Die Tragödie I.II
Das Klingeln erlöste uns, verhinderte jedoch nicht eine große Hausaufgabe aufgedrückt zu bekommen. Schnell tickte ich Maddy an, die zwar zusammenzuckte, aber verstand und ihr Handy unbemerkt im Rucksack verschwinden ließ.
Nach der gemeinsamen Mittagspause schlenderten wir zur Sporthalle.
Ich machte mir Sorgen um meine Freundin, da ist ihr seit Wochen nicht mehr ganz gut ging und sie nicht einsah, sich beim Sportunterricht befreien zu lassen.
Deswegen versuchte ich, wie jeden Mittwoch, sie eines besseren zu belehren. Erfolg damit sollte ich an diesem Tag nicht haben, aber meine Sorge war berechtigt, leider.
Nach dem Aufwärmen stellten wir uns in einer Reihe auf und unsere Lehrerin zählte zwei Mannschaften ab.
Oh Freude! Wir würden Basketball spielen...
Zu unserem großen Leidwesen waren Maddy und ich als Gegner eingeteilt worden, mehr noch, wir waren direkte Gegenspieler.
Hoffnungsvoll lächelte ich sie an, wir wussten, dass wenn einer sich nicht anstrengen würde, auch der andere mehr Entspannung haben würde. Zunächst spielten wir ganz normal, ganz ruhig, ohne Auffälligkeiten.
Doch mit der Zeit konnte man sehen, wie Maddy immer mehr abbaute.
„Hatschi!", dröhnte plötzlich hinter meinem Rucken und ich stand stramm.
„'tschuldigung, Pollenzeit...", löste mich eine sanfte Mädchenstimme aus meiner Starre. Immer, wenn ich so gedankenverloren erzähle, vergesse ich meist meine tatsächliche Umwelt.
Gesundheit.
„Danke."
Wie auch immer, Maddy hinderte mich nicht mehr daran, den Ball zu bekommen. Sie lief nicht mehr und ihre Haltung wurde schlaff.
Plötzlich fiel sie zu Boden, war sofort bewusstlos und regte sich nicht mehr.
Kurzerhand beendete unsere Lehrerin die Sportstunde und rief einen Krankenwagen. Da ich ihre beste Freundin war und unsere Lehrerin das wusste, durfte ich bleiben.
Erst, als der Notarzt ihr etwas spritzte wachte Maddy wieder auf. Dann fuhr der Wagen mit ihr davon und ich ging niedergeschlagen alleine nach Hause.
Am selben Tag rief sie mich an, sagte, ich solle mit meinen Eltern zu ihr ins Krankenhaus kommen, ehe sie verlegt werde.
Sie klang schwach und sehr traurig.
Es brach mir mein Herz und die bösen Vorahnungen, die mich seit Monaten rund um ihre Gesundheit plagten, wurden noch schlimmer.
Erneut hielt ich inne und wischte verzweifelt die Tafel, obwohl noch Platz für mindestens einen weiteren Absatz gewesen wäre. Der nächste Teil war einer der Schlimmsten, dabei war es von denen doch nur der Erste.
Hastig erzählte ich meinen Eltern von dem Anruf und da sie Maddy fast wie ein eigenes Kind behandelten, brachen wir schnell zum Krankenhaus auf.
Als wir das Krankenhaus betraten lies mir einen Schauer über den Rücken, da ich den Geruch nach Desinfektionsmittel und den Kranken nicht gut abkonnte. Auch in Altenheimen tat ich mich stets schwer, weil sie mich an meine verstorbenen Großeltern erinnerten.
An der Rezeption sagte man uns ihre Zimmernummer und wir fuhren mit dem Aufzug in eine der oberen Etagen. Ich war mehr, als nur nervös und wippte auf meinen Zehen so unruhig, dass meine Mutter mich in den Arm nehmen musste, damit ich wieder still stand.
Den Gang zu ihrem Zimmer eilte ich hinunter wie in einem Escape room, wo man auf Zeit spielte.
Sobald ich ihre Tür erreichte blieb ich wie angewurzelt stehen.
Langsam, ungläubig hier wirklich zu stehen, hob ich meine Hand und klopfte zaghaft an.
"Herein!", ertönte von drinnen.
Es war die Stimme von Maddys Mutter.
Natürlich gehorchte ich und nur wenige Sekunden später tauchten auch meine Eltern neben mir im Türrahmen auf.
Maddy lag in einem Krankenhausbett umgeben von Kissen und Decken. Ich erinnere mich an ihr Gesicht, dem man ansah, wie viel sie geweint hatte.
Auch, wenn ich noch nicht wusste, was los war konnte ich doch an ihr und ihrer Mutter erkennen, dass es keine gute Nachricht sein würde.
So trat ich näher heran und hielt ihre Hand, während sie mich flehend ansah.
Die Blicke ihre Augen ließen mich erschaudern.
Wo sonst all die Lebensfreude war konnte man jetzt nur Leere erkennen. Genau erinnere ich mich an das Gespräch.
"Sagst du mir, was ist los?", hatte ich sie gefragt.
"Du hattest Recht!", hatte sie erwidert.
"All die Monate hattest du Recht! Warum habe ich nur nicht auf dich gehört?!"
Darauf weinte sie bitterlich und wurde von ihrer Mutter getröstet. Wir alle standen um ihr Bett herum, betrachteten sie mitleidig und gespannt an ihren Worten hängend. Dann sah sie mir tief in die Augen und sprach, als wären nur wir beide allein in dem Zimmer.
"Sue, ich habe Krebs im Endstadium. Ein großer Tumor ist in meinem Kopf, inoperabel. Ich werde streben."
„Oh mein Gott!"
„Nein!"
„Wie geht das, Maddy ist doch noch voll jung?"
„Hey!", beendete Paulsen die Stimmen.
Das war nicht der Moment zum Dazwischenquaseln.
Unbeirrt schrieb ich durch alle Stimmen weiter, stets am kämpfen, um nicht meine Fassung zu verlieren. Immerhin konnten sie mein Gesicht nicht sehen, was mich beruhigte. Trotzdem hatte ich Angst. Es war nicht die Art von Angst, die durch Furcht dominiert wurde, sondern eine von Respekt geprägte Angst vor der Gegenwart und unmittelbaren Zukunft.
Der Kloß im Hals wurde immer größer und meine Schrieft immer krakeliger.
Ich weiß noch, wie ich über ihr auf dem Bett zusammen sackte und michin einem Tränenmeer auflösen wollte.
Für mich gab es keine Zukunft, in der sie nicht existierte, kann Leben nur Einsamkeit und Leere ohne sie.
Angewidert schüttelte ich den Kopf.
Es konnte nicht wahr sein. Es durfte nicht wahr sein!
Mit meinem Weinen steckte ich alle Umstehenden, inklusive Maddy, an.
Es war das Trauerspiel schlechthin.
Mein unruhiges Atmen ließ mich immer wieder angestrengt nach Luft schnappen und meine Sicht verschwamm aufgrund der Tränen.
Maddy zog mich in eine feste Umarmung und vor Schock bibbernd klebten wir aneinander wie zwei kleine Kinder, die sich vor Verzweiflung nicht zuhelfen wussten.
Vielleicht war es ja auch wirklich so.
Wir, unreif, hilflos und kindlich, versuchten das Unbekannte zu begreifen, dass niemand begreifen wollte.
Diese Nacht war die erste meines Lebens, inder ich mich in den Schlaf weinte und noch so viele würden folgen...
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