23. Langsam
Er war noch nie so schnell gerannt wie in diesem Augenblick. Löwenfell hatte Einiges an Vorsprung - aber seine Spur war leicht zu verfolgen. Offenbar wusste er, wohin er gehen musste. Er wusste, wo er suchen sollte, entschieden war er durch das Gras gerannt, geradlinig auf den Haselhain zu, in schnellem Tempo, damit ihn niemand einholte.
Nicht schnell genug für seinen Bruder. Als er den Wald verließ, sah er Löwenfells goldenen Pelz in der Ferne glänzen.
Er stürmte auf ihn zu, erreichte ihn völlig außer Atem. »Warte auf mich!«
Löwenfell reagierte nicht. Er war stehen geblieben, hatte das Fell gesträubt und die Muskeln angespannt. Die Krallen ausgefahren, die Zähne gebleckt, geduckt und mit gespitzten Ohren sah er sich um. »Er ist ganz in der Nähe«, sagte er leise, mehr zu sich als zu seinem Bruder.
In der Ferne konnten sie bereits die Patrouille hören. Regenherz und Steinpelz rannten auf sie zu, drosselten aber ihr Tempo, offenbar beruhigt, keinen Fuchs zu sehen.
Lärchenfell prüfte die Luft, lauschte. »Hörst du das auch?«
»Ganz in der Nähe.«
Ein Bellen. Ihm lief ein Schauder über den Rücken.
»Bist du bereit?«
Löwenfell achtete nicht auf ihn. Blind vor Wut stürmte er dem Bellen nach; ohne nachzudenken folgte Lärchenfell ihm, zögerte nicht einmal, als er das rote, riesige Monster erkannte - noch nie in seinem ganzen Leben hatte er einen so großen Fuchs gesehen - aber darauf kam es nicht an.
Der Fuchs wartete nicht lange, sondern schnappte nach Löwenfell, der blitzschnell, aber etwas überrascht zurückwich. Lärchenfell nutzte den Augenblick und fuhr dem Ungetüm mit ausgefahrenen Krallen über die Schnauze - er drehte sich zu ihm um, fauchte und versuchte ihn zu beißen; im gleichen Moment sprang ihm Löwenfell in die Flanke, hinterließ einen tiefen Kratzer und trat nach seinem Bauch; der Fuchs wirbelte herum, schüttelte ihn ab und warf ihn einige Schritte weiter weg. Lärchenfell wollte angreifen, aber das Monster hatte sich längst umgedreht und verfehlte seine Pfote nur knapp - im gleichen Moment warf sich eine graue Katze auf ihn, gefolgt von einem grauen Kater, der dem Monster in den Schwanz biss. Lärchenfell rappelte sich hoch, sah gerade noch, wie Steinpelz einem Biss auswich und zurücksprang, Löwenfell seinem Gegner in das Bein biss und Regenherz nach den Augen schlug, als der Fuchs das Maul öffnete und-
»Regenherz, pass auf!« Er hechtete vor, sprang ab und versuchte, die Schnauze des Ungeheuers zu treffen, aber der Fuchs war zu schnell - die graue Kätzin wirbelte herum, versuchte noch, sich zu wehren, als der Fuchs sie am Nacken packte und den Kopf hin und her warf, wie ein Hund seine Beute.
Lärchenfell prallte auf den Boden und wurde von einer riesigen Hinterpfote getroffen - schmerzerfüllt rollte er sich ab, biss danach, verfehlte sie und stürzte zum zweiten mal; der Fuchs wirbelte herum, ließ Regenherz dabei fallen und fletschte die Zähne von Neuem.
Angst. Er schob sie beiseite, sprang auf, fauchte vor Schmerz und preschte dennoch vor, so schnell er nur konnte, stieß sich ab - in einem Sprung schlug er dem Fuchs gegen die Schnauze, prallte von ihm ab und landete nur ungeschickt auf allen vier Pfoten; und dann geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Löwenfell ging kreischend auf das Tier los, bearbeitete seinen Bauch mit den Krallen, während Lärchenfell auf dem Boden aufschlug, genau wie Regenherz, der Fuchs schnappte nach ihnen und schlug nach seinem vierten Gegner, Steinpelz, der versucht hatte, ihn in die Hinterpfote zu beißen, und entsetzt zurückwich. Jaulend schüttelte der Fuchs Löwenfell ab; sein Bauch war verletzt, seine Flanke übersät mit tiefen Kratzern und seine Schnauze blutig - er schnappte ein letztes mal nach Löwenfell, der es im letzten Moment schaffte, zurückzuweichen, und suchte dann das Weite, verschwand humpelnd und winselnd in der Ferne.
Kraftlos sank Lärchenfell zu Boden. Sein ganzer Körper schmerzte, sein Kopf dröhnte und er fühlte sein Herz in der Brust hämmern; wenn der Fuchs ihn gebissen hatte, würde er sterben, das wusste er, aber er hatte keine Kraft mehr, nach Bissspuren zu suchen. Erschöpft legte er sich auf die Seite und starrte geradeaus. Löwenfell hielt sich nur zitternd auf den Beinen, Regenherz lag reglos etwas abseits. Nur Steinpelz schien noch Kraft zu haben.
»Geht es euch allen gut?« Seine Stimme zitterte, obwohl er laut sprach. »Seid ihr gebissen worden?«
»Nein. Mir geht es gut.« Löwenfell leckte sich einen Kratzer, den er von einem Sturz bekommen hatte.
»Keine Ahnung.« Lärchenfell hob kurz den Kopf, sah an sich herab, entdeckte aber nur Staub und Dreck an seinem Fell und ließ den Kopf wieder auf den Boden fallen.
»Und Regenherz, du?«
Aus dieser Perspektive, dachte Lärchenfell langsam, unendlich langsam, wirkte alles noch viel kleiner als sonst.
»Regenherz?«
Sie hatten den Fuchs vertrieben. Er war kein Schatten gewesen, aber sie hatten ihn vertrieben.
»Regenherz! Antworte doch!«
Nur zu welchem Preis?
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