Die Leben
Als Schwarzblüte die große Lichtung betrat, stockte ihr der Atem. So viele SternenClan-Katzen hatten sich versammelt, nur um ihr ihre Leben zu geben. Donner nickte der schwarzen Kätzin aufmunternd zu und stellte sich dann in die Reihe der teilweise fast durchsichtigen Katzen. Schwarzblütes Blick schweifte zu einem dunklen Teil des Waldes, der sich hinter der Katzenmenge erhob. Mehrere leuchtende Augen starrten sie an. Schnell sah die Kätzin weg. Hoffentlich war das nicht der Wald der Finsternis, von dem Leuchtflügel und Wind ihr erzählt hatten.
Oh, Leuchtflügel! Es tut mir so leid! Warum nur musstest du ein zweites Mal sterben! Warum musste gerade Flammenzorn dich umbringen. Und ich konnte ihn nicht aufhalten.Plötzlich fingen die Blätter der Bäume an laut zu Rauschen. Mehrere Stimmen erklangen, doch die schwarze Kätzin konnte keine einzelnen Katzen herausfiltern.
»Willkommen, Schwarzblüte! Erste Anführerin der neuen Clans! Schwörst du bei all deiner Ehre, deine neun Leben sinnvoll einzusetzen, um die Clans wieder zusammenzuführen?«
Verwirrt schaute Schwarzblüte die Katzen an, in deren Fell der Glanz der Sterne gefangen zu sein schien. Dennoch trat sie erhobenen Hauptes einige Schritte vor und antwortete mit fester Stimme: »Ja, das schwöre ich.«
»Dann empfange nun deine neun Leben.« Diese Worte hingen noch eine Weile wie ein Echo in der Luft, bis eine kleine Katze vortrat.
Es war eine kleine, weiße Kätzin, noch ein Junges. Auf ihrer Schnauze war ein schwarzer Fleck zu sehen, der sich leicht zu bewegen schien, als wäre er lebendig. Die kleine Kätzin blieb direkt vor Schwarzblüte stehen und schaute sie mit großen, strahlend blauen Augen an. Die schwarze Kätzin beugte sich zu dem Jungen runter, um sie besser hören zu können.
»Mein Name ist Wunschjunges«, miaute die weiße Kätzin mit sanfter Stimme. »Ich gebe dir das Leben der Fürsorge. Sorge für deine Katzen, so wie du für deine Jungen sorgen würdest.«
Wunschjunges berührte Schwarzblüte an der Nase. Ein angenehmes Kribbeln fuhr der schwarzen Kätzin durchs Fell, das jedoch immer stärker wurde, als würden tausende von Bienen sie stechen. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzuschreien. Schließlich hörte das Kribbeln auf. Trotzdem wagte es Schwarzblüte noch nicht, sich aufzurichten. Stattdessen wandte sie sich an Wunschjunges.
»Es tut mir so leid, dass du sterben musstest«, miaute sie voller Trauer.
Das kleine Junge lächelte und mit Staunen erkannte Schwarzblüte ein schwarzes Herz auf der Schnauze von Wunschjunges, das aus dem Fleck entstanden war. Er konnte sich also tatsächlich bewegen.
»Ist schon in Ordnung«, schnurrte die weiße Kätzin. »Mir geht es gut, solange ich weiß, dass du auf meine Schwestern aufpasst.«
Wunschjunges zwinkerte ihr kurz zu und kurzerhand verwandelte das schwarze Herz auf ihrer Schnauze sich wieder in einen normalen Fleck. Die weiße Kätzin drehte sich langsam um und stolzierte davon, wo sie in der Katzenmenge verschwand.
Dann trat eine weiße Kätzin vor, die Schwarzblüte nur zu gut kannte, eine Heldin. »Ich grüße dich, neue Anführerin«, sagte Schneeauge und neigte vor ihr den Kopf. »Ich gebe dir das Leben des Mutes. Sei einfach nur mutig und kämpfe für alles, was dir etwas bedeutet.«
Als die weiße Kätzin Schwarzblütes Nase berührte, zuckte diese vor Schmerz zusammen. Ihr Blut schien in Flammen aufzugehen und sie schrie auf. Doch genauso schnell, wie das Feuer gekommen war, verschwand es auch wieder. Schneeauge schaute die schwarze Kätzin noch einmal an, drehte sich dann um und ging. Schwarzblüte erkannte die zwei kleinen Gestalten von Heißjunges und Glutjunges, die Jungen von Weißklee, die Schneeauge fröhlich begrüßten.
Während die Anführerin immer noch die kleinen Kätzchen betrachtete, war eine andere Katze vorgetreten. Es war Blättersturm. All ihre Narben waren verschwunden, genauso wie die zerfetzten Ohren, und ihr Gang strahlte eine ungewohnte Sicherheit aus. Ihre gelben, sonst trüben Augen, waren nun hell und klar und leuchteten Schwarzblüte fröhlich entgegen.
»Ich gebe dir das Leben der Ausdauer«, erklärte die kleine, dunkelbraune LuftClan-Kätzin. »Renne schnell wie der Wind und du wirst alle Schwierigkeiten hinter dir lassen.«
Blättersturm streckte sich Schwarzblüte entgegen, die jedoch kurz zurückwich. Wenn alle Leben so wehtun, werde ich diese Zeremonie nicht überleben.
Als hätte die dunkelbraune Kätzin ihre Gedanken gelesen, schüttelte sie leicht den Kopf. »Du brauchst keine Angst zu haben. Genieße es.«
Schwarzblüte atmete tief durch und gewährte Blättersturm, ihre Nase zu berühren. Dieses Leben überkam sie wie ein Sturm. Sie schien zu rennen, so schnell wie der Wind rannte sie über ein großes, weites Feld. Dann war die Vision vorbei und die schwarze Kätzin erwachte wieder auf der Lichtung.
Blättersturm war in der Menge der SternenClan-Katzen verschwunden. Nun stand eine neue Gestalt vor ihr: Tupfenmond. Die verstorbene Gefährtin von Hechtkralle neigte den Kopf vor ihr. »Ich gebe dir das Leben der Hoffnung. Hoffe bis zuletzt darauf, dass alles gut wird und du wirst Rettung finden.«
Die hellbraune Kätzin berührte ihre Nase. Ein unglaublich schönes Gefühl überkam Schwarzblüte. Es war, als würde sie hoch über den Wolken fliegen und vom Wind getragen werden. Schließlich landete sie sanft auf einer Wiese. Am Horizont erkannte sie mehrere Katzen, bevor auch diese Vision abriss. Vor ihr stand immer noch Tupfenmond.
»Pass gut auf Hechtkralle auf«, flüsterte die hellbraune Kätzin ihr leise zu. »Windblüte wurde die Ehre nicht zuteil, dir ein Leben zu geben. Doch sie bat mich darum, dir zu sagen, dass du auch gut auf Spitzfell achten sollst. Sie hätte seine Jungen geboren, wenn sie nicht gestorben wäre.«
Schwarzblüte nickte respektvoll, woraufhin Tupfenmond sich umdrehte und davonging. Als nächstes trat wieder ein Junges vor, das die schwarze Kätzin selbst begraben musste. Dahinter trabte ein weiteres Junges. Die beiden Kätzchen blieben direkt vor Schwarzblüte stehen und sahen sie mit großen, gelben Augen an.
»Danke, dass du uns Namen gegeben hast«, miaute Sandjunges, der kleine, dunkelbraune Kater und stupste dann seine Schwester leicht an.
»Ja, danke«, murmelte Blutjunges. Die rote Kätzin schien etwas schüchtern zu sein. Dennoch hob sie stolz den Kopf und sprach: »Wir geben dir das Leben der Dankbarkeit.«
»Sei dankbar für alles. Selbst, wenn es nur eine Kleinigkeit ist«, ergänzte Sandjunges.
Beide hüpften zu Schwarzblüte hoch und berührten ihre Nase gleichzeitig. Wieder fuhr ein stürmischer Wind über das Fell der schwarzen Kätzin. Ihr Herz fing an, schneller zu schlagen und sie spürte eine überwältigende Freude. Dann verschwand das Gefühl von Glück. Blutjunges und Sandjunges gingen zurück in die Reihen der SternenClan-Katzen.
Jetzt trat die Mutter der beiden Jungen vor. Rotwind setzte elegant eine Pfote vor die andere, bis sie bei Schwarzblüte ankam. »Ich gebe dir das Leben der Liebe. Entscheide dich richtig und du wirst für immer glücklich sein.« Bei diesen Worten schwang ein Hauch von Besorgnis in ihrer Stimme.
Doch bevor die schwarze Kätzin sich Gedanken darüber machen könnte, stupste Rotwind sie mit der Nase an. Unheimlicher Schmerz durchzuckte Schwarzblüte. Sie war darauf nicht vorbereitet. Liebe war eigentlich ein sehr angenehmes Gefühl, doch das... Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis der Schmerz wieder schwächer wurde.
Die rote Kätzin war schon lange zurückgetreten. Zu Schwarzblütes Überraschung erschien nun die Gestalt von Weise Amsel vor ihr. Die schwarze Kätzin hatte um ihre Augen einen weißen Fleck, der wie eine Maske aussah. Ihre blauen Augen blitzten kurz frech auf. »Ich gebe dir das Leben der Gerechtigkeit«, miaute Weise Amsel. »Sei gerecht zu allen, egal wie sie aussehen und wie sie fühlen.«
Bei ihren Worten legte sich ein Schleier der Trauer über ihre Augen. Den Windwahrern war es verboten, Gefährten zu haben. War diese Kätzin etwa verliebt gewesen?
Weise Amsel berührte Schwarzblütes Nase. Wieder fuhr Schmerz durch ihren Körper, als würde eine eiskalte Kralle sie in der Hälfte zerteilen. Die schwarze Kätzin schnappte entsetzt nach Luft. Gleich darauf war der Schmerz verschwunden. Die ehemalige Windwahrerin nickte ihr noch einmal respektvoll zu und ging dann davon.
Erwartungsvoll ließ Schwarzblüte ihren Blick über die SternenClan-Katzen schweifen. Diesmal schnurrte die Anführerin laut, als sie das gelbbraune Fell ihrer Mutter aufblitzen sah. Lichtblüte blieb vor ihr stehen und schaute sie voller Stolz an.
»Meine Tochter, ich bin so stolz auf dich«, miaute sie sanft. »Es tut mir so leid, dass ich dich zu früh verlassen musste. Ich gebe dir das Leben des Vertrauens. Verlasse dich auf deine Katzen und sie werden sich auf dich verlassen.«
Lichtblüte berührte ihre Nase. Schwarzblüte merkte nichts, was vielleicht ungewöhnlich wäre. Doch gerade als sie dachte, es würde auch nichts weiteres mehr passieren, erschrak sie. Ein stechender Schmerz bohrte sich in ihr Herz, dann war es vorbei. Ihre Mutter trat zurück und setzte sich neben Schneeauge. Ihr Vater Graukralle war erstaunlicherweise nirgends zu sehen. Die schwarze Kätzin ließ ihren Blick über die Katzen schweifen in der Hoffnung, ihn doch noch zu entdecken, aber er war einfach nicht da. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und konzentrierte sich dann wieder auf ihre Zeremonie.
Wer wird mir das letzte Leben geben?
Plötzlich teilte sich die Katzenmenge und machte den Weg frei für eine Katze, die Schwarzblüte noch nie gesehen hatte. Ein alter, gebrechlicher Kater kam auf sie zu. Sein Fell war kaum noch vorhanden und nackte Haut schimmerte an einigen Stellen schon hindurch. Seine Augen waren trüb und tief in die Augenhöhlen gesunken.
Mit unsicheren Schritten ging er auf die Anführerin zu und blieb vor ihr stehen. Dann setzte er sich mit einem erleichterten Seufzen und sah sie an. Trotz seiner Blindheit war sein Blick erschreckend durchdringend. Ein Schauer fuhr Schwarzblüte über den Rücken. Dieser Kater erschien ihr unheimlich, als könnte er ihre Gedanken lesen und ihre Gefühle erraten.
Schließlich öffnete der Kater das Maul, um zu sprechen.
»Mein Name ist Stein. Ich gebe dir das Leben der Vorahnung«, krächzte der Kater mit einer Stimme, die Schwarzblüte in den Ohren weh tat. »Ich bin eine der ältesten Katzen, die die Clans je kannten. Es ist ein Wunder, dass ich noch nicht dem Vergessen verfallen bin.« Stein kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr und setzte sich dann wieder auf. »Alle Visionen werden zuerst von mir empfangen. Ich bin der Stamm der Clans. Wie der Stamm eines Baumes mit genau fünf Ästen verbinde ich die Clans miteinander. Doch dieser Baum wurde zerstört. Nun bist du der neue Sprössling. Du wirst alle Clans wieder zusammenführen. Dein Name wird Schattenstern sein. Als Erinnerung an jene böse Katze, deren Seele in dir steckt und als Verbindung zu den Sternen, die dir in schwierigen Zeiten immer helfen werden.«
Der gebrechliche Kater berührte Schattenstern mit der Nase. Ein wohliges Gefühl der Wärme umgab die schwarze Kätzin, das jedoch sofort wieder verschwand.
»Schattenstern! Schattenstern! Schattenstern!«, riefen die SternenClan-Katzen laut.
Die neue Anführerin hob stolz den Blick. Sie wollte sich noch bei Stein bedanken, aber der alte Kater war schon verschwunden. Verwundert ließ Schattenstern ihren Blick über die Katzen schweifen, die nun auf sie zukamen. Weiches Fell strich über das ihre, als der SternenClan sie beglückwünschte.
Doch plötzlich wurde alles schwarz. Schattenstern fuhr hoch und erwachte auf einer runden Lichtung mitten in einem Wald. Dem Wald der Clanlosen. Und leuchtend grüne Augen blickten sie an, umrahmt von langem, weißem Fell.
White!
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Einige von euch haben sich gefragt oder fragen sich sogar immer noch, warum Schwarzblüte als Anführerin auf einmal Schattenstern und nicht Schwarzstern heißt. Das hat mehrere Gründe:
Im Original gibt es ja schon einen Schwarzstern. Der ist allerdings ein Kater, gehört zum SchattenClan und hat einen etwas negativ behafteten Charakter. Um Verwechslungen und negativen Assoziationen vorzubeugen, heißt sie also schonmal nicht Schwarzstern.
Schattenstern habe ich hauptsächlich ausgewählt, weil sie ja die Wiedergeburt von AhornSCHATTEN ist. Außerdem heißt die ganze Reihe ,Schatten der Vergangenheit'.
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