Der Mord
Schwarzblüte fuhr hoch. Ein Geräusch hatte sie geweckt. Ein Geräusch am Rand der Kinderstube. Vorsichtig wandte sie den Kopf. Und erstarrte. Zwei leuchtend rote Pfoten zerfetzten die Dornenranken des schützenden Baus. Hilflos zog Schwarzblüte Rehjunges noch näher zu sich heran.
Schließlich hatten die Pfoten ein Loch in die Barriere gekratzt. Gerade noch so groß, dass die schwarze Kätzin Flammenzorn erkannte. Der Kater sah erstaunlich müde aus. Seine Augen leuchteten nicht, wie sonst immer, sondern waren trüb und glanzlos. Auch seine Narbe erschien nicht mehr so unheimlich.
»Schwarzblüte«, krächzte Flammenzorn. »Hilf mir.«
»Warum sollte ich dir helfen?«, fauchte diese entsetzt und fassungslos zugleich.
»Ich bin dein Gefährte. Du wirst meine Jungen bekommen.«
Deine Jungen?, dachte Schwarzblüte skeptisch. Oder die von Krallenmond?
»Die Teilnehmer aus dem ErdClan haben sich gegen mich verbündet. Regenfell ist tot, doch Luchsohr und eine rotbraune Kätzin sind immer noch hinter mir her«, fuhr der rote Kater fort. »Ich kann nicht mehr. Bitte hilf mir.«
»Ich muss ein Junges säugen«, widersprach Schwarzblüte in der Hoffnung, dass diese Ausrede reichen würde.
Flammenzorn hingegen kniff nur misstrauisch das Auge zusammen. »Ich bin dein Gefährte und befehle dir, mir zu helfen.«
Die schwarze Kätzin suchte panisch nach einem Ausweg. Schließlich kam ihr eine Idee in den Kopf.
»Na gut. Ich helfe dir.« Sie stand auf und legte vorsichtig etwas Moos um Rehjunges, um sie warm zu halten. »Doch ich werde nicht kämpfen. Denk an deine Jungen.«
Ein kleiner Funken von Liebe leuchtete in Flammenzorns Augen auf, erlosch dann aber wieder. »Komm jetzt.«
Schwarzblüte gehorchte und umrundete die Kinderstube, bis sie auf der anderen Seite war. Sie hielt kurz inne, als sie sah, dass Flammenzorns Fell blutgetränkt war und mehrere Krallenspuren sich über seine Hinterläufe zogen.
»Hier lang.« Der rote Kater führte sie durch ein Ginstergebüsch und hockte sich hin. In den ersten Strahlen der Sonne erkannte Schwarzblüte einen gelbbraunen Kater mit ungewöhnlich spitzen Ohren und die rotbraune Kätzin, von der Flammenzorn geredet hatte. Als sie grauer hinsah erkannte sie Ockerblüte, die Gefährtin des verstorbenen Wespenkralle.
»Der gelbbraune ist Luchsohr. Einer der jüngeren Kämpfer. Die andere kenne ich nicht«, flüsterte Flammenzorn leise.
»Das ist Ockerblüte.« Bei dem fragenden Blick des Katers fügte sie noch hinzu: »Die Gefährtin von Wespenkralle.«
»Gut.« Der rote Kater sah wieder zu den beiden Katzen hinüber. »Du nimmst dir Luchsohr vor. Der müsste für dich zu schaffen sein. Ich töte Ockerblüte.«
Die schwarze Kätzin zuckte bei dem Wort ›töten‹ kurz zusammen, straffte dann aber wieder ihre Schultern.
»Also los«, sagte sie und sprang als erste mit einem bedrohlichen Brüllen aus dem Ginsterbusch.
Die ErdClan-Katzen sträubten erschrocken ihr Fell, doch Ockerblüte hatte sich schnell wieder gefangen und raste auf Flammenzorn zu. Schwarzblüte ignorierte den Schmerzensschrei der Kätzin und wandte sich stattdessen ihrem Gegner zu.
»Du gehörst nicht zu den Teilnehmern!«, knurrte Luchsohr und bewegte sich geschmeidig auf die schwarze Kätzin zu. Man sah deutlich die Muskeln unter dem Fell.
»Aber ich bin seine Gefährtin!« Mit diesen Worten stürmte sie auf den völlig überrumpelten Kater zu und riss ihn zu Boden.
Sie stellte ihre Pfoten auf seine Kehle.
Luchsohr starrte Schwarzblüte aus großen, gelben Augen an. In seinem Blick lag Angst.
Die schwarze Kätzin beugte sich zu ihm runter. »Wenn du tust, was ich sage, werde ich dich nicht töten«, hauchte sie ihm ins Ohr.
Der Kater versuchte gar nicht erst, sich zu befreien, sondern schloss die Augen, bereit, sein Schicksal zu ertragen. »Du wirst mich so oder so töten. Du bist die Gefährtin von ihm.«
Schwarzblüte ignorierte seinen Einwand. »Wenn ich meinen Griff lockere, lauf zu Erdstern. Sag ihm, dass du der Gewinner des ErdClans bist und dass Flammenzorn Ockerblüte getötet hat.«
Luchsohr sah sie erstaunt an. »Du lässt mich fliehen. Wieso?«
»Es ist mein Schicksal.« In dem Moment hörte Schwarzblüte einen Schrei, dem ein harter Aufprall und ein triumphierendes Jaulen folgte.
Die Augen des gelbbraunen Katers weiteren sich. »Er hat sie getötet.«
»Ja, das hat er wohl.« Sie lockerte ihren Griff und Luchsohr schoss davon. Seine unscharfe Gestalt verschwand in der Ferne.
Ich habe es fast geschafft, dachte Schwarzblüte und drehte sich zu Flammenzorn um, bereit, alles zu tun was nötig war. Heute werden zwei Katzen sterben.
Ihr Gefährte stand über Ockerblütes Leiche. Er atmete schwer und sackte dann in sich zusammen. Sein Blick fiel auf Schwarzblüte.»Hilf mir«, bat er sie. Doch es war eher ein Flehen als eine Bitte.
Schwarzblüte ging auf ihn zu und blieb vor ihm stehen. »Ich werde dir nicht helfen«, sagte sie.
Flammenzorn schaute sie wütend an. »Ich befehle dir, mir zu helfen!«, knurrte er und versuchte, dabei bedrohlich zu klingen, was ihm aber nicht gelang.
Schwarzblüte trat näher und legte ihre Pfoten auf seine Kehle.
»Wer bist du, dass du es wagst, deinen Gefährten zu töten?«, fauchte Flammenzorn voller Zorn und Verachtung.
»Wer ich bin?« Schwarzblüte verzog die Augen zu schmalen Schlitzen. »Ich bin eine Rebellin.«
Dann fuhr sie die Krallen aus.
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