KAPITEL 13
ALS DIE GROßE VERSAMMLUNG endete und die Krieger der vier Clans sich voneinander trennten, lag eine bedrohliche Stille über dem Wald. Wüstensturm führte ihre Patrouille in einem schnellen, aber geordneten Tempo zurück ins DonnerClan-Territorium. Das Gespräch mit Windstern lastete schwer auf ihr, und ihre Gedanken rasten, als sie versuchte, einen klaren Plan zu entwickeln. Windstern hatte deutlich gemacht, dass der WindClan nur auf eine Gelegenheit wartete, um den DonnerClan anzugreifen. Wüstensturm wusste, dass sie handeln musste – und zwar schnell.
„Du warst stark dort oben“, murmelte Jaguarkralle neben ihr, seine Stimme gedämpft, um das Schweigen der Nacht nicht zu stören. „Windstern wird nicht vergessen, wie du ihm die Stirn geboten hast.“
„Ich hoffe, das reicht“, entgegnete Wüstensturm knapp. „Er weiß, dass wir geschwächt sind, und das macht ihn gefährlich. Er wird uns angreifen, wenn er glaubt, dass er eine Schwäche finden kann.“
Fleckenfell, die am Ende der Patrouille ging, nickte zustimmend. „Wir müssen vorbereitet sein. Unsere Grenzen dürfen nicht unbewacht bleiben. Nicht für einen Moment.“
Wüstensturm seufzte. Sie wusste, dass Fleckenfell Recht hatte, aber die Realität sah anders aus. Sie hatten nicht genug gesunde Krieger, um ihr Territorium zu sichern, und die meisten Katzen im Lager waren entweder zu jung, zu alt oder zu krank, um kämpfen zu können. Die Last dieser Erkenntnis lag schwer auf ihren Schultern, und sie fühlte sich für einen Moment überwältigt von der Verantwortung.
Als die Patrouille das DonnerClan-Lager erreichte, herrschte dort eine bedrückende Stille. Nur das leise Husten einiger Katzen aus dem Heilerbau durchbrach die Dunkelheit. Wüstensturm war erschöpft, doch sie wusste, dass sie sich keine Ruhe gönnen konnte. Sie musste sofort zu Rattenstern, um mit ihm über die Situation zu sprechen.
„Ich werde nach Rattenstern sehen“, sagte sie zu den anderen. „Fleckenfell, stell sicher, dass die Patrouillen für den Morgen organisiert sind. Wir müssen unsere Grenzen verstärken.“
„Verstanden“, antwortete Fleckenfell und begann sofort, die notwendigen Anweisungen zu geben.
Wüstensturm eilte in den Anführerbau, wo Regentau bereits über Rattenstern wachte. Die kleine Heilerin sah müde und erschöpft aus, ihre Augen dunkel vor Sorge. Als Wüstensturm eintrat, nickte Regentau ihr zu, trat aber nicht zur Seite.
„Wie geht es ihm?“, fragte Wüstensturm leise und sah zu dem großen braunen Kater, der regungslos in seinem Nest lag. Sein Atem war flach, und sein Körper schien schwer von der Krankheit gezeichnet.
„Es ist schlecht“, antwortete Regentau mit trauriger Stimme. „Er hat nicht reagiert, seit du fortgegangen bist. Sein Fieber ist gestiegen, und ich kann es nicht senken. Ich… ich weiß nicht, was ich noch tun soll.“
Wüstensturm kniete sich neben Rattenstern und berührte ihn sanft mit ihrer Nase. Sein Fell war heiß, viel zu heiß, und sein Atem kam in schnellen, flachen Zügen. Sie konnte nicht anders, als das Gefühl zu haben, dass die Zeit für ihren Anführer ablief. In einem kritischen Moment, wo der DonnerClan Führung und Stärke am dringendsten benötigte, war Rattenstern nicht in der Lage, diese zu bieten.
„Er ist nicht ansprechbar“, flüsterte Wüstensturm und schloss kurz die Augen. „Was passiert, wenn er stirbt? Was, wenn er…“
„Ich weiß es nicht“, antwortete Regentau und legte ihre Pfote beruhigend auf Wüstensturms Schulter. „Aber du musst stark bleiben. Der Clan braucht dich jetzt mehr als je zuvor. Du bist unsere zweite Anführerin.“
Wüstensturm schluckte schwer. Sie hatte den Posten der zweiten Anführerin angenommen, weil sie wusste, dass sie in der Lage war, ihren Clan zu unterstützen. Doch die Vorstellung, dass sie den Clan vielleicht alleine führen musste, während Windstern auf einen Angriff lauerte, war entmutigend.
„Es gibt keine Zeit zu verlieren“, sagte sie schließlich entschlossen und richtete sich auf. „Wenn Rattenstern nicht in der Lage ist, den Clan zu führen, dann werde ich es tun. Ich kann nicht zulassen, dass der WindClan uns überrascht.“
Regentau nickte langsam. „Ich werde tun, was ich kann, um Rattenstern zu helfen, aber du musst dich darauf vorbereiten, dass er vielleicht nicht aufwacht. Zumindest nicht in den nächsten Tagen.“
Wüstensturm trat zurück und atmete tief durch. „Danke, Regentau. Halte mich auf dem Laufenden, wenn sich sein Zustand ändert.“
Sie verließ den Anführerbau und trat wieder hinaus in die Nacht. Die Verantwortung lastete schwer auf ihren Schultern, doch sie wusste, dass sie jetzt handeln musste. Ihr Clan durfte nicht sehen, wie sehr sie innerlich kämpfte. Sie mussten sie als starke und entschlossene Anführerin sehen – egal, wie sehr die Unsicherheit in ihr tobte.
Fleckenfell wartete bereits auf sie, als sie den Anführerbau verließ. „Die Patrouillen sind organisiert“, berichtete die Kriegerin. „Aber Wüstensturm… wir müssen über die Große Versammlung sprechen.“
Wüstensturm nickte langsam. „Ich weiß. Windstern wird uns angreifen, sobald er eine Schwäche sieht. Und wir haben nur wenige gesunde Krieger.“
Fleckenfell sah besorgt aus. „Was werden wir tun?“
Wüstensturm hielt inne und dachte nach. Sie musste einen Weg finden, um den DonnerClan zu schützen, aber sie brauchten Hilfe. Der SchattenClan schien distanziert, und Windstern war eine Bedrohung. Das ließ nur noch eine Möglichkeit.
„Ich werde morgen zum FlussClan gehen“, sagte Wüstensturm schließlich. „Wir brauchen ihre Unterstützung. Ein Bündnis mit dem FlussClan könnte uns die Zeit verschaffen, die wir brauchen, um wieder auf die Beine zu kommen.“
Fleckenfell blinzelte überrascht. „Glaubst du, dass Forellenstern uns helfen wird?“
„Ich weiß es nicht“, gab Wüstensturm zu. „Aber wir haben keine andere Wahl. Der FlussClan ist stark, und wenn sie uns unterstützen, können wir unsere Grenzen verteidigen, während unsere Kranken genesen.“
Fleckenfell nickte langsam. „Das könnte funktionieren. Aber Forellenstern wird einen Preis verlangen.“
„Das weiß ich“, sagte Wüstensturm und straffte die Schultern. „Aber wir müssen es versuchen. Ich werde alles tun, um den DonnerClan zu retten.“
In der folgenden Nacht lag Wüstensturm wach in ihrem Nest und dachte über die bevorstehenden Herausforderungen nach. Die Verantwortung, den Clan zu schützen, lag nun vollständig auf ihr. Rattenstern war unansprechbar, und es würde Tage oder vielleicht sogar Wochen dauern, bis er sich erholte – wenn er überhaupt überlebte. Doch die Bedrohung durch den WindClan war real und greifbar.
Am nächsten Morgen, noch bevor der erste Lichtstrahl den Horizont erreichte, machte sich Wüstensturm bereit für ihren Weg zum FlussClan. Sie wusste, dass dies ein riskanter Schritt war, aber sie hatte keine andere Wahl.
Der erste Lichtstrahl war noch nicht über die Bäume gekrochen, als Wüstensturm lautlos aus dem Lager schlich. Der Morgennebel hing schwer in der Luft und schien die Welt in eine graue, gespenstische Stille zu tauchen. Die anderen Krieger des DonnerClans schliefen noch, ihre erschöpften Körper tief im Schlaf versunken. Wüstensturm hatte bewusst diesen Moment gewählt, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Niemand durfte erfahren, wohin sie ging – zumindest nicht, bevor sie wusste, ob ihr Vorhaben erfolgreich sein würde.
Sie spähte kurz über die Schulter, um sicherzustellen, dass niemand sie beobachtete, bevor sie ihre Pfoten sanft und bedacht auf die feuchte Erde setzte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich leicht, als sie das Lager verließ, aber sie beruhigte sich schnell. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren. Die Verantwortung, den Clan zu schützen, lastete schwer auf ihren Schultern, doch sie wusste, dass sie diesen Schritt alleine gehen musste.
Die kühle Luft wehte durch ihr Fell, während sie in die dichten Wälder außerhalb des Lagers eintauchte. Die vertrauten Pfade des DonnerClan-Territoriums führten sie tiefer in den Wald hinein, und bald erreichte sie die Grenze zu den FlussClan-Ländereien. Die Grenze war eine natürliche, eine breite Schneise, die vom Fluss gebildet wurde, der die beiden Territorien trennte. Der Fluss rauschte leise vor sich hin, während er unaufhaltsam durch die Landschaft schnitt, als wäre er ein stiller Beobachter der endlosen Konflikte zwischen den Clans.
Wüstensturm blieb für einen Moment stehen und lauschte auf die Geräusche um sie herum. Es war noch zu früh für die FlussClan-Patrouillen, und das Rauschen des Flusses dämpfte jegliche Laute. Die Kühle des Morgens drang tief in ihre Knochen, und sie zog unwillkürlich die Schultern zusammen, als ein leichter Wind aufkam. Ihre Gedanken schweiften zu den Kriegern des DonnerClans zurück, die immer noch geschwächt im Lager lagen. Mausepelz, Seidenpfote, Rattenstern… der Clan war verwundbar, und sie musste jede Möglichkeit nutzen, um sie zu schützen.
Ihr Plan war einfach: Ein Bündnis mit dem FlussClan könnte ihnen die Zeit verschaffen, die sie brauchten. Doch ein Bündnis bedeutete immer Zugeständnisse, und Forellenstern war nicht dafür bekannt, leichtsinnig Hilfe anzubieten. Wüstensturm wusste, dass sie gut vorbereitet sein musste, denn der FlussClan würde nichts ohne Gegenleistung tun.
Als sie sich dem Fluss näherte, suchte sie einen geeigneten Platz, um die Grenze zu überqueren. Die Strömung war hier besonders stark, und Wüstensturm war nicht gerade eine erfahrene Schwimmerin. Aber es gab keine andere Wahl. Sie atmete tief ein und trat vorsichtig ans Ufer. Die Steine waren glatt und kalt unter ihren Pfoten, und der Fluss gluckerte leise, als wäre er sich der bevorstehenden Aufgabe bewusst.
Mit einem letzten prüfenden Blick um sich herum trat sie in das kalte Wasser. Die Kälte schnitt wie tausend kleine Nadeln durch ihr Fell, und sie biss die Zähne zusammen, um das Zittern zu unterdrücken. Wüstensturm war entschlossen, ihre Unsicherheit zu verbergen. Wenn Forellenstern auch nur den Hauch von Zweifel in ihr sah, könnte das ihre Verhandlungsposition schwächen.
Das Wasser zog an ihrem Fell, als sie vorsichtig hindurchwaten wollte. Doch die Strömung erwies sich als stärker, als sie gedacht hatte, und ihre Pfoten glitten auf den glatten Steinen darunter aus. Sie strauchelte und kämpfte, um das Gleichgewicht zu halten, doch der Fluss riss sie mit sich. Für einen Moment wurde Wüstensturm von der Strömung erfasst, und kaltes Wasser schlug ihr ins Gesicht, als sie versuchte, die Kontrolle zurückzugewinnen.
Panik stieg in ihr auf, als das Wasser ihren Körper mit sich zog. Sie ruderte verzweifelt mit den Pfoten, doch es schien keinen Halt zu geben. Ihre Lungen brannten, als das Wasser ihr in die Kehle drang. In diesem Moment, als die Kälte sie zu überwältigen drohte, schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: „Wenn ich jetzt sterbe, wer wird den Clan führen?“
Doch sie durfte nicht aufgeben. Mit aller Kraft kämpfte sie sich gegen die Strömung an und schaffte es schließlich, einen halb versunkenen Baumstamm zu greifen, der aus dem Wasser ragte. Keuchend und erschöpft zog sie sich daran hoch, während das Wasser unter ihr weiterhin in wütenden Strudeln vorbeiraste.
Wüstensturm lag für einen Moment auf dem Baumstamm und atmete schwer. Sie war nass bis auf die Haut und zitterte am ganzen Körper, aber sie lebte. Vorsichtig schob sie sich wieder ans Ufer und zog sich keuchend auf festen Boden. Ihre Muskeln brannten, und ihre Pfoten fühlten sich schwer an, aber sie hatte es geschafft. Sie war auf der anderen Seite.
Nachdem sie einige Momente gebraucht hatte, um ihre Atmung zu beruhigen, rappelte Wüstensturm sich auf und blickte sich um. Sie befand sich jetzt auf FlussClan-Territorium, und die vertrauten Gerüche des fremden Clans stiegen ihr in die Nase. Jetzt durfte sie keine Zeit mehr verlieren.
Leise und vorsichtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, setzte sie ihren Weg fort, immer darauf bedacht, nicht von einer Patrouille entdeckt zu werden. Es war riskant, so tief in feindliches Territorium einzudringen, aber sie wusste, dass sie Forellenstern persönlich sprechen musste. Wüstensturm hatte keinen Zweifel, dass der FlussClan-Anführer ein guter Anführer war, aber er würde auch eine geschickte Verhandlungsführerin erwarten.
Ihre Pfoten hinterließen Spuren auf dem feuchten Boden, als sie tiefer in das Territorium eindrang. Das Rauschen des Flusses wurde leiser, und die Geräusche des Waldes nahmen zu. In der Ferne hörte sie das Rascheln von Beutetieren im Gebüsch, doch Wüstensturm ignorierte alles. Ihre Gedanken kreisten nur um das bevorstehende Gespräch und darum, wie sie den FlussClan von einem Bündnis überzeugen konnte.
Als die ersten Sonnenstrahlen den Wald erhellten, wusste sie, dass sie das FlussClan-Lager bald erreichen würde. Sie musste sich beeilen – es durfte nicht so aussehen, als würde sie sich einschleichen. Gerade als sie einen offenen Pfad betrat, erkannte sie, dass sie nicht mehr alleine war.
Eine FlussClan-Patrouille stand plötzlich vor ihr.
Wüstensturms Herz raste, als sie die Krieger erkannte. An ihrer Spitze stand ein junger Kater, dessen scharfe bernsteinfarbene Augen sie durchbohrten. Seine Muskeln spannten sich an, und er trat einen Schritt auf sie zu, während die anderen Krieger in Angriffsposition gingen.
„Was machst du hier, DonnerClan-Kriegerin?“ Der junge Kater fixierte sie, und seine Stimme war eine Mischung aus Neugier und Misstrauen. „Du weißt, dass dies FlussClan-Territorium ist.“
Wüstensturm hob ihren Kopf und zwang sich zur Ruhe. „Ich bin hier, um mit Forellenstern zu sprechen. Es gibt wichtige Angelegenheiten zu besprechen, die den Schutz aller Clans betreffen.“
Der Kater zögerte, und für einen Moment dachte Wüstensturm, er würde sie angreifen. Doch dann nickte er kurz. „Komm mit. Aber bleib dicht bei uns, und versuch keine Dummheiten.“
Wüstensturm folgte der Patrouille, während sie sich dem FlussClan-Lager näherten. Ihr Herz klopfte laut in ihrer Brust, aber sie hielt ihren Kopf hoch. Der schwierigste Teil ihrer Reise stand noch bevor.
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