38. Kapitel
"Hey, Schmutzpfote! Wach auf!"
Schmutzpfote spürte eine Pfote an ihrer Seite, die ihr in die Flanke stieß. Mit flackernden Augenlider hob sie den Kopf und gähnte.
"Was ist denn los?", murmelte sie. Sie hatte noch lange nach ihrem Traum nicht einschlafen können und das machte sich bemerkbar. Graufrost stand vor ihr und schien nach etwas zu lauschen, doch das Einzige was Schmutzpfote hören konnte, war Regen, der auf das Dach trommelte.
Immer noch Regen...SternenClan, wieso machst du es uns so schwer?
Sie waren viel zu langsam, wenn sie jeden Tag einen neuen Unterschlupf suchen mussten.
Andererseits...der SternenClan will mich warnen...vor jemandem.
Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, sah sie vor sich den reflektierenden Blick dieser Katze, die ihr gezeigt wurde. Sie mussten auf der Hut sein.
Schmutzpfote sah zu Graufrost auf, der mit gespitzten Ohren zum Fenster aufsah. Sie setzte sich ebenfalls auf und lauschte.
"Lasst mich!", jammerte eine Stimme. "Hört auf damit!" Das war Lola! Kurz darauf tönte ein Lachen durch den Regen.
"Schau, wie sie zappelt!", höhte ein Kater mit tiefer Stimme.
Graufrost Augen verengten sich zu Schlitzen. "Lola ist in Schwierigkeiten!", zischte er und setzte bereits zum Sprung an, aber Schmutzpfote stoppte ihn.
"Warte! Was ist wenn das Eisprinz und sein Gefolge sind? Wenn sie uns erwischen, sind wir dran!", warnte sie. Sie mochten zum Kämpfen ausgebildet worden sein, aber gegen so eine große Katzenmenge hatten sie keine Chance.
Graufrost entblößte die Zähne. "Lola braucht unsere Hilfe! Das schulden wir ihr." Er versuchte, sich an Schmutzpfote vorbeizudrängen und schubste sie dabei fast um.
"Du kannst nicht einfach da rausrennen, ohne zu wissen, wer da ist!", wandte sie ein und stolperte ein Stück zurück. Es war jedoch nicht nur Eisprinz, vor dem sie sich fürchtete. Ihr Traum war in ihrer Erinnerung so frisch, als wäre das, was sie gesehen hatte wirklich passiert.
Im dämmrigen Licht, das durch das Fenster fiel, blitzten Graufrosts Augen wütend auf. Seine Ohren lagen flach am Kopf an und sein Schweif peitschte hin und her. "Willst du ihr nicht helfen? Wegen ihr sind unsere Pelze in der Nacht trocken gewesen!"
"Natürlich will ich ihr helfen!", protestierte sie. "Aber wir müssen vorsichtiger sein!" Sie versuchte, ihre Stimme härter klingen zu lassen, um das Zittern darin zu verbergen, aber sie hatte einfach schreckliche Angst, dass ihr Verfolger sie eingeholt hatte.
"Geh mir aus dem Weg, Schmutzpfote!", fauchte er. Erschrocken über seinen Ton zuckte die Schülerin zusammen. So hatte sie Graufrost noch nie gesehen.
Mit einem Satz sprang der große Kater nach oben. Seine aufgefahrenen Krallen kratzten über das Holz und schon war er verschwunden.
Was ist denn mit ihm? Schmutzpfote war wie erstarrt. Von einem Moment auf den anderen war der Krieger wie ausgewechselt. Die Tigerkätzin schüttelte den Kopf und löste sich aus ihrer Starre, um ihrem Freund zu folgen. Vorsichtig linste sie aus dem Fenster, bevor sie sich hinunter ins nasse Gras fallen ließ. Es war gerade hell genug, um Graufrost dabei zuzusehen, wie er mit voller Wucht in einen fremden Kater hineinrannte. Der Fremde ging mit einem erschrockenen Laut zu Boden. Der andere, ein dürrer, schwarzer Kater sprang zurück und gab Lola frei, doch zu Schmutzpfotes Überraschung, rannte die Kätzin nicht davon.
Geduckt rannte Schmutzpfote durch das Gras und näherte sich der Schildpattkätzin. Die stand ganz nah am Zaun und hatte sich seltsam aufgebäumt.
"Psst!", zischte Schmutzpfote. "Komm weg da!"
"Geht nicht!", miaute Lola erstickt und ruckte mit dem Kopf. Da sah Schmutzpfote, warum die Kätzin nicht floh. Ihr Halsband war am hölzernen Zaun hängen geblieben!
Graufrost kegelte nun auch den zweiten Kater von den Pfoten und donnerte ihm seine breite Tatze genau auf die Stirn. Der schwarze Kater ging zu Boden und Graufrost ließ ihn links liegen, um den bereits weglaufenden anderen Fremden zu verfolgen.
Was macht er da?! Er läuft doch schon weg!
Aber Graufrost war nicht zu bremsen. Hinter ihm flog nasse Erde in die Luft, als er dem Kater hinterhersetzte. Er brauchte nur zwei große Sprünge und schon grub er seine Krallen wieder in das Hinterbein des Eindringlings.
Schmutzpfote musterte den am Boden liegenden Kater. Er rührte sich nicht. Schnell stieg sie über ihn hinweg und versuchte, Lola zu beruhigen, die wie wild, an ihrem Halsband zerrte und dabei leicht gurgelnde Geräusche von sich gab.
"Warte, ich helfe dir!", miaute die Tigerkätzin, schob den Kopf und ihre Schulter unter Lolas Vorderbein und stemmte das Hauskätzchen nach oben. Lola zappelte, zerrte und löste schließlich sich mit einem Ruck vom Zaun. Beide Kätzinnen kullerten ins Gras, wo sich die Nässe sofort in ihre Felle bohrte, aber Schmutzpfote hörte, wie das Hauskätzchen erleichtert die Luft einsog.
"Geht es dir gut?", fragte Schmutzpfote, nachdem sie sich aufgerappelt hatte.
Lola nickte nur, während sich ihre Flanken weiter heftig hoben uns senkten. Als sie versuchte zu sprechen, kam aus ihrem Maul nur ein würgender Laut und sie hustete.
"Schon gut, ganz ruhig. Das hätte dich gerade fast erwürgt", warnte Schmutzpfote. Sie sah sich um, aber Graufrost war nirgends zu sehen. Für einige Momente, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, hörte sie nur Lola beim Atmen zu und starrte an die Stelle, wo Graufrost verschwunden war. Dann zitterten die Büsche und der zum Glück war es der grau gefleckte Kater der herauskam und nicht der Fremde.
Graufrost hatte ein paar Kratzer an der Brust, schien aber ansonsten unverletzt zu sein. Festen Schrittes trottete er über die Wiese, wo der schwarze Kater begann, sich zu erholen. Als er sah, wie der Krieger auf ihn zukam, stolperte er davon, ehe auch nur irgendjemand ein Wort sagen konnte.
Kaum war der Fremde verschwunden, wurden Graufrosts Augen wieder weich und die Pupillen rund, so wie Schmutzpfote ihn kannte.
"Geht es euch gut?", wollte der Kater wissen und beugte sich besorgt über Lola.
"Ich glaube schon", antwortete das Hauskätzchen zittrig.
"Wer waren diese Mäusehirne?"
"Zwei Streuner, die ständig Ärger machen", erklärte Lola mit einem abfälligen Gesichtsausdruck. "Ich bin mit meinem Halsband hängen geblieben und ich dachte sie würden mir vielleicht helfen...dumm von mir."
"Haben sie dir wehgetan?", fragte Schmutzpfote.
"Nein, nur gepiesakt und sich über mich lustig gemacht." Das Fell auf ihrem Nacken stellte sich auf, als ob sie gerade erst realisierte, was gerade passiert war.
"Das ist schrecklich! Du hättest ersticken können", regte Graufrost sich auf. Seine Krallen bohrten sich in den Boden.
"Ich glaube nicht, dass die jemals wieder hierherkommen", meinte Lola. "Danke, dass ihr mir geholfen habt."
"Keine Ursache", schnurrte Graufrost. "Das waren wir dir schuldig."
Schmutzpfote nickte, war sich aber nicht sicher, ob ihr gefallen hatte, wie Graufrost die Sache angegangen war. Für einen Augenblick, als er sie mit gebleckten Zähnen angefaucht hatte, ihm aus dem Weg zu gehen...da hatte sie Angst vor ihm gehabt.
"Ich...sollte reingehen", murmelte Lola. Sie schien sich langsam zu erholen und tappte langsam auf ihren Bau zu, dann stoppte sie und sah mit ihren ungewöhnlich blauen Augen zurück. "Nochmal danke...ihr könnt solange hierbleiben, wir ihr wollt."
Graufrost wollte sprechen, aber Schmutzpfote fiel ihm ins Wort. "Danke, aber wir müssen weiter. Es war sehr nett, dass du uns hier hast bleiben lassen. Und ich hoffe, diese Streuner kommen nicht mehr zurück."
Lola nickte und lächelte dann. "Passt auf euch auf."
Die beiden Clan-Katzen blieben noch, bis das Hauskätzchen sicher in ihrem Bau angekommen war, dann wandte Schmutzpfote sich um schaute auf ihren Schatten. Da die Sonne es nicht durch die Regenwolken schaffte, war er nur ganz schwach zu sehen, aber Schmutzpfote lief trotzdem los.
"Hey, wieso hast du es auf einmal so eilig? Wollen wir nicht erstmal jagen? Wir haben schon seit Ewigkeiten nichts mehr gegessen", miaute Graufrost, der schräg hinter ihr folgte.
"Keine Zeit", gab Schmutzpfote knapp zurück. Auf einmal kam es ihr vor, als ob sie Graufrost gar nicht kannte. So wütend war er noch nie gewesen und es gefiel ihr nicht, wie er damit umgegangen war, dass sie verschiedener Meinungen gewesen waren.
Zum Glück hatte sie durch den starken Regen einen Grund, schnell zu gehen und wenig zu reden.
Der Schatten leitete sie durch eine ruhige Gegend mit wenigen Monstern und die Zweibeiner schienen sich auch lieber im Trockenen aufzuhalten und ließen die Katzen in Ruhe.
Immer wieder hielt Schmutzpfote an und sah sich um, nach den glühenden Augen, aber nichts.
Ich werde noch verrückt...
Noch dazu verhinderte der Regen, dass man hören konnte, wenn sich doch jemand näherte und bei jedem Geräusch zuckte Schmutzpfote zusammen.
"Du bist total schreckhaft", merkte Graufrost an. "Ist mit dir alles in Ordnung?"
"Was? Achso...ja...schon gut. Mir geht es gut", log Schmutzpfote. Nein, es ging ihr nicht gut. Sie war so weit weg von Zuhause, auf der Suche nach etwas, von dem sie nicht einmal musste, was es war und jetzt wurden sie auch noch verfolgt und Graufrost verhielt sich seltsam.
"So siehst du aber nicht aus", bohrte der gescheckte Kater weiter nach, holte zur ihr auf und sah sie besorgt an.
Schmutzpfote wollte erneut beteuern, dass es ihr gut ging, aber im nächsten Moment rutschten ihr die Worte einfach raus.
"Wieso bist du da eben so ausgerastet? Das...das warst gar nicht du."
"Ich...?" Überrascht stellte der Kater die Ohren auf. "Was meinst du?"
"Du warst auf einmal so zornig! Den einen Kater hättest du fast zum SternenClan geschickt, dabei ist er schon geflohen! Und du hast mich angefaucht!" Die Worte sprudelten einfach heraus und als sie geendet hatte, sah sie vorsichtig zu ihrem Freund. Graufrosts Miene hatte sich verdunkelt.
"Entschuldigung...ich war einfach wütend, dass diese miesen Streuner Lola so behandelt haben. Sie ist ein unschuldiges Hauskätzchen und sie hätten sie da garantiert hängen lassen, bis sie keine Luft mehr bekommen hätte. Ich weiß nicht, wie irgendjemand ihr so etwas antun könnte", miaute der Kater und Schmutzpfote konnte beobachten, wie sich das Fell entlang seines Rückgrats sträubte.
Schmutzpfote öffnete den Mund um etwas zu erwidern, als ihr plötzlich ein eiskalter Schauer über den Rücken fuhr.
"Ja, wirklich! Wie kann man einer so unschuldigen Kätzin etwas antun?" Die Stimme jagte der Schülerin einen Blitz der Angst durch den Körper. Sie kannte diese Stimme.
"Wer ist da?", rief Graufrost und starrte ins Gestrüpp, das anfing, leise zu rascheln. "Zeig dich!"
Schmutzpfote musste nicht darauf warten, dass er herauskam. Sie wusste, wer sich in diesem Busch verbarg und sie wäre am liebsten weggelaufen.
"Graufrost, wie schön dich zu sehen", höhnte die Stimme. "Im SeeClan machen sich alle Sorgen um dich. Willst du nicht lieber zurück nach Hause gehen?" Schmutzpfote tauchte hinter Graufrost und beobachtete mit Schrecken, wie eine weiße Pfote aus dem Gebüsch kam, gefolgt von einem gehässig verzerrten Gesicht mit minzgrünen Augen.
"Schneeschweif", würgte Schmutzpfote hervor und mit einem Schlag war ihr furchtbar übel.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro