Kapitel 32
Nahezu lautlos erhob sich Lavapfote aus ihrem Nest, darauf bedacht, die trockenen Farnwedel auf denen sie noch kurz zuvor geschlafen hatte, nicht zum Rascheln zu bringen. Das hellrote Fell glatt angelegt schlüpfte sie durch den Spalt der auf die mondbeschienene Lichtung des Lagers führte. Es war beinahe totenstill, wären die zirpenden Grillen nicht gewesen, die die kühle Nachtluft mit ihren kratzigen Rufen erfüllten.
Kurz sah sich die Schülerin um, aber die Lichtung war leer und still. Nah an die glatte Steinwand der Lagerbegrenzung gedrückt schlich Lavapfote zum Ausgang und quetschte sich hindurch. Normalerweise stand auf der anderen Seite eine Wache, nur dieses Mal nicht, aber das wusste Lavapfote bereits bevor sie das Lager verließ.
Ein heftiger, aber warmer Wind empfing sie auf der Wiese, in der Ferne erkannte sie die Silhouette der umgefallenen Zeder und das Gras wogte im Wind umher wie die Wellen eines Sees. Mit schnellen Schritten schlug die schlanke Kätzin den Weg in Richtung Wald ein. Den Wind im Rücken verfiel sie in einen schnellen Trab, als sie die Grenzmarkierung des BirkenClans roch. Die eisblauen Augen der Kätzin sausten wild umher bis sie gefunden hatte was sie suchte. Eine hohe Eiche. Die Krallen so weit ausgefahren wie möglich erklomm die rote Schülerin die belaubten Äste und sah sich um. Ihre Augen begannen glücklich zu funkeln, als sie den Schatten der Katze entdeckte, wegen der sie hergekommen war.
"Du bist gekommen", hauchte sie kaum hörbar und legte ein klein wenig die Ohren an.
"Natürlich. Ich wollte dich sehen. Ohne die neugierigen Augen."
Die Katze trat zwischen den hellgrünen Eichenblättern hervor. Je länger Lavapfote ihr Gegenüber betrachtete, desto schneller schlug ihr Herz.
Es war kurz nach Mondhoch als Fuchspfote aufwachte. Etwas Farn kitzelte ihn so sehr an der Nase, dass er niesen musste. Um die anderen nicht zu wecken unterdrückte er das Niesen indem er seine Schnauze in das nach Wald duftende Moos seines Nestes drückte. Doch dann viel ihm der dunkle Fleck auf der Lavapfotes Nest darstellte. Ihr Geruch war kaum noch da und überdeckt mir dem Duft nach Lavendel.
Seltsam, dachte sich der orangerote Kater und erhob sich. Verwirrt, dass seine Schwester verschwunden war, trat er nach draußen auf die Lichtung. Die Geruchspur der roten Kätzin führte am Lagerrand entlang hinaus auf die Wiese. Ohne weiter darüber nachzudenken folgte der Kater dem Geruch, der sich aber bald im hohen Gras verlor. Zum Glücl konnte er stattdessen der Schneise folgen, die Lavapfotes zierlicher Körper in das Gras geschlagen hatte.
Wo ist sie mitten in der Nacht hingegangen? Das gefällt mir nicht.
Im Wald angekommen sah Fuchspfote sich misstrauisch um. Die Grenze war ganz nah, aber Lavapfote nicht. Bis ihm plötzlich zwei Silhouetten ins Auge fielen. Eine mit leicht aufgeplustertem Fell und langem Schweif, dazu große Ohren. Das war eindeutig seine Schwester. Die andere Silhouette war ihm nur zu bekannt. Groß, kräftig, lange Beine. Für Fuchspfote war die Sache klar, das war Mottenpfote.
Soll ich sie beobachten?
Nach kurzem Überlegen versteckte sich der orangefarbene Kater in einem Busch, obwohl ihm beim Gedanken daran, die Privatsphäre seiner Schwester zu verletzen etwas schlecht wurde. Dennoch blieb er zwischen den Zweigen verborgen und versuchte, mit seinen großen Ohren, die Unterhaltung der beiden aufzufangen. Die beiden sprachen aber so leise, dass Fuchspfote nur Gemurmel vernahm. Kurz dachte der rote Schüler darüber nach, auf den Baum zu klettern, aber es war ihm dann doch zu gefährlich und würde das Risiko steigern, entdeckt zu werden.
Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Fuchspfote die beiden Silhouetten und je länger er den beiden zusah, desto mehr fühlte er sich verraten. Seine Schwester war doch klug und dachte über Dinge nach, bevor sie etwas unüberlegtes tat. Wieso sie sich jetzt mit diesem Ekel einließ blieb Fuchspfote verborgen.
Seine Lippen öffneten sich zu einem leisen Knurren, als die schattenhaften Gestalten sich aneinanderschmiegten und sein Fell sträubte sich wie in einer kalten Blattleerenacht. Am liebsten hätte er geschrien und wäre zwischen Mottenpfote und seine Schwester reingeplatzt, aber das Geschehen auf den Eichenästen schnürte ihm die Kehle zu wie eine Fuchsfalle. Mit einem angeekeltem Würgen wandte Fuchspfote sich ab und floh zurück zur Wiese bevor Lavapfote oder Mottenpfote ihn entdecken konnten. Die Wut war aber nicht verraucht, im Gegenteil, in dürstete es nach einem Geständnis seiner Schwester. So setzte er sich im Lager neben den Ausgang und wartete auf die Rückkehr der hellroten Schülerin.
Diese ließ nicht allzu lange auf sich warten. Ein leises Rascheln im Gras verriet die Schülerin, als sie dachte ungesehen ins Lager schleichen zu können. Ohne Fuchspfote zu bemerken wollte sie zum Schülerbau rennen.
"Wo warst du denn?", fragte Fuchspfote plötzlich in die Stille hinein und Lavapfote zuckte zusammen, als hätte ein Blitz geknallt. Im Schnekcentepo drehte sie sich um.
"Fuchspfote", stellte sie lahm fest. "Ich war nur...auf dem Schmutzplatz."
Jetzt lügt sie mich auch noch an!
"Aha. Ist der Schmutzplatz neuerdings an der Grenze?", bohrte der Schüler weiter, um einen höflichen Ton bemüht, damit seine Stimme nicht vor Wut bebte. Mottenpfote. Seine Schwester hätte sich keinen Schlimmeren aussuchen können.
Zu seiner Enttäuschung hatte Lavapfote ihre Fassung wiedererlangt und trat ihm mit ihrem üblichen Kampfgeist entgegen.
"Wenn du weißt wo ich war, wieso fragst du mich dann?", erwiderte sie mit einem gereizten Unterton.
Kurz blickte der orangefarbene Kater perplex in die Luft, doch dann fand er seine Stimme wieder.
"Guter Punkt. Vielleicht liegt es ja daran, dass du nicht alleine dort warst?"
Ein kleiner Funken Unsicherheit blitzte in Lavapfotes Augen auf.
"Das geht dich gar nichts an, Fuchspfote."
"Achso, es geht mich also nichts an, dass Mottenpfote wegen dir die Grenze meines Clans übertritt. Ich bin mir sicher, Sturmstern wird nicht erfreut sein das zu hören." Fuchspfote hob den Kopf höher, er war sich seines Triumphes sicher.
"Was?! Motten...ach egal. Heißt das du willst mir drohen?"
"Ich sage nur, dass das unerfreulich wäre, oder etwa nicht?"
Fuchspfotes Augen blitzten kampflustig auf, doch wider seiner Erwartung kam Lavapfote nicht mit einem neuerlichen Konter. Stattdessen sackte sie in sich zusammen.
"Gut, dass ich jetzt weiß woran ich bei meinem Bruder bin. Nur zu, verrate es Sturmstern. Du Fuchsherz."
Das letzte schleuderte sie ihm entgegen bevor sie umdrehte und im Schülerbau verschwand. Als hätte man einen Schalter umgelegt bröckelte Fuchspfotes Fassade. Ein dicker Knoten drückte auf sein Herz. Er war zu weit gegangen.
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