Kapitel 30
Am Morgen erwachte Eispfote unter heftigem Regen auf. Die dicken Regentropfen prasselten lautstark auf das Dach des Schülerbaus und tropfe am Rand der Steine in Schlieren herunter. Bei diesem Wetter war Eispfotes Lust, zum Training zu gehen ungefähr gleich Null, doch leider hatte sie keine andere Wahl, Sturmstern hatte sie zu zum Morgen auf die Lichtung gebeten.
Mit aufgeplustertem Fell trat die weiße Schülerin in den strömenden Regen, die Wolken am Himmel sahen schwer aus und waren so dunkel, dass Eispfote nicht feststellen konnte, ob die Sonne überhaupt schon aufgegangen war.
Eispfote sah sich nach einem trockenen Platz um, an dem sie auf Sturmstern warten könnte, da viel ihr der weiße Pelz ihres Mentors am Lichtungsrand auf. Gerade wollte sie hingehen, als sie seine verkniffene Miene erkannte. Im Schatten des Anführerfelsen diskutierte Sturmstern wohl ziemlich heftig mit jemandem, den Eispfote zunächst nicht erkannte. Doch dann entdeckte die Schülerin braune Flecken und gelbe Augen.
Das ist Birkenstern! Was macht sie denn hier? Und auch noch bei diesem Wetter. Es muss wohl wichtig sein, was die beiden besprechen.
Eispfote beobachtete die beiden noch weiter und zuckte zusammen als ihr Mentor die Diskussion mit einer heftigen Antwort beendete.
"Ich muss mich um meine Schülerin kümmern. Ich würde es begrüßen, wenn du das SturmClan-Territorium so bald wie möglich verlassen würdest."
Sturmstern schritt auf Eispfote zu, sie bildete sich ein, seine wütenden Schritte im Boden vibrieren zu spüren.
"Wir sind noch nicht fertig, Sturmstern!", knurrte da die Anführerin des BirkenClans und trat aus dem Schatten heraus.
"Tu was du für richtig hältst und verschwinde aus meinem Lager", antwortete der große, weiße Kater ungewohnt giftig.
Als Antwort erhielt er nur ein aufgebrachtes Knurren der braun-weißen Kätzin. Birkenstern funkelte den SturmClan-Anführer mit einem Blick an, der Eispfote einen Schauer über den Rücken jagte, dann verschwand sie aus dem Lager.
"Komm Eispfote, ich will dir die Außengrenze zeigen."
So gereizt hatte Eispfote ihren Mentor noch nie erlebt, sie war zwar neugierig, was er mit Birkenstern besprochen hatte, aber sie wollte nicht angegiftet werden.
Stumm trabte die Kätzin neben dem Anführer her, sie konnte die wütenden Sturmwolken in seinen Gedanken beinahe sehen, so sehr schnaubte der Kater. Der strömende Regen machte seine Laune nicht gerade besser.
"Weißt du, was ein Donnerweg ist?", fragte Sturmstern völlig unvermittelt. Er musste die Stimme heben um das Prasseln des Regens zu übertönen.
"Die gibt es wirklich?"
Bisher hatte Eispfote diese angeblich sehr gefährlichen, stinkenden Pfade für eine Legende gehalten, die Königinnen ihren Jungen erzählten, um sie davon abzuhalten, auf unbekanntes Terrain zu treten.
"Ja, natürlich. Und Monster auch. Du darfst nie einen Donnerweg überqueren, ohne vorher alles zu prüfen. Das kann dir das Leben retten, Eispfote, vergiss das nicht."
Der Vortrag über den Donnerweg schien Surmstern etwas von der heftigen Disskussion mit Birkenstern abzulenken, seine verkniffene Mimik lockerte sich etwas.
"Ich habe auf einem Patroulliengang einen gefunden und ihn gleich zur Außengrenze unseres Territoriumserklärt. Niemand kann da aus Versehen drüberlaufen, die Grenze ist eindeutig."
Eispfote fühlte sich etwas unwohl bei dem Gedanken einen Donnerweg kennenzulernen. Ihre Vorstellung von Monstern war ziemlich lebendig in ihrer Erinnerung, genauso wie Mondschweifs lebhafte Erzählung damals.
"Du willst wissen was Monster sind? Das kann ich dir sagen. Es sind riesige, leuchtende Wesen mit vier runden, schwarzen Pfoten, deren Gestank so schlimm ist, dass deine Nase schmerzt. Ihre Haut glänzt schöner als die glatten Steine im Fluss ist aber so hart und für unsere Krallen so undurchdringlich wie eine Felswand. Sie machen gewaltigen Lärm, und beor sie auf dich zurasen und dich packen wollen, da vibriert der Boden vor ihren mächtigen Schritten. Doch sie töten nicht einmal um zu fressen, sondern einfach nur aus Spaß. Sie sind emotionslose, unverletzbare Wesen der Zweibeiner. Du darfst nie einem dieser Monster zu nahe kommen, versprichst du das, Eisjunges?"
Und sie hatte es mit geweiteten Pupillen versprochen.
"Sollten wir wirklich dahin gehen? Monster sind doch gefährlich!", wandte die weiße Kätzin ein, ohne es zu merken stellte sich ihr Nackenfell etwas auf. Ihr behagte dieser Ausflug so gar nicht.
"Hab keine Angst. Ich bin ja hier und erkläre dir, worauf du achten musst."
Das beruhigte die Schülerin etwas, aber ob sie wirklich so nah kommen wollte, dass Sturmstern ihr den Donnerpfad erklären konnte, wusste sie nicht genau.
Schon bald spannte sich über den beiden weißen Katzen der Wald mit seinen frischen, grünen Sprösslingen. Mit der Wärme kam auch das Leben der Natur wieder.
Der Regen hilft dem Wald sicher auch zu gedeihen.
Je näher sie dem Donnerweg kamen, desto mehr sträubte sich Eispfotes fluffiges Fell, doch als ihr ganz plötzlich ein stechender Geruch in die Nase kroch.
"Bähh! Was stinkt hier so? Ist hier in der Nähe was gestorben?", beschwerte sie sich und rümpfte übertrieben die Nase.
"Nein", antwortete Sturmstern mit einem amüsierten Zucken seiner Schnurrhaare. "Das ist der Donnerweg. Aber du hast Recht, er stinkt ziemlich schlimm."
"Schlimm? Wie soll man hier unsere Markierungen noch riechen?"
Eispfotes breite Pfoten traten auf einen kleinen Wiesenstreifen, bevor der graue, überraschend glatt aussehende Donnerweg in Sicht kam. Umgeben von Feldern voller abgeschnittener Weizenhalme sah der Pfad gar nicht mal so schlimm aus, wie befürchtet.
"Komm, kein Monster da, wir können hingehen?"
"Hingehen?!", echote Eispfote ungläubig und starrte ihrem Mentor in die belustigt funkelnden, gelben Augen.
"Dir passiert nichts, ich verspreche es bei meinen neun Leben", der weiße Kater machte ein scheinheiliges Gesicht.
Leider hatte Eispfote keine andere Wahl, wenn sie nicht wie ein Vogelhirn allein auf der Wiese stehen wollte, während ihr Mentor die ganze Arbeit machte. Der Gestank wurde sogar noch schlimmer, es roch, als hätte es hier immer und immer wieder von neuem gebrannt.
"Hab keine Angst. Es ist nir ein Pfad. Und kein Monster in Sicht."
Vorsichtig schnuppernd näherte die weiße Kätzin dem stinkenden Weg. Ein einsamer, weißer Streifen teilte ihn in zwei exakte Hälften. Eindeutig Zweibeinerwerk, nichts in der Natur wäre so perfekt gespalten. Abgesehen, von der halbierten Zeder vielleicht.
Obwohl Eispfote sich anfangs vor dem Donnerweg gefürchtet hatte, war es überraschend ruhig dort. Keine Monster die in rasender Geschwindigkeit an ihr vorbeidüsen, oder sie umrammen wollte.
"Darf ich...ihn berühren?", rutschte es ihr heraus, sie war schon irgendwie neugierig, wie es sich wohl anfühlen würde.
"Hm...na gut. Aber wenn ich sage du musst runter, dann tust du das bitte."
Eispfote nickte und betrat vorsichtig den glatten Pfad. Er fühlte sich an wie Stein, nur irgendwie weicher und plattgemacht. Seltsam, dachte sich die weiße Kätzin. Auf einmal spürte sie leichte Vibrationen in den Pfoten. Noch bevor Sturmstern sie anwies, herunter zu kommen, war sie schon umgedreht und auf schnellstem Weg hinunter vom Donnerweg.
Dabei hätte sie sich gar nicht so sehr beeilen müssen, denn das Monster, das um die Ecke schlurfte war von der Sorte lahme Ente. Es war grün, mit Pfoten größer als der Durchmesser der Zeder und vorne, am Kopf, ragte gewaltige Zacken hervor, die glatt einen Baum zunichte machen könnten.
Eispfote hielt entsetzt die Luft an. Würde das Monster sie angreifen? Diese Pfoten waren breiter als Sturmsterns Schultern, ein Schlag und es wäre aus mit den beiden. Doch das Monster trabte mit lautem Getöse an ihnen vorbei ohne auch nur ihre Geruchsspur wahrzunehmen.
"Na hattest du Angst?", fragte Sturmstern neckisch und versetzte ihr einen leichten Schubs mit der Schulter.
"Nein, gar nicht. Ich weiß nicht, wie du auf sowas kommst", verteidigte sich die weiße Schülerin, dabei rasten ihr immer noch die kalten Schauer über den Rücken.
Mit einem Blick auf Eispfotes gesträubtes Fell und ihre, in den Boden gebohrten, Krallen ließ Sturmstern sich auf seine Hinterläufe sinken.
"Taten sagen mehr als Worte", meinte er mit einem amüsierten Schmunzeln im Gesicht.
Eispfote stutzte.
Taten sagen mehr als Worte...das ist es! So vertrage ich mich mit Schneepfote!
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