Geschichten über fremde Menschen
Ich glaube, dass Schlimmste am Älter werden, ist es zu vergessen, wie wir früher waren. Wir wissen nicht mehr, wie wir als kleines Kind geredet haben, was wir für Launen hatten und wie sich unsere Angst vor bestimmten Dingen anfühlte.
Wir wissen nicht mehr wie es war, als wir ein Teenager waren, wie verrückt wir während unserer ersten großen Liebe waren, wie egal uns die Welt war und wir haben auch vergessen was es heißt, Angst vor Morgen zu haben, Angst zu haben vor dem was kommt, denn wir wussten nicht wie es weiter gehen sollte, wir wussten nicht, was aus uns werden soll, wo unser Platz in der Welt ist.
Schon damals als Teenager wussten wir nicht mehr, wie reizend wir als Grundschulkinder waren.
Ich glaube, die Sache ist die; nur Außenstehende können uns berichten, wie wir waren, wer wir waren. Und auch nur aus ihrer Sichtweise. Nur die Guten - nie die ganz Schlimmen Dinge - erzählen.
Und ich glaube auch, dass uns niemand so gut kennen und verstehen, ja begreifen wird, wie wir selbst uns kennen, verstehen und begreifen. Und keiner vergisst uns so schnell, wie wir uns selbst vergessen und plötzlich über einen fremden Menschen aus längst vergangenen Tagen berichten. Und plötzlich von der kleinen Marie und dem kleinen Benny hören, wie sie spielten, wie sie lachten, was sie gut konnten und wie herzlich sie zu Fremden waren.
Wir hören Geschichten über fremde Menschen, die wir selbst einmal waren.
Wir haben sie nur vergessen. Aus unserem Bewusst sein gelöscht. Er gibt keine kleine Marie mehr und auch keinen kleinen Benny. Marie schminkt sich jeden morgen und einen Orangensaft trinkt sie auch nicht mehr - zu viel Fruchtzucker. Ben geht dreimal die Woche ins Fitnessstudio und arbeitet an seinem Six-Pack, nur um abends auf der Couch zu liegen und eine Tüte Chips in sich reinzufressen.
In der Vergangenheit gibt es nur noch zwei schleierhaft zu erkennende Kinder, die lachen und herumtollen. Bald wird man sie gar nicht mehr sehen können, denn ihre eigenen älteren Ichs haben sie vergessen. Und bald ist niemand mehr da, der bei Familientreffen über die beiden erzählen könnte. Bald werden keine Geschichten mehr über sie erzählt, weil keiner mehr da ist, der sie erzählen könnte und auch keiner mehr da ist, der diesen Geschichten lauschen würde.
Sie werden sicherlich noch eine Weile spielen. Bis sie müde werden. So wie Marie und Ben es heute sind. Denn im Gegensatz zur kleinen Marie und Benny, haben sie vergessen was es heißt zu Leben, nicht nur zu existieren.
Man möchte sich wünschen, dass sie sich eines Tages wieder daran erinnern, aber dann wird es schon zu spät sein. Denn sie haben vergessen, wie die Wolken schmeckten. Im Sommer, wenn man auf dem Rücken im hohen, duftenden Gras lagt und in den Himmel starrte.
Sie haben vergessen, wie die Wolken schmecken.
xxx
Einen Text, den ich irgendwann ein Mal abends geschrieben habe, weil ich mich irgendwie so inspiriert gefühlt habe... Hoffe er gefällt euch <3
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