Der Frieden
»White!«, entfuhr es Schattenstern, bevor sie sich zurückhalten konnte.
Die weiße Kätzin, die Anführerin der Clanlosen sah sie voller Hass an, trat dann aber einige Schritte zurück, damit die schwarze Kätzin aufstehen konnte.
»Ich habe das Gefühl von Wolfszähnen in meinem Nacken nicht vergessen! Wie konntest du es wagen, wieder hierher zu kommen?«, fauchte White, machte jedoch überraschenderweise keine Anstalten, Schattenstern anzugreifen.
Diese schaute sich unauffällig um. Die Lichtung, auf der sie erwacht war, diente offenbar als Lager für die Clanlosen. Mehrere Katzen, die laut den Gesetzen des Windes schon lange hätten tot sein müssen, gingen vor einem großen Käfig aus Ästen hin und her. Schattenstern sah das rot-schwarze Fell ihrer Tochter Sprenkeljunges zwischen den Zweigen aufblitzen und wollte sofort dorthin eilen, wurde jedoch von White zurückgehalten.
»Deine Katzen bleiben hier, bis du uns erklärt hast, was du hier zu suchen hast«, miaute die weiße Kätzin und schob sie zurück in das weiche Moosnest.
»Wir fliehen vor den Clans!«, fauchte Schattenstern wütend und versuchte nochmal, an der weißen Anführerin vorbeizukommen, wurde aber wieder zurückgedrängt.
»Warum solltet ihr fliehen? Du zum Beispiel verstößt nicht gegen die Gesetze des Windes«, miaute White neugierig. »Und wie konntest du die Wunde an deiner Kehle überleben. Jede normale Katze wäre gestorben.«
»Ich bin auch keine gewöhnliche Katze!«, fuhr die schwarze Anführerin die weiße an und sagte dann so laut, dass ihre Anhänger es auch hören mussten: »Ich bin Schattenstern, die erste Anführerin des neuen WindClans! Und unsere verstorbenen Ahnen, der SternenClan, haben mir neun Leben gegeben, damit ich meine Katzen von hier wegführe.«
White starrte Schattenstern fassungslos an. Für einen kleinen Augenblick meinte die schwarze Kätzin so etwas wie Angst in den grünen Augen der Anführerin zu sehen. Dann hockte White sich in der unterwürfigsten Haltung, die es gab, vor der schwarzen Kätzin hin.»Du bist der Schatten des neuen Windes, der die finsteren Wolken, die über uns schweben, vertreiben wird«, miaute die weiße Clanlose und sah Schattenstern mit flackerndem Blick an. »Bitte, verzeih mir, was meine Katzen und ich dir angetan haben. Ich konnte ja nicht wissen, dass du...«
»Warte, warum... Woher hast du diese Worte? Wusstest du von meiner Bestimmung?«, fragte die schwarze Kätzin verwirrt und befahl White mit einem Schwanzschnippen, sich wieder zu erheben.
»Ich wusste nicht, dass du der Schatten des neuen Windes bist«, erklärte die weiße Anführerin und stellte sich mit respektvollem Abstand von Schattenstern hin. »Es war eine seltsame Prophezeiung, die ich von einer braun getigerten Kätzin im Traum bekam. Sie nannte sich Wind und kam vom SternenClan. Erst wollte ich es nicht glauben, doch jetzt... Es tut mir so leid.«
Die Anführerin des WindClans lächelte White aufmunternd zu. »Ich verzeihe dir. Aber bitte, befreie meine Katzen.«
Die weiße Kätzin nickte und eilte zu den Wachen davon, die teils verwirrt, teils ängstlich ihre Anführerin anstarrten. Nach einer kleinen Diskussion traten die Katzenwachen beiseite und gaben White den Weg zu den Gefangenen frei.
Die weiße Clanlose stellte sich an den Eingang des Käfigs und tauschte einige Worte mit Efeubein, der daraufhin auf die Lichtung humpelte. Ihm folgten Weißklee, Hechtkralle, Spitzfell und Weiser Falke, die jeweils eines der Jungen trugen. Nach und nach versammelten sich alle ihre Anhänger auf der großen Lichtung.
Brud, Ami, Keet, Silver und Mila kamen aus dem Wald heraus, wo sie vermutlich in einem anderen Käfig untergebracht worden waren. Sobald die Wölfe sich zu den Katzen gesellten, wichen die Clanlosen ängstlich zurück.Nur Black, White und eine weitere hellgraue Kätzin mit schwarzen Flecken blieben zurück und schauten den Wölfen mutig entgegen.
Ich muss etwas sagen. Ich bin jetzt die Anführerin und muss meinen Katzen Mut machen.Schnell schaute Schattenstern sich um, von wo aus sie am besten zu sehen war und entdeckte einen umgefallenen Baumstamm am Rande der Lichtung. Mit flinken Pfoten rannte sie dorthin und sprang hinauf. Dann wandte die schwarze Kätzin sich um und erhob die Stimme.
»Katzen des neuen WindClans und der Clanlosen, hört mir zu. Ich bin gekommen, um euch vor den grausamen Gesetzen der Winde zu befreien. Folgt mir zu einer neuen Heimat. Eine SternenClan-Katze überbrachte uns eine Nachricht: Wir sollen dem ersten Strahl der aufgehenden Sonne folgen und er wird uns den Weg zu Donner, Blitz, Sturm und Wirbel weisen. Das werden wir auch tun. Wer kommt mit mir?«
Eine Weile herrschte Ruhe, dann brach ein lautes Stimmengewirr los. Katzen bejubelten sie und riefen ihr Lob zu. Ein wohliges Gefühl breitete sich in Schattenstern aus. Diese Katzen werden zu mir halten. Sie vertrauen mir. Genauso wie Mutter es mir gesagt hat, als sie mir das Leben des Vertrauens gab.
Für einen kurzen Augenblick schloss die Anführerin die Augen und atmete tief ein und aus. Plötzlich spürte sie einen leichten Windhauch an ihrer Seite. Sie öffnete die Augen und erkannte White, die zu ihr auf den Baumstamm gesprungen war.
»Wir danken dir dafür, dass du den Mut dafür aufgebracht hast, die Clans zu verlassen!«, miaute die weiße Kätzin laut und klar. »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll. Meine Katzen brauchen mich, deswegen haben mein Gefährte Black und ich beschlossen, unsere Tochter mit dir zu schicken.« Die Anführerin der Clanlosen deutete auf die hellgrau-schwarze Kätzin, die immer noch neben Black stand und stolz die Brust herausstreckte. »Terra, komm hoch zu mir.«
Die Tochter von White und Black rannte auf den Baumstamm zu und landete elegant direkt zwischen ihrer Mutter und Schattenstern. »Es ist mir eine Ehre, den Schatten des neuen Windes zu begleiten. Die Schwarze Blüte, die in der Dunkelheit aufwuchs, um dann ins Licht zu gehen«, rief Terra, woraufhin wieder tosender Jubel unter den Katzen ausbrach.
Allmählich legte sich die Schwärze der Nacht über den Wald. Schattenstern sprang kurzerhand von dem Baumstamm runter, gefolgt von White und Terra, und wurde sofort von ihren Katzen umringt.
Nach einer Weile legte der Lärm sich und die Katzen verteilten sich auf der großen Lichtung. Mit einem belustigten Schnurren bemerkte die schwarze Kätzin, wie Hechtkralle mit offenem Mund hinter Terra her starrte, die anmutigen Schrittes in einem Holunderstrauch verschwand.
Die Gesetze des Windes scheinen fast schon vergessen zu sein. Die Freiheit scheint schon ganz nah zu sein. Aber zuerst muss ich die anderen vier Clans wieder zusammenführen. Den FlussClan, den SchattenClan, den DonnerClan und den WolkenClan.
***
Der Vollmond erhob sich am Himmel und erhellte die kleine Waldlichtung. Dunkle Gestalten huschten am Waldrand hin und her und verschwanden dann zwischen den Bäumen. Lange Krallen und spitze Zähne blitzten auf.
»Wo bleibt Aschenhaar? Er sollte schon lange zu uns gekommen sein, um uns den Weg zum Lagerplatz der Verräter zu zeigen«, knurrte ein gelbbrauner Kater.
»Habe Geduld, Feuerstern. Er wird kommen. Und dann können wir uns rächen«, entgegnete ein rußschwarzer Kater und wandte sich dann an einen dunkelbraunen Kater. »Was meinst du, Krallenmond? Du kennst Schwarzblüte und Aschenhaar am besten.«
»Ich denke, wir sollten warten«, fauchte der Angesprochene. »Sonst könnten wir unseren Plan mit einem zu frühen Angriff vereiteln.«
Plötzlich raschelte es im Unterholz und ein grauer Kater tauchte auf. Sein Fell war völlig verfilzt und seine gelben Augen blickten die drei Kater traurig an.
»Endlich, Aschenhaar. Was ist los? Werden wir angreifen können?«, fragte der gelbbraune Kater, der mit Feuerstern angesprochen wurde.
Der graue Kater schüttelte den Kopf. »Nein, es wird zu gefährlich. Schattenstern, wie Schwarzblüte jetzt heißt, hat Zuflucht bei den Clanlosen gesucht. Das sind Katzen, die vor den Gesetzen des Windes fliehen konnten. Aber es sind zu viele.«
Feuerstern nickte ernst und wandte sich dann an den rußschwarzen Kater: »Rußfeder, suche dir zwei weitere Kämpfer und laufe mit ihnen zu den anderen Clans. Wir müssen Luftstern, Erdstern und Wasserstern um Verstärkung bitten. Wir werden Schattenstern verfolgen und erst dann angreifen, wenn sie völlig schutzlos ist.«
Der rußschwarze Kater nickte und eilte davon, während Feuerstern sich ebenfalls umwandte und davonging. Nur Krallenmond und Aschenhaar blieben nun alleine im Unterholz stehen.
Der dunkelbraune Kater musterte den anderen skeptisch. »Bist du dir sicher, dass du uns wirklich alles gesagt hast? Du verschweigst uns doch nichts? Ich werde sie doch töten können, oder nicht?«
Aschenhaar wirkte etwas verunsichert, nickte aber. »Nein, ich habe alles gesagt, was ihr wissen müsst.«
Dann wandte er sich um und ging wieder davon.
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Und? Habt ihr was gemerkt? Was denkt ihr, auf wessen Seite steht Aschenhaar? Und möchte Krallenmond Schattenstern wirklich töten? Das war jetzt das letzte Kapitel. Es kommen noch der Epilog, Fakten über das Buch (ja, die hab ich auch) und eine Hymne an die Gefallenen.
Edit: Der zweite Band ist mittlerweile schon draußen. Wie er heißt, erfahrt ihr im letzten Kapitel dieses Buches :)
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