Kapitel 23
WÜSTENPFOTE ZWENGTE sich durch den keinen Eingang, den sie geschaffen hatte. Es hatte sie größte Mühe gekostet die Zweige zu lösen, doch letztendlich hatte sie es geschafft. Kühle Nachtluft strömte ihr entgegen. Der leise Wind strich ihr über das sandfarbene Fell.
Sie sog tief die Luft ein.
Bald war sie frei. Sie war frei. Sie konnte es schon auf ihrer Haut als ein leichtes, warmes Prickeln spüren. Ihre Pfoten wollten laufen, ihre geschundenen Muskeln spannten sich bereits in Erwartung auf das kommende Rennen an. Die Sterne funkelten über dem schwarzen Nachthimmel. Trockene Gräser wiegten sich leicht in der frischen Brise. Ein Rauschen erklang, als diese durch die Blätter der Baue raschelte und die Äste bewegte. Dieser Tag war äußerst windig, doch es war wirklich angenehm im Gegensatz zum Tag, an dem die Sonne vom Himmel brannte.
Wüstenpfote wusste um die Unterstützung von Nebeldunkel. Es schmerzte sie in der Seele, dass noch eine Katze für sie ihr Legen lassen wollte. Nicht noch jemand! Doch der Kater hatte darauf bestanden und sie fast schon angefleht ihr helfen zu können.
Sie hatte einfach nicht „nein“ sagen können. Es hatte sie innerlich zerrissen, während sie die bittende Miene ihres Nestgefährten betrachtet hatte. Es war ihm bewusst gewesen, dass er sterben würde, wenn er das für sie tun würde. Nebeldunkel hatte es so gewollt, es schien sein größter Wunsch gewesen zu sein für sie sein Leben zu geben.
Es war absurd, aber es war so. Wüstenpfote war so irritiert aufgrund seiner Bitte gewesen, dass sie fast einen Rückwärtssalto gemacht hätte.
Ihr Herz schlug wie verrückt, als sie vorsichtig eine Pfote vor die Andere schob und sich durch das Loch quetschte. Äste verhakten sich in ihrem Fell und zogen an ihrer Haut, sie ignorierte es. Dann war sie frei. Mit einem Ruck löste sie sich aus den Verankerungen und stolperte aus ihrem Gefängnis. Nun umhüllte sie die pechschwarze Nacht.
Ihre Augen hatten sich bereits an das schwache Licht gewöhnt und ihre Pupillen waren geweitet, um genug Licht einzufangen. Die Schülerin fühlte sich, als wäre sie auf der Jagd. Ihr ganzer Körper war angespannt und sie würde sich jederzeit auf einen unerwarteten Angreifer Stürzen, wie als wenn sie sich auf ihre Beute stürzen würde. Noch hatte niemand ihr Verschwinden bemerkt. Wüstenpfote wusste, dass Nebeldunkel den Eingang ihres Gefängnisses im Auge behielt. Die Schülerin war dem Krieger unendlich dankbar dafür, was er für sie getan hatte und tun würde. Wüstenpfote bewegte sich nah am Wall des Lagers entlang, da hier das trockene gras höher war und sie so zumindest ein wenig davor schützte von einer zurückkehrenden Nachtpatrouille entdeckt zu werden.
Das Herz der Schülerin raste wie wild, sie betete um ihr und Nebeldunkels Leben, wusste jedoch, dass ihr Gebet und ihre Bitten in Nebeldunkels Fall nicht viel ausrichten würden. Wenn er Heidekralle, Windstern oder den anderen in die Pfoten geriet, was er tun würde, war er so gut wie tot. Es brach ihr fast das Herz ihn gehen zu lassen. Doch es musste sein, es war Nebeldunkels Entscheidung gewesen und sie wollte seine Entscheidung nicht anzweifeln. Es wäre gegen seine Ehre ihm auch noch den gesunden Katzenverstand abzusprechen und ihn für total verrückt und geistesgestört zu erklären, weil er sich für sie opferte. Wüstenpfote hielt ihn für eine äußerst ehrbare Katze, denn es erforderte größten Mut und höchste Kontrolle seines Verstandes und seines Geistes, um wissend in den Tod gehen zu können.
Wüstenpfote bewegte sich weiter vorwärts. Das Gras raschelte, als sie ihren starken Körper durch das struppige Zeug schob. Die Schülerin wollte das Lager so schnell wie möglich hinter sich lassen. Sie wollte es schaffen, wollte endlich den WindClan hinter sich lassen. Wollte in die Freiheit entfliehen.
Das Einzige, woran sie noch zweifelte, war die Tatsache, dass sie nur den vierten Teil des Gegenmittels hatte zu sich nehmen können. Also war das Schlafschattengewächs nur zu einem Viertel neutralisiert werden.
Ob das wohl gereicht hatte?
War sie stark genug ohne die ausreichende Dosis überleben zu können?
Sie musste es sein, dass es gab kein Zurück mehr. Sie musste, weil sich zwei Katzen für sie geopfert hatten, beziehungsweise eine noch opfern würde. Sie musste für die Beiden weiterleben. Und das würde sie auch tun, das schwor sie sich. Wüstenpfote war eine starke junge Katze, sie würde das schaffen, musste es. Die Schülerin hatte nun fast geschafft den Wall zu umgehen und das Lager hinter sich zu lassen.
Plötzlich ertönte lautes Geheul. Es war schaurig. Kalter Schweiß lief ihr über den Rücken und es fühlte sich an, als ob eine eisige Hand ihren Nacken herab geleitete und danach ihr Herz umschloss, zudrückte. Wie ein Felsen, der über einen anderen knirschte.
Oh nein!
Nein, Nebeldunkel.
Doch das Geräusch hatte ihr das Feuer in die Beine gelegt. Wie der Wind sauste sie los. Das Gras peitschte unter ihr, als sie darüber hinweg spurtete. Ein lauter Schrei ertönte. Eher ein Kreischen und Gurgeln.
Nebelpfote?
Nein, sie durfte nicht zu lange daran denken, sonst würde sie sofort umkehren und ihren Nestgefährten zu Hilfe eilen. Die Schülerin raste über die weite Landschaft. Die nächtlichen Silhouetten flitzten an ihr vorbei. Wüstenpfote atmete tief ein und aus. Ihre Pfoten trommelten über den Boden. Staub stob auf. Niemand hatte sie bemerkt, sie hatte Glück.
Noch immer ertönten in der Fernen vom Lager her Schreie und Gebrüll. Die Schülerin rannte wie eine Irre. Die Büsche und Sträucher flogen an ihr vorbei, der Wind pfeife ihr um die Ohren. Ihr Fell wurde davon zerzaust und verwirbelt. Ihre Beine bewegten sich rasend schnell. Ihre Muskeln und entspannten sich. Ihre Pfoten trommelten in einem stetigen Rhythmus über den Boden. Die Landschaft zog an ihr vorbei. schnell ließ sie die kleine Hochebene hinter sich und stürmte den Abhang hinunter.
Sie preschte durch das Territorium des WindClans. Nun kannte sie die Strecke ja schon. Denn sie war schon einmal hier gerannt, geflohen. Geflohen vor der Unterdrückung des WindClans, wie auch jetzt.
Damals hatte sie sich geschworen niemals wieder zum WindClan zurückkehren, dieses Mal schwor sie sich, mit einem siegessicheren Ausdruck auf ihrem Gesicht, dass sie immer wieder zum DonnerClan zurückkommen würde, egal was es kosten würde, egal welche unüberwindbar scheinende Hürden man ihr entgegen stellen würde.
Denn sie hatte auch treue Freunde, die sich, zu ihrem Leidwesen, für sie opferten, ihr Leben für sie gaben, obwohl es ihr das Herz brach und ihre Seele davon schmerzte. Diese Verbundenheit mit den Katzen um sie herum machte sie stark, stärker als sie je alleine ohne diese Unterstützung sein könnte. Wüstenpfote wollte für sie fliehen, wollte, dass deren Bemühungen nicht umsonst gewesen waren.
Sie rannte und rannte. Das ganze Kräfte zehrende Jagen auf Verlangen Windsterns hin, hatte ihr fast alle Kräfte geraubt. Sie hatte noch nicht viel gegessen und es herrschte eine schreckliche Leere in ihrem Magen. Die Schülerin konnte das nagende Gefühl nicht länger unterdrücken und stellte alle ihre Sinne auf das Jagen ein. Zwar wusste sie, dass sie diese schreckliche Botschaft, den grausamen Plan Windsterns dem DonnerClan überbringen musste, doch ohne irgendeine Nahrung würde sie wahrscheinlich auf der Hälfte des Weges vor Erschöpfung zusammen brechen.
Sie befand sich nun nahe des Baumgevierts, ein gutes Jagdgebiet. Schnell spitzte sie ihre Ohren, nahm den schnellen Herzschlag eines Kaninchens wahr und stürzte sich heißhungrig darauf. Trotz ihrer Unterernährung war Wüstenpfote stark. Sie konnte einen Krieger niederringen, ohne sich dabei auch nur eine Schramme zu zuziehen. Kaninchen waren schwere Beute, da sie sich zur Wehr setzen konnten.
Die Krallen konnten einer Katze das Auge oder mehr kosten. Wüstenpfote wusste, dass man nie im Wind stehen durfte, wenn man Kaninchen jagte. Denn sie konnten den Jäger riechen, bevor es ihn sah.
Sie bewegte sich im Windschatten des Tieres. Geschickt schlängelte sie sich zwischen den Sträuchern hindurch. Noch hatten sie ihre Beute nicht bemerkt. Es bildete sich eine Pfütze auf ihrer Zunge. Innerhalb von wenigen Minuten hatte sie die Frischbeute verspeist. Es war ihr in dem Moment egal, ob das die beute des WindClans war oder nicht, schließlich hätte ihr als Gefangene natürlich genug Nahrung zugestanden, dass sie nicht hungern musste, aber sie hatte es getan.
Also hatte sie das Gesetz der Krieger nicht gebrochen. Als sie wieder losstürzte und das Territorium des FlussClans mit wenigen Sprüngen überquerte, schossen ihre wieder die kalten harten Worte von Windstern durch den Kopf: „Heute Morgen, Heidekralle, heute Morgen werden wir uns bereit machen, Heidekralle. Ich werde nicht länger warten. Morgen wird der DonnerClan untergehen und der Wald wird im Blut der Katzen dieses Clans da baden!“
Ein Schauer überlief die junge Kätzin, als sie an die Worte ihres Vaters zurück dachte, die sie belauscht hatte. Wüstenpfote schüttelte es, wieso hatte er nur so einen Hass auf den DonnerClan? Die Schülerin schnaubte und setzte ihren Weg fort. Ihre Pfoten federten vom weichen Waldboden ab. Bald hatte sie das DonnerClan Lager erreicht.
Ihre Beine begannen langsam zu schmerzen und von den tiefen Atemzügen brannte ihr in der Lunge und entfachte eine Flamme des Schmerzes in ihrem Körper. Diese wurde immer größer, breitete sich wie ein Fegefeuer aus und sandte große Wellen des Schmerzes und erneuter Qualen in ihrem Körper aus. Die Schülerin keuchte, als sie über eine große Wurzel stolperte. Hart kam sie auf dem Boden auf, ihre Schnauze schrappte über die Erde, Äste rissen ihr die Haut auf und Dornen verhakten sich in ihrem Fell.
Tränen stiegen in ihren Augen auf und die Schülerin stöhnte schmerzerfüllt auf. Doch sie musste schnell genug das Lager erreichen, sie musste dem DonnerClan von den schlimmen Aussichten berichten. Diese Botschaft würde den DonnerClan erschütterten, aber sie musste sie warnen. Dringend.
Es eilte, der WindClan konnte schon längst aufgebrochen sein und der DonnerClan noch nicht mal darauf vorbereitet. Die Schülerin sprang bereits wieder auf die Pfoten. Es war nicht mehr wert. Sie kannte das Territorium inzwischen in und auswendig, sah es als ihr Territorium an, das sie beschützen und verteidigen musste. Ebenso die Katzen, die dort lebten und ihre Familie und Freunde waren.
Sie alle waren eine Gemeinschaft, ein Clan, in dem einer auf den anderen aufpasste und den jeweils anderen beschützte. Wüstenpfote flog sie förmlich durch den Wald. Sie übersprang Brombeerbüsche und Wurzeln, sie wollte nicht noch einmal über eines von diesen Dingen stolpern. Es würde sie nur von ihrem Weg abhalten, die Zeit verzögern und den WindClan mehr Zeit zu geben näher zu kommen und den DonnerClan früher ohne dessen Wissen zu überfallen.
Die Bäume sausten an ihr vorbei. Ihre Pfoten flogen förmlich über den Boden. Sie sprang über größere Äste und Brombeergebüsch. Ihre Ohren immer wachsam gespritzt. Die dicke Luft machte das Atmen schwer. Kletten verfingen sich in ihrem Fell und rissen an ihr. Sie ignorierte es und rannte weiter. Sie preschte durch das Dickicht. Die Schülerin hielt sich nicht zurück. Wüstenpfote musste es schaffen. Ihr Puls hämmerte. Ihre Pupillen weiteten sich, als das Licht langsam schwächer wurde.
Schneller, schneller, schneller, spornte sie sich an.
Keuchend raste sie durch die Brombeersträucher. Ihre Muskeln brannten wie Feuer. Der Schmerz zerriss sie förmlich, sie durfte nicht aufgeben. In der Nähe hörte sie einen Bach fließen. Sie erkannte, dass sie nicht hinüberspringen konnte. Zweige schlugen ihr ins Gesicht, als sie das Gebüsch durchbrach. Ohne ihr Tempo zu bremsen stürmte sie durch den Bach. Ihre Eingeweide zogen sich zusammen, sie hasste Wasser, verabscheute es.
Es sog sich schwer in ihr Fell, einige Tropfen liefen ihr über die Augen und verschleierten ihr die Sicht. Sie blinzelte und schüttelte sich um die Nässe loszuwerden. Ihr Fell plusterte sich auf um die Kälte abzuhalten, die drohte ihr in die Knochen zu dringen. Der Wind strich ihr über das Fell die Nacht konnte nicht verhindern, dass sie ein Zittern überlief, sie machte es eher schlimmer.
Die Pfoten brannten, als sie über die spitzen Ufersteine rannte. Immer weiter lief sie, Richtung WindClan Territorium. Sie bekam keine Luft mehr, die Anstrengung schnürte ihr die Kehle zu. Kurz wurde ihr schwarz vor Augen. Wüstenpfote fing sich wieder. Die Schülerin durfte nicht aufgeben, sie drohte langsamer zu werden. Wüstenpfote zwang sich ihr Tempo noch zu steigern, jetzt lief sie schneller als dass sie dieses Tempo über längere Strecken halten konnte. Sie flog förmlich an den Bäumen vorbei. Nachdem sie den Eulenbaum hinter sich gelassen hatte, roch sie schon die Grenze zum FlussClan. Das gab ihr neue Kraft. Sie zwang sich das Tempo trotz der Quallen zu halten. Ihre Pfoten waren wund, sie ignorierte es. Ihr Fell klebte kalt und nass an ihr, sie ignorierte es.
Ihre Muskeln bestanden nur noch aus hitzigem Feuer, dass sie von innen zerfressen drohte, sie ignorierte es. Wüstenpfote litt Höllenqualen. Es war ein Wettlauf gegen die Zeit und es wurde nicht mit fairen Mitteln gekämpft. Wüstenpfote spurtete den letzten Pfad, der zum Lager führte.
Der vertraute Geruch der Katzen strömte ihr entgegen und gaben ihr neue Kraft die letzten Katzensprünge zu tun und das Lager zu erreichen.
„Windstern, Heidekralle. Euer Plan wird durchkreuzt werden.“, knurrte sie leise, als sie die letzten Schritte auf sich nahm.
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