4. Kapitel
Es war ein beängstigendes Gefühl, aufzustehen, als wollten ihre Beine ihr nicht mehr gehorchen. Obwohl Himmelspfote Schmutzpfote mit ihrer Schulter stützte, glaubte sie, jeden Moment wieder einzuknicken, ihr ganzer Körper zitterte vor Anstrengung.
"Ganz langsam, Schmutzpfote", warnte Ottersee sie. Die braune Kätzin hing Moos zum Trocknen auf, ließ die Schülerin aber nicht aus den Augen.
"Wir gehen nur auf die Lagerlichtung und schnappen ein bisschen frische Luft", versprach Himmelspfote.
Der Weg dorthin erschien Schmutzpfote unendlich weit aber vor allem fürchtete sie sich vor der Reaktion ihrer Clangefährten. Ob sie sich überhaupt freuten, sie zu sehen?
Schmutzpfote lehnte sich mit einem großen Teil ihres Gewichtes auf ihre Schwester, ihr war ein bisschen schwindelig und ihr Bauch rumorte nervös, während sie eine Pfote wackelig vor die andere setzte. Das Licht schien Schmutzpfote stärker zu blenden als sie es in Erinnerung hatte, dabei schien nicht einmal die Sonne. Der Himmel war von einer durchgehenden, hellgrauen Wolkendecke versteckt und senkte einen feuchten Dunst über den Nadelwald herab.
Die kalte, nasse Luft traf Schmutzpfote fast wie ein Schlag, sie hatte den Anfang der Blattfrische verpasst. Unzählige bunte Blumen wuchsen am Rand des Lagers, kleine Dolden aus hellgelben und violetten Blüten, weiße Knospen, die sich wie ein Weidenzweig neigten und kräftig gelbe Tulpen hatten das Zuhause des SumpfClans schienbar vollkommen verändert. Es wirkte fröhlicher, lebhafter.
Unbekannte Gerüche schwebten der braun getigerten Kätzin in die Nase, die Düfte der Blumen und des frischen Grases, das sich unter ihren Pfoten bog.
Riecht so die Blattfrische?
Schmutzpfote konnte ihre Überraschung über die Veränderung kaum verbergen. All das hatte sie verpasst, während sie in Ottersees Bau gewesen war? Es schien als hätte jemand das Lager während ihrer Abwesenheit durch ein anderes getauscht, aber die Katzen waren die selben. Schmutzpfote sah sich um und entdeckte Libellenflügel und Schilfbrise, die sich Frischbeute teilten, neben ihnen Jubelpfote und Schreckpfote, die sich balgten und einige Krieger, die sich die Zunge gaben.
Am liebsten wäre die Schülerin zu ihren Freunden hinübergelaufen, aber als sie ihre Pfote zu schwer belastete, zuckte sie zusammen. Die Bewegung sandte einen scharfen Blitz durch ihr ganzes Bein.
"Alles in Ordnung?", fragte Himmelspfote besorgt.
"Ja...Ja es geht schon", presste die Schülerin hervor. Langsam schienen die Katzen ihre Anwesenheit zu bemerken und sie versteckte ihre geknickte Pfote hinter der anderen.
Libellenflügel war der erste der angestürmt kam. Der weiß-braune Kater konnte gerade noch rechtzeitig bremsen und schnurrte laut.
"Lässt Ottersee dich endlich wieder raus?", fragte er sofort und beschnupperte einen von Schmutzpfotes verheilten Kratzern.
Die braune Kätzin legte leicht verlegen die Ohren an, es war nicht Ottersees Schuld gewesen, dass sie nicht aus dem Heilerbau gekommen war.
"Ja...", murmelte sie und suchte nach irgendeinem Grund zum Themenwechsel. "Ich habe gesehen, dass du gestern endlich deine eigene Jagdpatrouille leiten durftest."
Libellenflügels gelbe Augen blitzten stolz auf.
"Ja und es war super! Ich hatte ganz vergessen wie einfach Beute zu fangen ist, wenn man nicht bis zum Knie im Schnee steht", miaute der braun-weiße Kater fröhlich.
Auch Schmutzpfote fiel jetzt auf, dass der Frischbeutehaufen viel voller war als noch während der Blattleere. Die vielen Vögel wichen wieder den wärmeabhängingen Schlangen und Eidechsen und auch einige Mäuse waren zu sehen.
"Aber das war schon genug von mir. Viel wichtiger ist eigentlich, wie es dir geht", lenkte Libellenflügel das Thema gleich wieder auf Anfang und sah sie erwartungsvoll an. Auch Jubelpfote, Schreckpfote und Muschelklang hatten sich genähert und schienen eine Antwort zu wünschen, aber Schmutzpfote hatte keine Ahnung, wie es ihr wirklich ging. Ja, sie hatte nicht mehr ständig Schmerzen, sondern nur wenn sie ihre Pfote belastete, aber trotzdem fühlte sie sich noch längst nicht gut genug, um ihr Training wieder aufzunehmen. Die Panikattacke am gestrigen Tag hatte ihr auch einen erheblichen Schrecken eingejagt. Was, wenn das nochmal passierte? Was, wenn sie alleine war und keine Luft mehr bekam? Wer sollte ihr dann helfen.
Als Schmutzpfote bemerkte, dass ihre Gedanken in die falsche Richtung abdrifteten wurde ihre Brust wieder etwas eng, aber zum Glück war Himmelspfote nicht so scheu wie sie.
"Ottersee erlaubt ihr nur ganz langsam sich wieder zu bewegen", sagte die weiße Kätzin in die Runde. "Es wird wohl noch ein bisschen dauern, bis alles zur Normalität zurückkehrt."
Leise zischend ließ Schmutzpfote die angehaltene Luft aus. In diesem Moment war sie so dankbar für ihre Schwester wie kaum zuvor. Es schien ihr so leicht zu fallen, allen das zu erzählen was sie hören wollten und auch zu erkennen, wie andere sich fühlten, wann sie jemanden brauchten, wann sie alleine sein wollten. Schmutzpfote wollte das auch so mühelos schaffen, aber wenn sie nicht einmal mit ihren engsten Freunden und ihre Familie üer ihre Gefühle reden konnte, würde das nichts werden.
"Ich freu mich so, dass du aus dem Heilerbau draußen bist", quiekte Jubelpfote und drängelte ihren Bruder beiseite, um sich kurz an sie zu drücken. "Wir haben dich im Schülerbau vermisst", fügte sie hinzu und nickte bekräftigend.
Schmutzpfote brachte ein schmales Lächeln zustande.
"Ich habe euch auch vermisst", miaute die braune Kätzin. Da fiel ihr ein, dass sie sich bei Jubelpfote noch gar nicht dafür bedankt hatte, dass sie während dem Kampf mit der Bestie Hilfe geholt hatte, aber das wollte sie lieber tun, wenn nicht so viele Katzen zuhörten.
"Ich bin froh, dich wieder auf den Beinen zu sehen." Nun war Muschelklang ein Stück vorgetreten. Die Kätzin war um einiges größer als Schmutzpfote und hatte einen dunkelgrauen, flauschigen Pelz, der sich im leichten Wind kräuselte. Die Kriegerin blickte wohlwollend zu ihr herunter. "Kann ich dich für einen Moment sprechen?", fragte sie dann und blickte beschwichtigend zu Himmelspfote. "Ich passe auch gut auf sie auf."
Schmutzpfotes Schwester schien nicht so begeistert zu sein, überließ es aber dann doch Muschelklang, die braun getigerte Kätzin zu stützen und schlenderte mit den anderen zum Frischebutehaufen.
"Was...was möchtest du mit mir bereden?", fragte Schmutzpfote zögerlich, während sie von ihrer Mentorin an den Rand der Lichtung geführt wurde, wo sie sich auf einen kleinen Wiesenfleck niederließen.
"Ich weiß nicht, ob du es schon mitbekommen hast, aber Ameisenstern hat mir die Aufgabe gegeben, deine Ausbildung zu beenden."
Die schaffe ich doch sowieso nicht, dachte Schmutzpfote bitter, hörte aber zu.
"Da deine Gesundheit aber noch nicht wiederhergestellt ist, werden wir nur sehr kleine, muskelaufbauende Trainingseinheiten machen, während du deinen Heilermond ablegst. Ottersee hat bereits zugestimmt und du fängst in ein paar Tagen damit an. Ich wollte nur noch fragen, ob Sonnenstrahl dir schwimmen beigebracht hat."
Das kam dann doch überraschend. Die meisten Schüler machten ihren Heilermond erst ganz am Ende ihrer Ausbildung, und sie hatte noch viel aufzuholen. Muschelklangs Stimme war jedoch voller Eifer und Tatendrang, als freute sie sich schon sehr auf das Teaining und auch das war irgendwie unerwartet. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass sich irgendjemand auf das langsame Training einer lahmenden Katze freute.
"Nein, nicht wirklich", gab Schmutzpfote zu. Das einzige Mal wo sie vollkommen im Wasser gewesen war, war während der ersten Flut des Sees gewesen, wo sie Fliederjunges helfen musste, aber da war das Wasser nicht sonderlich tief gewesen, sondern nur die Strömung recht stark. "Wir waren einmal fischen, aber nur vom Ufer aus."
Muschelkalng schien das gar nichts auszumachen.
"Das ist gar kein Problem. Wir haben im SumpfClan-Territorium genug Wasser um langsam damit anzufangen, du wirst dich aber daran gewöhnen müssen, nass zu werden",erklärte die graue Kätzin fröhlich, ihre grünen Augen blitzen dabei auf, als könnte sie es kaum erwarten.
Sie freut sich wirklich darauf, mir zu helfen, erkannte Schmutzpfote verwundert, aber irgendwie war es auch schön. Selbst wenn sie jetzt noch nicht wirklich laufen konnte, würde sich Muschelklang dafür einsetzen, dass sie es wieder lernte, dass sie alles wieder lernte.
Vielleicht werde ich doch noch eine Kriegerin...
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