Die Beichte
Schwarzblüte trottete niedergeschlagen neben Singpfote und Vogelpfote zurück ins Lager. Sie musste ihre Augen fest zusammenkneifen, um den Schmerz auszuhalten. Schmerz mit Schmerz betäuben. Es war, als hätten sich eisige Krallen in ihr Herz gebohrt.
»Warum musste das passieren?«, fragte die schwarze Kätzin. »Warum muss Flammenzorn immer so blutrünstig sein?«
Sie bekam keine Antwort. Denn auch die beiden Schülerinnen wussten die Antwort darauf nicht.
»Wir werden nie hier rauskommen«, murmelte Singpfote schließlich. »Nie.«
»Nie«, wiederholte Vogelpfote langsam.
Plötzlich ertönte ein Schrei. Die drei Kätzinnen fuhren zusammen. Am Horizont waren zwei schemenhafte Gestalten zu erkennen. Dann sah Schwarzblüte noch etwas. Eine weitere Gestalt näherte sich ihnen.
»Bleibt hier«, zischte sie den beiden Schülerinnen zu.
»Nein. Wir kommen mit. Das ist viel zu gefährlich«, miaute Vogelpfote leise, aber bestimmt.
In dem Moment ertönte ein weiterer Schrei. Viel lauter und schmerzerfüllter als der erste. Diesmal erkannte Schwarzblüte die Stimme. Es war Leuchtflügel. Ohne nachzudenken stürmte sie, so schnell es mit ihren ungeborenen Jungen ging, auf die drei Katzen zu.
Zwei von ihnen kämpften, die dritte Gestalt saß einfach nur am Rand und schaute zu.
Jetzt drehte die Katze, eher gesagt der Kater, den Kopf in Schwarzblütes Richtung.
Hoffentlich bin ich gut getarnt, dachte sie und legte sich flach auf den Boden. Ihr schwarzes Fell müsste jetzt gar nicht mehr zu sehen sein.
»Schwarzblüte«, knurrte plötzlich eine Stimme genau über ihr.
Erschrocken sprang die schwarze Kätzin auf und schüttelte sich. »Ich... ich wollte nicht...«
»Schweig!«, fauchte der schwarze Kater. »Ich bin Wespenkralle. Soweit ich weiß, bist du keine der Teilnehmerinnen. Was suchst du dann hier?«
»Ich...«, Schwarzblütes Blick schwenkte rüber zu Leuchtflügel, die immer noch von der anderen Katze attackiert wurde. »Lasst sie in Ruhe!«, brach es aus ihr heraus.
Wespenkralle schaute verdutzt auf die schwarze Kätzin runter. »Warum sollten wir?«
»Sie ist unschuldig! Und sie erwartet Junge! Ihr könnt doch nicht...« Ein harter Schlag traf Schwarzblüte und warf sie von den Pfoten. Krallen bohrten sich in ihren Kopf.
»Wir können alles tun was wir wollen, hast du verstanden?«
»Ja«, presste die Kätzin hervor.
Trotzdem ließ Wespenkralle nicht von ihr ab. »Egal was du jetzt tust, egal wohin du dich bewegst, du würdest sterben.« Der Kater bohrte seine Krallen jetzt durch ihr Ohr. »Du erinnerst dich sicher noch an die Zeiten, als Erdstern früher über den ErdClan geherrscht hat. Der frühere, nicht der jetzige. Er war mein Vater. Und er hat mir diesen Kniff beigebracht.« Wespenkralle beugte sich zu Schwarzblüte runter und sah ihr genau in die Augen. »Bereite dich auf den Tod vor.«
Schmerz durchzuckte sie von den Ohren bis in die Schwanzspitze, als der schwarze Kater seine Zähne in ihrem Nacken vergrub. Schwarzblüte schloss die Augen.
Dann war alles vorbei.
Schwarzblüte öffnete vorsichtig ihre Augen. Vor ihr lag Wespenkralle. Tot. Über ihm ein anderer Kater.
»Geht es dir gut?«, fragte Krallenmond.
»Ja«, schnurrte sie und versuchte aufzustehen, ließ es aber bleiben, als eine Schmerzenswelle durch ihren Körper fuhr.
»Bleib erst mal liegen«, sagte Krallenmond und schaute sie aus großen, liebevollen Augen an.
»Was ist mit Leuchtflügel?«, fragte Schwarzblüte und sah sich panisch nach ihrer Freundin um.
»Ihr geht es gut«, antwortete eine weitere Stimme. Die schwarze Kätzin drehte den Kopf und erkannte Vogelpfote und Singpfote.
»Sie ist weitergezogen. Das Junge konnten wir allerdings nicht mehr retten«, erklärte Krallenmond traurig und deutete auf ein silbernes Fellbüschel, das neben Wespenkralle lag.
»Sie hieß Stromjunges«, sagte Schwarzblüte leise. »Wer hat sie getötet?«
»Ockerblüte«, antwortete Krallenmond. »Die Gefährtin von Wespenkralle. Als sie seinen Leichnam gesehen hat, ist sie geflohen.«
Eine lange Pause entstand.
»Wir sollten zum ErdClan gehen und von seinem Tod berichten«, schlug Vogelpfote vor.
»Und zum WasserClan wegen Stromjunges«, ergänzte Singpfote.
»Könnt ihr das machen?«, fragte Krallenmond die beiden Schwestern.
Diese nickten und drehten sich um. Ihre Gestalten verschwanden in der Ferne.
»Wie geht es Rehjunges?«, fragte Krallenmond schließlich.
»Du weißt von ihr?« Erstaunt schaute Schwarzblüte den dunkelbraunen Kater an.
»Natürlich«, schnurrte er. »Wie kann ich denn nicht wissen, dass es sie gibt?«
Wieder entstand eine Pause der Verlegenheit.
»Du bist ihr eine gute Mutter«, miaute Krallenmond sanft und schmiegte sich an sie. »Kannst du mir einen Gefallen tun?«
»Alles, was du möchtest«, schnurrte Schwarzblüte.
»Zieh sie so auf, wie deine eigene Tochter. Sie darf nie erfahren, dass ihr Vater ein Mörder ist.«
»Aber Wespenkralle wollte doch Leuchtflügel umbringen!«, versuchte sie Krallenmond umzustimmen.
»Nein«, flüsterte der dunkelbraune Kater und erhob sich. »Ich habe Rotwind und ihre anderen beiden Jungen getötet. Ich habe dafür gesorgt, dass nur Rehjunges überlebt. Das war ich. Es tut mir leid.«
Krallenmond drehte sich um und ließ Schwarzblüte alleine zurück.
Das kann nicht wahr sein, dachte sie. Das ist nicht wahr.
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