Kapitel 42
Es war dunkel, und eiskalt als Eisflut anfing, ihren Körper wieder zu fühlen. Alles an ihr schien wie erfroren, ihre Glieder waren taub und sie bekam die Augen nicht auf. An einigen Stellen brannte ihre Haut wie Feuer, doch in ihrem inneren war es kalt. So kalt wie ein Fluss in der Blattleere. Vage hörte sie ihren eigenen Herzschlag, wie das Blut rauschte und versuchte, die Kälte zu verscheuchen. Als würde sie durch eine dicke Schneedecke horchen, drangen plötzlich dumpfe Stimmen an ihre Ohren.
"Sie wird wärmer!", kreischte eine panische Stimme, die Eisflut nicht zuordnen konnte.
Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit füllten sich die Lungen der weißen Kätzin, es tat fast weh, so stechend kalt fühlte sich die Luft an.
"Apfelkralle!" Eine zweite Stimme. Wessen Stimme war das? Sie kam Eisflut so bekannt vor. Erst als die Stimme ein zweites Mal rief, erkannte sie, das es Schneeblick war. Sie atmete nochmal tief ein, nahm den Geruch ihrer Schwester wahr. Er beruhigte sie und langsam aber sicher klärte sich das Geräuschchaos um sie herum. Sie hörte Fuchsfang und Schneeblick, aber auch Sturmsterns tiefe Stimme und Feuerrose wie sie unverständlich etwas erzählte.
Benommen versuchte sie, ihre Augen zu öffnet, doch die Lider schienen wie zusammengeklebt. Jemand packte sie im Nacken, der UNtergrund änderte sich und glatter Stein striff ihre Flanken entlang. Der Duft von Lavendel stach plötzlich scharf in ihre Nase und ließ sie zusammenzucken.
Langsam öffnete sich ein kleiner Lichtspalt, bis Eisflut sich zusammenriss und die Augen aufmachte. Verschwommene rote und weiße Silhouetten tanzten vor ihr herum und machte sie leicht schwindelig, doch eines konnte sie erkennen. Ein einzelnes hellgrünes Auge. Apfelkralle!
Gleich darauf hörte sie auch seine Stimme, die beruhigend auf sie einredete.
"Hab keine Angst, Eisflut. Du bist in Sicherheit."
Dann sprach er von den Kräutern die er ihr auf die Kratzer schmierte und Eisflut dämmerte wieder zurück in die Finsternis.
Erst am Abend kam sie wieder zu sich, in himmlischer Ruhe des eher abgelegenen Heilerbaus. Apfelkralle hatte offenbar die ganze Zeit geduldig auf ihr Erwachen gewartet, er sah aus wie Lavatropfen nach ihrer Kriegerzeremonie-Nachtwache.
"Eisflut. Du bist wach. Wie fühlst du dich?"
"Grauenhaft", krächzte die weiße Kätzin wahrheitsgemäß.
"Dir wird es bald besser gehen. Du hast ein paar Kratzer und bist erkältet, aber das wird schnell vergehen", meinte der rote Kater mit Zuversichtlichkeit in der Stimme.
"Wenn du das sagst." Ein leises Husten kratzte in ihrer Kehle, woraufhin der Heiler ihr ein kleines Häufchen Hufflatich hinschob.
"Das lindert den Husten. Kau die Blätter, schluck den Saft runter und spuck den Rest einfach aus", wies er sie an und überwachte die Einnahme der Blätter.
Die Kräuter schmeckten bitter, aber die Kriegerin zwang sich, den Saft hinunterzuwürgen.
"Gut so. Und Eisflut? Es gibt noch etwas, dass ich dir sagen muss."
Auf einmal wirkte der Kater sehr aufgeregt, er hatte das breiteste Lächeln auf den Lippen, das Eisflut je bei ihm gesehen hatte.
"Was denn?", fragte Eisflut misstrauisch. "Du verhältst dich etwas seltsam."
"Keine Sorge. Es ist eine gute Nachricht. Du bist trächtig!"
"Trächtig?!", rutschte es Eisflut erschrocken heraus und sie starrte den roten Kater entgeistert an.
Auf einmal passte alles zusammen. Ihre Abgeschlagenheit und dass sie sich so dick fühlte, ihre Übelkeit und ihr ausgeprägter Appetit in letzter Zeit.
"Ich...ich...", sie wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, sie war überrumpelt und verwirrt. Wie sollte sie denn wissen wer der Vater war, wenn sie sich mit Waschbärpelz und Fuchsfang eingelassen hatte?
"Freust du dich denn gar nicht?", fragte der Heiler mit leichter Besorgnis in den Augen.
"Doch! Doch, natürlich. Es ist nur...ich hab so viele Fragen..."
"Dann stelle sie. Vielleicht kann ich dir helfen."
"Weißt du wie viele es werden?", begann Eisflut mit einer belanglosen Frage, um kein Misstrauen zu erregen.
"Nein", sagte Apfelkralle mit einem Schmunzeln. "Ich kann ja nicht in dich hineinsehen."
"Ja, da hast du wohl Recht. Und wie lange dauert so eine Schwangerschaft?"
"Etwas zwei Monde, es kommt aber immer auf die Entwicklung der Jungen an."
Klingt logisch. Zwei Monde...
"Und wie lange dauert es bei mir noch?"
"Ungefähr einen Mond noch, du bist schon recht weit, aber dein Fell hat deinen Bauch gut kaschiert."
Eisflut lächelte leicht. "Ich dachte schon, ich würde zu viel essen."
"Königinnen dürfen das. Sie essen ja nicht nur für sich selbst."
Eisflut stellte noch ein paar weitere Fragen, doch sie war sich nun sicher wer der Vater war. Aber diese Erkenntnis schmerzte sie auch. Das würde Fuchsfang das Herz brechen. Vielleicht würde er sie sogar hassen, oder nie mehr mit ihr reden! Die weiße Kätzin schluckte gequält. Was hatte sie nur getan? Gelogen, betrogen, verletzt. Und jetzt musste sie ihrem Besten Freund beibringen, dass sie keine Gefährten waren und er nicht der Vater ihrer Jungen war.
Junge. Sie realisierte es erst jetzt richtig. Sie trug Junge in sich. Beinahe schon fasziniert blickte sie auf ihren Bauch.
Dort wachsen Junge heran. Wie ein Wunder.
Kurz verdrängte sie den Gedanken an Fuchsfang.
Ob sie weiß sind, so wie ich? Oder gestreift, wie Waschbärpelz? Ein bisschen was von beidem wäre schön. Wie viele es wohl sind? Kater oder Kätzin? Wird es sehr wehtun?
All diese Fragen rasten durch Eisfluts Kopf und fanden keine Antwort. Sie wunderte sich, dass die ganzen Königinnen es aushielten, so lange zu warten, bis die Jungen geboren waren, um ihre Neugier zufriedenzustellen. Ob sie sich die Namen vorher überlegten? Oder warteten sie, bis sie die Jungen sahen?
Doch kaum hatte sie die Gedanken um die Jungen zu Ende geführt, kamen die Sorgen um Fuchsfang zurück. Er war doch so verletzlich, mit etwas Pech redete er nie wieder mit ihr oder mit irgenjemandem, wurde depressiv und zu einem kompletten Einzelgänger. Das konnte sie ihrem besten Freund doch nicht antun! Aber ihre Liebe galt nun einmal Waschbärpelz. Kein Weg führte daran vorbei.
Ich muss es tun. Es wäre unfair gegenüber Fuchsfang, ihn anzulügen. Ach SternenClan...wieso hast du mich nicht gewarnt?
Eisflut jammerte innerlich herum, bis ihr klar wurde, dass ihr das nicht wirklich half.
Stell dich nicht so an. Der SternenClan kann dir nicht alle Steine aus dem Weg räumen. So läuft das Leben eben nicht, dachte sie seufzend.
Traurig legte sie den Kopf auf die Pfoten, erschöpft und verwirrt. Der Rand ihres Blickfeldes wurde immer dunkler, als der Schlaf sie zu sich holte.
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