14. Vorlaut
»Es tut mir leid, was ich damals gesagt habe.«
Die Kätzin erschrak sich zu Tode. Und sie wäre nicht die erste gewesen - vor wenigen Tagen erst war Sprossenfleck gestorben, eine der Ältesten. Sie hatte sich als erste um Kieselnase gekümmert, als er in den Clan gekommen war, und sie war die erste gewesen, die ihn als Clanmitglied, nicht als Hauskätzchen betrachtet hatte. Und jetzt war sie die erste, die ihm in den Tod gefolgt war - welche Ironie.
Sie hatte ihn als erste geachtet, doch nicht einmal jetzt taten das alle; nicht einmal jetzt konnte Lärchenfell ihn so betrachten, als ein Clanmitglied. Nicht einmal jetzt, nicht einmal, als er gestorben war.
»Das über die Hauskätzchen. Ich wollte nicht ... ich wusste nicht...« Er sah zu Boden. »Es tut mir leid. Kieselnase war eine gute Katze. Er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden.«
»Das macht ihn auch nicht mehr lebendig.« Die Kätzin schnippte mit dem Schwanz und deutete auf die Maus, die ihm zu Pfoten lag. »Was soll das sein?«
»Ein Geschenk. Für ... den Kleinen.«
Sie musterte ihn. Ein paar Sekunden verstrichen, dann seufzte sie. »Meinetwegen. Er spielt mit Schoko, im Garten. Komm mit.« Sie deutete auf die Maus. »Das tote Tier nimmst du aber.«
Seit er sie das letzte mal gesehen hatte, war sie schlanker geworden - und, wie es ihm schien, stärker und, wenn das überhaupt möglich war, noch schöner. Ihr helles, braunes Fell glänzte in der Mittagssonne, als er ihr wort- und widerstandslos folgte.
»Er wächst wirklich schnell. Ich glaube, er wird der größte Kater, den es jemals gegeben hat.« Die Kätzin schnurrte leise, als sie durch den Garten des Zweibeinernestes liefen. »Und er hat das Herz einer Waldkatze, er wird nicht lange hier bleiben. Wenn er groß genug ist, verlässt er uns.«
»Und was ist mit dir?«
Die Kätzin blieb stehen; beinahe wäre er in sie hineingelaufen. »Bist du gekommen, um mich in den Wald zu locken, wo mich ein Fuchs auffrisst? Dann muss ich dich enttäuschen.«
Er senkte den Blick. »Okay.«
»Ich habe auch nicht vor, deine Gefährtin zu werden, falls du deshalb das da mitgebracht hast.«
»Oh. Äh, nein.« Das Blut schoss ihn in den Kopf.
»Dann ist ja alle geklärt.« Sie trabte weiter, diesmal schweigend. Auch als sie angekommen waren, sagte sie nichts, sondern schnippte nur mit dem Schwanz und deutete auf die kleine, grauschwarze Katze, ehe sie einer - ebenfalls braunen - Hauskätzin zunickte. »Schoko, das ist Lärchenfell. Er ist wegen des Kleinen hier.«
»Du bekommst ganz schön viel Besuch«, sagte die Kätzin, die sie als Schoko angesprochen hatte.
Der Kleine achtete gar nicht auf sie. Seine Augen wurden riesig, als er den Krieger sah, und er rannte auf ihn zu. »Bist du auch eine Clankatze? Ist das eine Maus? Oh, Schoko, er hat uns Maus mitgebracht! Hast du die gefangen? Kannst du mir zeigen, wie das geht?«
»Du bist nicht einmal zwei Monde alt.« Er lachte leise und schob dem Kleinen die Maus zu. »Jagen kannst du erst später lernen. Aber du bist ganz schön groß geworden, Kleiner.«
»Aus deiner Perspektive sind ja auch alle Katzen groß.« Er setzte sich und versuchte, etwas von der Maus abzubeißen. »Das schmeckt viel besser als die Zweibeinergrütze, die sie uns immer geben. Oder, Kaba?«
»Ansichtssache«, sagte die schöne Kätzin. »Über Geschmack lässt sich streiten.«
»Das da ist zäher«, fügte Schoko hinzu.
»Ich finde Maus toll. Aber am liebsten mag ich Fisch. Fisch ist wirklich toll.«
Lärchenfell verzog das Gesicht. Katzen, die Fisch aßen, waren ihm instinktiv abgeneigt; aber dieser keine Kater war zu putzig, um ihn nicht zu mögen.
»Der große Kater hat mir neulich Fisch mitgebracht. Er meinte, das wäre eine Elritze, oder so. Die hat toll geschmeckt. Und sie war auch genau richtig groß.« Er lachte vergnügt, ließ sich plötzlich fallen, rollte auf den Rücken und sah in den Himmel. »Schau mal, die Wolke sieht aus wie ein Tigerfell.«
»Also geht es dir hier gut?«
Der Kleine hob den Kopf und sah ihn groß an. »Mir geht es ganz großartig! Aber wenn ich groß genug bin, gehe ich weg. Ich weiß auch schon, wohin. Aber das darf ich nicht sagen.« Er zuckte mit den Schultern, sprang wieder auf, als wäre nichts gewesen, und aß weiter. »Das schmeckt ganz fabelhaft.«
»Er bekommt oft Besuch?«
»Ja, seine Mutter ist manchmal da. Und dann noch ein paar andere Katzen, die ich nicht so genau kenne.« Die schöne Kätzin lächelte. »Er freut sich immer sehr darüber. Auch wenn er sich nicht ganz merken kann, wer es immer ist.«
»Clankatzen?«
»Ich denke nicht. In den Wäldern im Osten gibt es ziemlich viele Streuner. Viele kommen von dort und wollen ihn sehen. Junge gibt es selten, und er ist ziemlich niedlich.«
Er hatte sich schon gewundert. Woher sollten andere Clan-Katzen von Buchenpelz' Geheimnis erfahren haben? Sie hatte niemandem gesagt, dass ihr Junges noch lebte.
... und auch nicht, wieso sie es hierher gebracht hatte.
»Na gut. Ich muss dann wieder weg. Passt auf euch auf. Und auf den Kleinen. Ihr wisst ja, wegen der Füchse...«
»Hier sind wir sicher. Die Zweibeiner passen auf uns auf.« Kaba lächelte kühl.
»Und du, Kleiner...«
Der Kleine sah auf. Seine riesigen Augen leuchteten. »Nenn' mich nicht Kleiner. Ich bin bald so groß wie du. Und ich heiße Wind.«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro