4. Schwach
Ein Schlag. Geschickt wich er aus, wurde vom zweiten gestreift, wich zurück, schnellte hervor, sprang über ihn, fuhr ihm mit eingezogenen Krallen über den Rücken, landete geschickt auf den Pfoten, wirbelte herum, duckte sich weg, schlitterte unter seinem Bauch durch, kratzte ihm über das Fell, bäumte sich auf. Zwei Schläge. Er sprang hoch, drehte sich geschickt, landete auf dem Rücken seines Gegner und nagelte Sturmpfote auf dem Boden fest.
»Gewonnen.« Er seufzte. »Schon wieder.« Elegant sprang er auf den Boden und zuckte mit den Ohren. »Du kämpfst wie ein Kaninchen.«
»Stimmt gar nicht. Du kämpfst nur wie ein Dachs.« Sturmpfote schüttelte sich. »Abgesehen davon bist du viel größer.«
»Du wolltest doch, dass ich-«
»Ich habe dich gefragt, ob du mir kämpfen beibringen kannst. Nicht, ob du mich verprügeln könntest.« Der graue Schüler schüttelte sich. »Danke trotzdem.«
»Ich finde, ihr habt das beide toll gemacht«, warf Hellpfote ein.
Danke, aber das hat hier niemanden interessiert. Lärchenpfote setzte sich und putzte sich das Gesicht mit den Pfoten. »Wie wäre es, wenn ihr wieder miteinander übt? Das bringt doch nichts.«
»Hellpfote kann aber nicht kämpfen.«
»Und du auch nicht. Passt doch.«
Sturmpfote zuckte mit den Schnurrhaaren.
»Ich finde, ihr habt wirklich beide toll gekämpft«, wiederholte Hellpfote.
»Danke. Aber du warst immer noch zu langsam. Größe ist eben nicht alles. Du musst auch schnell sein. Abgesehen davon bin ich zehnmal stärker als du, daran musst du auch denken. Oder...«, er überlegte kurz, »... nein, denk lieber nicht darüber nach. Denk an gar nichts. Vielleicht bist du dann nicht mehr ganz so langsam.«
Sturmpfote öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber jemand anderes kam ihm zuvor.
»Sei vorsichtig, was du sagst. Schließlich sind die zwei deine einzigen Freunde.«
Er zuckte zusammen und fuhr herum. »Löwenpfote! Was machst du denn hier?« Sie waren doch extra in den Lärchenwald gegangen, um allein zu sein! Wie hatte er sie gefunden? Und warum war er überhaupt gekommen? Seit wann wollte sein Bruder etwas mit seinen Altersgenossen unternehmen? Hatte er irgendetwas verpasst?
»Ich war in der Nähe und habe euch gehört.« Er zuckte mit dem Schwanz. »Ihr seid wirklich laut wie Schwarm Gänse. Ich bin mir sicher, man hört euch sogar noch auf der anderen Seite des Flusses.« Er warf jedem einen kurzen Blick zu, dann sah er Lärchenpfote in die Augen. »Lust auf einen Kampf? Jetzt, wo wir einmal hier sind.«
Beide Schüler sahen sich an. Löwenpfote ließ die Muskeln unter seinem Fell spielen. Dieser Angeber - das machte er nur, weil er größer war als Lärchenpfote. Zugegeben, fast jeder Krieger war größer als Lärchenpfote. Aber keiner von ihnen ließ die Muskeln spielen, bevor er ihn angriff.
Nicht, dass ihn jemals ein Krieger angegriffen hätte. Aber wenn es eines Tages dazu kommen würde, dann würde keiner von ihnen das machen, da war er sich ganz sicher.
»Bereit?« Lärchenpfote blinzelte. »Oder willst du dich davor noch hübsch machen?«
Löwenpfote zuckte mit dem Schwanz. »Bist du bereit oder willst du davor noch ein paar Witze reißen?«
»Willst du noch ein paar hören?« Der kleine Schüler ließ sich in ein Jagdkauern fallen.
»Danke. Ich weiß, was auf den Verpflichtungen ganz oben steht.«
Was für ein Idiot. Warum mussten immer die Idioten so groß werden und so schönes Fell haben? Warum mussten diese Idioten immer so unglaubliche Siegertypen sein? Und warum konnte er nicht einfach auch so jemand sein?
Lärchenpfote spannte die Muskeln an und fixierte seinen Gegner, konzentrierte sich ganz auf die Wut in sich, auf diese unglaubliche Wut in ihm. Bei den meisten Katzen funktionierte das nicht, aber Löwenpfote musste er nur anschauen, um wütend zu werden. Er musste ihn nur anschauen, um stärker zu werden, als je eine Katze gewesen war.
Er hasste diesen Kater. Nicht immer, natürlich nicht - er war sein Bruder.
Aber in diesem Moment hasste er ihn. Mehr als alles andere.
Wie ein Blitz schnellte er hervor - sein Gegner hatte bereits damit gerechnet und wollte ihn mit einem Prankenhieb aus der Bahn schleudern, aber damit hatte Lärchenpfote bereits gerechnet, er duckte sich weg, rollte ab und verpasste dem anderen Schüler einen gewieften Hinterpfoten-Schlag, sprang dann auf, wirbelte herum, traf ihn noch einmal an der Flanke, wurde dann jedoch selbst zurückgeschlagen und-
»Ach, ihr seid das!«
Sie hielten inne. Löwenpfote stand über ihm, hatte seine Vorderpfote mit den Zähnen gepackt und funkelte ihn an. Als er die Stimme hörte, hielt er inne - als er erkannte, dass es Tannenblüte war, sprang er von ihm herab und lächelte sein liebstes Lächeln, dieses Lächeln, bei dem alle Kätzinnen dahinschmolzen. Dieses Lächeln, für das Lärchenpfote ihn hasste.
»Oh. Hallo, Tannenblüte. Wir haben gerade Kämpfen geübt.«
»Das habe ich gesehen.« Die Kätzin ließ den Blick über die Katzen schweifen. »Und gehört. Ihr seid ganz schön laut. Es ist kein Beutetier mehr in der Nähe.«
Dann jag' doch woanders. Lärchenpfote setzte sich auf und leckte sich die Pfote. Sein Bruder hatte ziemlich fest zugebissen, aber er hätte sich noch aus dem Griff winden können. Er war kurz davor gewesen! Wäre Tannenblüte nur einen Moment später gekommen, hätte er nicht ganz wie ein Idiot dagestanden.
»Abgesehen davon sollen Schüler doch nicht allein hierherkommen. Ihr seid ziemlich nah am Nirgendwo.« Tannenblüte seufzte. »Aber ich bin ja gar nicht hier, um mich bei euch zu beschweren.« Sie schnurrte. »Ich wollte eigentlich nur fragen, ob ihr vielleicht ... naja, ihr kennt doch Weidenpfote. Und ... naja, Tupfenherz meint, sie isst nicht mehr ... und da dachte ich, vielleicht täte es ihr ganz gut, wenn sie mehr mit Leuten zutun hat.« Tannenblüte sah sie lächelnd an. »Vielleicht könnt ihr sie das nächste mal mitnehmen? Ich glaube, sie traut sich einfach nicht, euch zu fragen.«
Niemand antwortete.
»Gibt es ein Problem mit Weidenpfote? Sturmpfote, du könntest doch ein bisschen mit ihr unternehmen. Ihr ward doch ganz gut befreundet, als du noch...«
Sturmpfote sah auf den Boden. Seine Ohren wurden rot. »Ich...«
»Oder Hellpfote. Hm?«
Hellpfote sah ihn an. »Also ... ich weiß nicht ... Weidenpfote ist irgendwie seltsam. Sie weiß Dinge, die sie gar nicht wissen kann, und ... ich weiß nicht...«
»Ach, Quatsch. Weidenpfote ist ganz nett. Ihr werdet sehen.« Tannenblüte lächelte sie alle einmal an, dann zuckte sie mit den Ohren. »Naja. Ich muss dann wieder los. Viel Spaß noch beim Üben!«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro