er war näher an seinem Ziel, als er gedacht hatte, den Streit mit Arne hatte er bald aus seinem Kopf verdrängt. Wenig später erreichte er die Straße, um die sich seine Gedanken seit dem heutigen Morgen drehten.

„Schmiedgasse", las er sich selbst das verdunkelte Schild vor. Straßenlaternen gab es in diesem Weg wenige. Doch er war häufig hier gewesen, er wusste, wo er hinmusste.

Die Räder des Rollators ratterten über das Kopfsteinpflaster, und der Tag war längst gestorben. Henry war allein.

Zum Glück, denn sein Vorhaben war weder sonderlich legal noch etwas, bei dem er beobachtet werden wollte.

Er versuchte, sein hämmerndes Herz zu beruhigen. Dann ging er zu dem Haus der Nummer 4, welchem gegenüber sich die Baulücke befand, über die geschrieben worden war.

Nun, für gewöhnlich tat sie das. Gerade erspähte Henry im Zwielicht der Gasse hinter Nieselregenschauern eine Fassade, die ist nicht geben konnte.

Er wusste zwar, dass sich das Wissen in seinem Kopf nie irrte, allerdings hatte er das noch nicht ganz geglaubt. Eine optische Täuschung? Ein gelungener Scherz?

Nein, irgendetwas verriet dem alten Mann– sein pochendes Herz, das Zittern seiner Finger– dass vor ihm die Schmiedgasse Nummer 9 stand. Die, die niemals gebaut worden war.

Vorsichtig trat er näher, als ob die massiven Backsteinfassade mit einem Wimpernschlag verschwinden könnte. Aber dem war nicht so. Behutsam strich er über den rauen Stein. Keine Einbildung, eindeutig nicht!

Aber was dann? Nichts Gutes, sagte ihm ein mulmiges Gefühl.

Doch- um die Wahrheit herauszufinden, musste er sich selbst überwinden. Es waren fünf Schritte bis zur Haustür.

Heide, er tat das hier für Heide, schoss es ihm durch den Kopf.

Henry nahm die verrostete Klinke in die Hand. Mit der anderen suchte er Halt an seinem schiebbaren Gefährten.

Es knarzte, als er sie herunterdrückte. Wider allen Erwartens schwang die hölzerne Tür auf und gab einen schwarzen Raum frei.

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