18. Kapitel
Noch vor Ende des Tages waren die Grenzen vom SeeClan neu gesetzt und der fischige Geruch, der vom Goldfeld herüberschwebte wirkte, als würde er Schmutzpfote und ihre Clan-Gefährten verspotten. Die Stimmung war gedrückt, die Schüler erschöpft, die Mentoren frustriert und Leopardenschweif ächzte und jammerte, dass die Jungen sich so viel bewegten und sie keine Luft bekam, weil ihre Kleinen so viel Platz verbrauchten.
Mit schmerzenden Muskeln ließ Schmutzpfote sich in der Abenddämmerung in ihrem Nest nieder. Neben ihr plumpste eine frustrierte Himmelspfote ins Moos, der Kratzer an ihrer Stirn versorgt mit einer grünen Kräuterpaste.
"Wie geht es deiner Stirn?", fragte Schmutzpfote, bevor sie weit gähnte.
"Könnt ihr mal aufhören, wegen dem kleinen Kratzer so einen Wirbel zu machen? Die Stirn ist nicht so wild, aber sonst fühle ich mich, als hätte mich ein Monster plattgewalzt. Dieser Wettbewerb ist ganz schön viel auf einmal", stöhnte die weiße Kätzin.
"Da hast du Recht, dabei musste ich nicht kämpfen oder klettern. Das mit dem Monster trifft es ganz gut." Schmutzpfote streckte sich in einem Versuch, ihre steifen Muskeln zu lockern, wurde jedoch enttäuscht. "Du hast wirklich gut gekämpft heute", flüsterte sie dann.
Der genervte Ausdruck in Himmelspfotes Augen wurde weicher.
"Danke, Schmutzpfote. Gelbschweif hat gesagt, ich bin bald bereit, Kriegerin zu werden", miaute die weiße Kätzin und ihre Brust schwoll an vor Stolz.
Schmutzstreif fühlte, wie die Müdigkeit sie langsam übermannte und ihre Lider nach unten sanken.
"Das ist toll. Er hat total Recht, du wirst eine tolle Kriegerin sein", murmelte die getigerte Kätzin und lächelte ihrer Schwester zu bevor sie den Kopf auf ihre Pfoten legte um den lang ersehnten Schlaf einzuladen.
Und auch diesmal wurde ihr die Erholung nicht gegönnt. Flackernde Bilder strömten auf sie ein. Sonnenstrahl, wie er im Sterben lag. Eine von Sternen glitzernde Katze-Feldjägerin- die auf sie einredete, doch ihre Stimme war abgehackt und hörte sich weit entfernt an.
"Schmutz...ote! Wir müss... un... eilen! Bald wi... es zu spät sein!"
Schmutzpfotes Herz raste wie noch nie zuvor. Vor ihren Augen blitzen die Bilder von sterbenden Katzen auf, von Blut, das den Boden dunkelrot färbte. Der Gestank des Todes stieg ihr heftiger in die Nase als sie es je in Träumen erwartet hätte.
"Hör auf!", schrie die Schülerin. Sie wollte die Augen schließen, aber die Bilder ließen sich nicht vertreiben! "Ich will das nicht sehen!"
Sturmböen, wie aus dem Nichts, rissen Schmutzpfote beinahe von den Beinen, als sich aus dem Meer aus toten Körpern ein weißer Schatten erhob. Unerklärliche Angst schoss der getigerten Kätzin unter die Haut wie ein Blitz, der ihre Glieder brennen ließ. Minzgrüne Augen. In ihnen ein gehässiges Funkeln.
Schmutzpfotes Pupillen vernegten sich zu Schlitzen, als sie den Kater erkannte.
"Schneeschweif!" Sie spuckte seinen Namen vor seine Pfoten und legte die Ohren an, aber der weiße Krieger aus dem Wald der Finsternis stand nur da und lächelte.
"Er ist wieder da", hauchte Fledjägerins Stimme in ihr Ohr und im nächsten Moment schoss Schmutzpfote aus dem Albtraum in die Höhe. Ihr Atem rasselte schnell in ihrer Brust und sie spürte unerträgliche Hitze unter ihrem Pelz. Rund um sie herum schliefen die anderen Schüler tief und fest, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Nur ein leichter heller Streifen am Himmel ließ den kommenden Morgen vermuten.
Die Tigerkätzin zwang sich, ihre Atmung zu verlangsamen, damit ihr Herz aufhören konnte, wie verrückt in ihrer Brust zu pochen. Sie war so müde und trotzdem war an Schlaf nicht zu denken. Jedes Mal wenn sie die Augen schloss, begann Feldjägerins Stimme in ihren Ohren zu flüstern und der Gestank nach Blut stach in ihre Nase.
Ich will das nicht!
Der Frust trieb ihr beinahe die Tränen in die Augen. Sie war nicht geeignet, Schneeschweif aufzuhalten, das hatte sie bereits bewiesen. Sie hatte Sonnenstrahl verloren.
Ich flehe dich an, SternenClan. Wähle jemand anderen, um ihn zu stoppen. Ich bin nicht die richtige dafür.
Obwohl ihr Kopf sich so anfühlte, als ob ein Bienennest darin Platz genommen hatte, quälte Schmutzpfote sich aus ihrem Nest. Sie brauchte frische Luft und eine Abkühlung, der Bau kam ihr auf einmal stickig und beengend vor.
Die kühle Nachtluft umströmte ihre Schnauze und brachte ein wenig mehr Ruhe in ihr aufgewühltes Inneres. Die Blattgrüne brachte viele neue Gerüche, frische Blumen, das Zwitschern der Vögel. Es gab viele Gründe, diese Zeit des Blattwechsels zu lieben und doch konnte Schmutzpfote bisher keinen Augenblick richtig genießen. Sie seufzte und blickte zum Lagereingang in dem in diesem Moment die Nachtpatrouille auftauchte. Im Halbdunkeln glühten die Augen von Eulensprenkel, Felsenkralle, Regentropfen und Schilfbrise auf, doch neben Müdigkeit lag da auch Besorgnis in ihren Blicken.
Davon beunruhigt lief Schmutzpfote ihrem Vater entgegen.
"Ist was passiert?", fragte sie den grau-weiß gefleckten Kater.
"Warum bist du so früh denn schon auf?", gab Regentropfen zunächst zurück und sah Felsenkralle hinterher, der ohne Umwege zu Ameisensterns Bau lief. "Wir haben einen verdächtigen Geruch entdeckt. An unserer Grenze zum clanlosen Gebiet. Es wirkt, als ob jemand dort entlanggegangen ist und immer wieder in unser Territorium eingedrungen ist." Seine warmen, blauen Augen blitzten sorgenvoll auf und sein Blick wanderte zur Kinderstube.
Schmutzpfote folgte seinem Blick und als sie realisierte, was er meinte, blieb ihr fast das Herz stehen.
"Du meinst...Champion schleicht an unseren Grenzen herum?!" Unwillkürlich stellte sich ihr Nackenfell auf. Es würde nicht mehr so lange dauern, bis Muschelklang ihren Wurf auf die Welt bringen würde.
"Er tut was?!"
Erschrocken wirbelten Schmutzpfote und Regentropfen herum und fanden sich Auge in Auge mit einer bestürzt dreinschauenden Muschelklang wieder.
"Nein...Nein, das darf nicht sein! Er darf nicht hierherkommen! Er darf das nicht!", stotterte die graue Königin und ließ die Maus fallen, die sie sich offenbar vom Frischbeutehaufen genommen hatte. "Er darf das nicht..."
Schmutzpfote verlor keine Zeit und eilte zu ihr.
"Ist schon gut, Muschelklang. Er kommt nicht hierher. Versprochen", bekräftigte sie und tätschelte ihrer Mentorin die gewölbte Flanke. "Deine Junge sind in Sicherheit."
Die flauschige, graue Kätzin sank in sich zusammen.
"Nein! Er wird sie mir wegnehmen!", schluchzte sie.
"Nein, das wird er nicht", mischte sich nun auch Regentropfen ein. "Champion kommt nicht an uns vorbei. Wir beschützen dich. Und deine Jungen. Euch wird nichts zustoßen, solange auch nur eine Katze aus dem SumpfClan noch atmet. Komm. Du solltest zurück in die Kinderstube gehen. Wir regeln das schon."
Muschelklang zitterte bei jedem Schritt auf dem Weg zurück zu ihrem Nest und starrte danach mit leeren Augen vor sich hin.
"Was ist mit ihr?", flüsterte Leopardenschweif vom Rand der Kinderstube, wo sie sich ein extrageräumiges Nest gebaut hatte, da Ottersee ihr einen großen Wurf vorhergesagt hatte.
"Wir vermuten, dass sich Champion an der Grenze aufhält. Wir haben ihn nicht gesehen, aber gerochen. Er war auch innerhalb der Geruchslinien", antwortete Regentropfen.
Sofort fuhr Leopardenschweif die Krallen aus und grub sie in den Rand ihres Riesennestes.
"Ich schwöre, wenn dieses Fuchsherz ihr oder den Jungen etwas antut...arghh...dann zerfetze ich ihn zu Mäusefutter", knurrte die gescheckte Kätzin und bleckte die Zähne.
"Das sehen wir auch so", bestätigte Schmutzpfote und warf einen besorgten Blick zu ihrer Mentorin, die alle Anwesenden ignorierte und ins Leere starrte. "Aber wir müssen ihn trotzdem loswerden. Bevor irgendwas passiert."
"Ich denke, wir sollten eine Patrouille zusammenstellen und ihn suchen", schlug Regentropfen vor. "Wir müssen diesen Kerl gehörig einschüchtern. Er unterschätzt uns, das ist gut für uns."
"Die Idee finde ich gut. Darf ich mit?", fragte Schmutzpfote, doch bevor ihr Vater etwas erwidern konnte, schaffte Muschelklang es aus ihrer Trance heraus.
"Das geht nicht, du musst dich ausruhen, Schmutzpfote."
"Ausruhen? Wofür?"
"Die Mentoren deiner Schwestern halten eine Beurteilung ab, in einem Viertelmond und ich habe gesagt, dass du auch soweit bist. Du musst dich von den Wettbewerben erholen, damit du fit bist."
Schmutzpfote blieb leicht der Mund offen stehen.
Ich bin soweit? Aber doch nicht so weit wie Himmelspfote und Schwanenpfote!
"Eine...Beurteilung? Für...Für die Kriegerprüfung?", stammelte sie und fühlte, wie ihre Worte schwankten.
"Natürlich, für was sonst?", gab Muschelklang zurück. "Du hat hart trainiert. Du verdienst es, mit deinen Wurfgefährten gemeinsam ernannt zu werden. Vorausgesetzt du bestehst, natürlich, aber das wird kein Problem sein."
"Das ist wundervoll, Schmutzpfote!", gratulierte ihr Regentropfen und stupste ihr liebevoll in die Seite.
Wirklich? Ich kann die Kriegerprüfung mit Himmelspfote machen?
Schmutzpfote musste die Tränen zurückdrängen. Die ganze Zeit seit ihrer Verletzung war sie davon ausgegangen, dass sie ihren Schwestern um mindestens einen Mond hinterherhinken würde aber jetzt...
"Danke, Muschelklang", brachte sie hervor und drückte die Nase dankbar gegen die weiche Wange ihrer Mentorin.
"Du hast es dir erarbeitet", flüsterte die Kätzin zurück.
Die Tigerkätzin schnurrte, als von hinten plötzlich ein erstickter Laut erklang.
"Ich unterbreche ja nur ungern....aber...könnte jemand Ottersee wecken?" Leopardenschweif war in ihrem Nest auf die Seite gesunken und atmete schwer. "Ich...Ich habe Bauchschmerzen."
"Ich hole sie!", bot Regentropfen sofort an und lief aus dem halbdunklen Bau.
"Soll ich Eulensprenkel holen?", fragte Schmutzpfote die hochträchtige Kätzin, deren geschwollener Bauch sich heftig hob und senkte.
"Ja, bitte!", ächzte die gefleckte Königin und sog gleich darauf heftig die Luft ein.
Die Schülerin drehte um und schlüpfte durch die Ranken zurück auf die Lagerlichtung. Während sie zum Kriegerbau stürmte, fühlte sie auf einmal wieder die Erschöpfung. Alles stürzte so schnell auf sie ein, alles passierte auf einmal und es war einfach zu viel. Ihre Beine fühlten sich an, als würden sie aus Grashalmen bestehen und nachdem sie Eulensprenkel informiert hatte und er sie stehen ließ, fing die Welt an, sich leicht zu drehen.
"Was ist denn los?", wollte Libellenflügel wissen, der sich, von Schmutzpfote geweckt, schläfrig aus seinem Nest wand.
"Leopardenschweif hat Schmerzen. Vielleicht kommen die Jungen", gab die Tigerkätzin knapp zurück, sie fühlte, wie ihre Brust immer enger wurde und ihr die Luft abschnitt.
"Wurde aber auch Zeit, sie sieht aus, als würde sie gleich platzen", kommentierte der gefleckte Kater und streckte sich ausgiebig, als er sie ansah und besorgt die Augen zusammenkniff. "Du siehst aber auch nicht allzu gut aus, Schmutzpfote. Ist alles in Ordnung?"
"Ich...ja...es geht schon...es ist nur...", murmelte Schmutzpfote, die Worte verschmolzen in ihrer Kehle zu einem unzusammenhängenden Gebrabbel, als der Schwindel auf einmal Überhand nahm.
"Du kippst ja gleich um!", japste Libellenflügel und schaffte es gerade noch, Schmutzpfote aufzufangen, bevor sie mit dem Kopf auf den Boden aufschlagen konnte, als sie umfiel.
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