Kapitel 41
Fuchsfang erwachte mit einem riesigen Gähnen. Schmatzend richtete er sich auf, er war noch etwas erschöpft von der gestrigen Versammlung. Nachdem er noch Kieselpfote und Steinpfote getroffen hatte, war die Versammlung trotz Mottenfleck fröhlich und voller Geschichten gewesen. Der Kater vermisste die beiden grauen Jungen. Besonders Steinpfote hatte er kaum wiedererkannt, so sehr war der Kleine gewachsen und auch deutlich an Muskeln zugelegt. Grinsend hatte Fuchsfang ihm versichert, dass er mit diesem Körper sicher gut bei den Kätzinnen ankommen würde, was lustig war, denn eigentlich hatte Fuchsfang selbst keine Ahnung von Kätzinnen. Er wusste nur, dass er Eisflut liebte, mehr brauchte er nicht zu wissen.
Wo er so an Eisflut dachte, blickte er hinüber zu ihrem Nest...und stutzte. Es war leer. Ihr Geruch beinahe verflogen. Sofort erhob sich Sorge in ihm, flatternd wie tausende kleine Schmetterlinge. Als er seine Gefährtin auch auf der Lagerlichtung nicht entdecken konnte wuchs die Sorge zu Angst heran. Was konnte die weiße Kätzin so früh aus dem Bau treiben? Sicherheitshalber sah er noch einmal im Kriegerbau nach, falls sie bei ihren Geschwistern lag, doch sie war wie vom Erdboden verschluckt. Mit zuckender Nase hielt Fuchsfang nach ihrem Geruch Ausschau und bemerkte plötzlich...einen säuerlichen Duft in der Luft.
Das riecht nach Krankheit, stellte er fest und beschnupperte die umliegenden Krieger, doch von keinem ging dieser Krankheitsgeruch aus. Das ist nicht gut!
Schon war er aus dem Bau und weckte Sturmstern, dessen gelbe Augen ihm müde entgegenstarrten, als wäre es noch mitten in der Nacht.
"Was kann ich für dich tun, Fuchsfang? Es ist ja noch sehr früh", ein eindeutiger Hinweis, dass Sturmstern gerne länger geschlafen hätte.
"Eisflut ist verschwunden! Und im Kriegerbau riecht es nach Krankheit", miaute der orangerote Kater leicht zittrig und trat von einer Pfote auf die andere. Reagierte er über? Vielleicht ging es Eisflut doch gut und er machte sich nur vor, sie beschützen zu müssen?
"Krankheit? In der Blattfrische?", fragte der schneeweiße Kater etwas verwirrt. "Das muss ich mir ansehen." Damit erhob er sich aus seinem Moosnest, bestätigte aber Fuchsfangs Verdacht.
"Ich stelle eine Patrouille zusammen, die nach Eisflut sucht. Du kannst sie gleich anführen, Fuchsfang und am besten nimmst du Feuerrose und Tannenwunsch mit, die sind gute Spurenleserinnen. Ich sage Apfelkralle Bescheid, dass er sich vorbereiten soll."
Etwas Erleichterung keimte in dem Krieger auf. Mit Feuerrose würden sie Eisflut sicher schnell finden, die rote Kätzin konnte einen Mausgeruch in einem Lavendelfeld erkennen.
So wie er es sich selbst prophezeit hatte, war Eisfluts Spur schnell gefunden. Selbst im windgepeitschten Gras verfolgte Feuerrose zielstrebig den unsichtbaren Pfad, den Eisflut auf ihrem Weg hinterlassen hatte. Er führte zum Wald. Seltsam war nur, dass die weiße Kätzin offenbar in Schlangenlinien gelaufen war. Ob es ihr auch wirklich gut ging?
Unruhig schnippte Fuchsfang mit den Ohren herum, als wollte er eine nervige Fliege verscheuchen, als ihm plötzlich ein scharfer Geruch in die Nase stieß. Blut!
Nein! Sofort war Fuchsfang vorgestürmt und ließ Tannenwunsch und Feuerrose zurück, die ihm aber gleich folgten, als auch sie den Blutgeruch aufnahmen. Die Spur führte zu einem Dornbusch, von dessen Dornen glänzende, rote Tropfen fielen. Der Boden war matschig und dunkel. Und mitten auf der feuchten Lichtung lag ein kleines, zusammengesunkenes Fellbündel.
"Eisflut!", schrie der orangefarbene Kater in Panik und setzte über den lädierten Busch hinweg. Schlitternd kam er zum Stehen, seine Pfoten versanken im Schlamm. Die Nase in ihr weißes Fell gedrückt, legte er seine Pfote über die geliebte Kätzin, Tränen standen in seinen Augen.
"Sie ist eiskalt", flüsterte er mit gebrochener Stimme. Eisfluts Wärme war verschwunden, ihre Flanken bewegten sich nicht. Aus einigen Kratzern in ihrer Haut sickerte das Blut, ihre Augen waren geschlossen, das Fell durchnässt. Quälend langsam bekam Fuchsfangs Herz einen Riss. Selbst ihr Geruch war fort. Er fühlte keinen Herzschlag, keinen Puls, keinen Atem. Sie war fort. Ein Schluchzen wütete wie ein Sturm in seiner Kehle, seine Tränen gesellten sich zu dem Wasser auf Eisfluts kaltem Körper. Es war still. Als stoppte der SternenClan die Geräusche, damit er in Ruhe eine Seele holen konnte.
Plötzlich hörte er hinter sich einen Schrei und wirbelte kampfbereit herum. Was auch immer seine Gefährtin umgebracht hatte, würde bezahlen! Die Krallen bis zum Anschlag ausgefahren fauchte er, doch das darauf folgende Knurren blieb ihm vor Überraschung im Hals stecken. Er war so fokussiert gewesen, dass er den riesigen Fuchs nicht realisiert hatte, der auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung im niedrigen Gras lag, die wirren Augen ins Nichts verdreht. Das rote Tier war übersäht von kleinen und größeren und kleineren Kratzern, seine Lefze war eingerissen und verkrustet. Schaum lief ihm zäh wie Schneckenschleim aus dem Maul. Doch er war tot.
Was hat dich getötet? Unmöglich war das Eisflut, dieser Fuchs ist riesig!
Voller Trauer wandte Fuchsfang sich herum, er wusste nicht was er tun sollte, sein Herz schmerzte in seiner Brust, als würden sich Splitter von innen hineinbohren, auf der Suche nach einem Weg diesen unendlichen Schmerz freizulassen. Fuchsfang schrie. Schrie und grub die Krallen in den weichen Boden. Er drehte die Ohren nach hinten und brüllte den Schmerz hinaus, dass ein Schwarm Stare aufgeschreckt die Flucht ergriff.
Er sah kaum noch was, die Tränen ließen seine Sicht verschwimmen, er brach zusammen. Seine Pfoten wollten ihn nicht mehr tragen, gaben nach, er prallte auf die kalte Erde. So kalt wie Eisfluts Körper.
Wieso SternenClan? Hast du dir vorgenommen mir alles zu nehmen was ich liebe? Meinen Clan, meine Mutter, meine Gefährtin? Was kommt als nächstes? Lavatropfen? Warum tust du das SternenClan? Seht ihr überhaupt zu? Gebt mir meine Eisflut zurück!
Der Schmerz war so groß, so unerträglich, einfach zu viel. Fuchsfang krümmte sich zusammen, zerfurchte den Boden. Er merkte nicht, wie Tannenwunsch neben ihn trat und ihn tröstend tätschelte. Nichts konnte ihm jetzt helfen, keine Berührung, keine Worte. Nur Eisflut konnte das. Doch Eisflut war fort. Kalt. Sie war gegangen. Geholt worden.
Wut brodelte in Fuchsfang hoch, wahlos grub er seine Krallen in die Rinde eines Baumes, riss sie herunter, befleckte seine Pfoten mit Harz. Irgendjemand musste dafür leiden. Selbst wenn es nur ein Baum war. Er wirbelte herum, begann orientierungslos auf der Lichtung umherzutaumeln. Er konnte nicht mehr. Seine Eisflut war fort.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro