34. Kapitel
Es war bereits Abend, als Schmutzpfote endlich Ruhe in ihrem Nest finden konnte. Nachdem sie einige Bewunderung für das Kaninchen eingeheimst hatte, und die Geschichte mindestens drei Mal erzählt hatte, hatte Sonnenstrahl sie noch mit auf Patrouille genommen, damit sie sich doe Grenze zum SeeClan besser einprägen konnte. Sie hatten auch versucht, im angestiegenen See zu fischen, denn theoretisch gehörte alles auf ihrer Seite der Grenze zum SumpfClan, auch wenn die Geruchsmarkierungen unter Wasser waren. Der Fischfang war zwar ziemlich lächerlich ausgefallen, aber es hatte trotzdem Spaß gemacht, es auszuprobieren.
Schließlich, als die Sonne untergring, und Schmutzpfote in ihr warmes Nest gekrochen war, musste sie an die Worte im Kaninchenbau zurückdenken.
Du suchst am falschen Ort, kleine Schülerin.
Was sollte das bedeuten? Und wer hatte da gesprochen? Woher sollte sie wissen, ob es der SternenClan war, der ihr helfen wollte, oder Schneeschweif, der sie von ihrer Spur abbringen wollte?
Es war zum Verzweifeln mit diesen Prophezeiungen! Wieso konnte der SternenClan keine klaren Anweisungen geben, so half das doch wirklich niemandem. Genauso gut konnten sie gar nichts sagen.
Also, wenn der SternenClan mit mir gesprochen hat, was meint er dann mit "am falschen Ort"? Sonnenstrahls Sohn vielleicht...ich wollte mit Farnsilber reden. Wollen die Ahnen mir sagen, dass ich mit ihm auf der falschen Spur bin? Aber was, wenn es Schneeschweif war, dann will er mich davon abhalten, Sonnenstrahls Geheimnis rauszubekommen, bedeutet, ich habe Recht mit Farnsilber und muss mit ihm reden.
Das brachte doch alles nichts. Sie würde so oder so mit Farnsilber reden müssen, nur um sicher zu gehen, dass Schneeschweif sie nicht hinters Licht führte. Und allein der Gedanke, einen beinahe fremden Kater einfach so anzusprechen, nachdem sie mondelang nicht ein Wort mit ihm gewechselt hatte, machte Schmutzpfote nervös.
Sie würde es einfach morgen tun. Oder übermorgen.
"Vergiss nicht, Schmutzpfote, dieses Mal duckst du dich schneller, und musst dann sofort wieder aufspringen, sonst wird das nichts."
Es war Schmutzpfotes erste Kampfstunde, seit sie ihren ersten Kampfmond abgeschlossen hatte, und schon jetzt taten ihre Muskeln weh. Sonnenstrahl forderte sie im Training immer wieder zu körperlichen Höchstleistungen heraus, aber so wie es aussah war das genau das, was sie gebraucht hatte um ihre Jagdprüfung zu bestehen. Nun begannen ihre Kampfmonde erst richtig und schon jetzt hatte Schmutzpfote Zweifel, dass sie für den Kampf geeignet war. Sie schafte es ja nicht einmal, ihre Angst, mit Farnsilber zu sprechen, zu konfrontieren, ganz zu schweigen von einer angriffslustigen Katze.
Es war schwer, sich zu konzentrieren, wenn man herumspringen, schlagen, ducken und sich wegrollte sollte, und da war noch nicht einmal mit eingerechnet, dass Sonnenstrahl sie bei jedem Versuch mit Leichtigkeit von den Pfoten fegte, nicht nur weil sie nicht so kräftig war, wie er, sondern auch, weil sie viel zu langsam war.
Schon zum vierten Mal machte sich Sonnenstrahl bereit, auf sie zu zurennen, um ihr endlich diesen Kampfzug beizubringen, der im Grunde, eigentlich sehr einfach war, wenn sie nicht so überfordert wäre und alles vergessen würde, sobald ihr Mentor lossprintete.
"Du kannst es, Schmutzpfote, mach dir nicht so viele Gedanken, ja?", ermutigte Sonnenstrahl sie. Es waren ein paar der in letzter Zeit gehäufteren netten Worte, die der orangefarbene Krieger ihr manchmal zumiaute, um sie aufzumuntern. Er war lockerer geworden, während sie trainiert hatten, hatte bessere Laune, obwohl Schmutzpfote nicht wusste, ob sie der Grund dafür war, oder etwas anderes. Es schien, als würde er ihr mehr vertrauen, je mehr sie sich anstrengte, was auch der einzige Grund war, warum sie so hart für ihre Jagdprüfung gearbeitet hatte.
Dieses Mal versaue ich es nicht!
Schmutzpfote behielt ihren Mentor im Auge, während dieser um sie herumschlich, damit sie nicht wusste, wann genau er angreifen würde. Doch in dem Moment, wo Sonnenstrahl seinen Sprint ansetzte, hörte Schmutzpfote hastige Schritte hinter sich und drehte sich um. Aus dem Gebüsch stolperte Leopardenschweif, gefolgt vom seit zwei Tagen ernannten Flügelstrom.
"Ihr sollt zurück ins Lager kommen, es gab einen Angriff auf die Grenzpatrouille nahe des Zweibeinerorts", miaute die gefleckte Kriegerin rasch.
"Ist jemand verletzt worden?", fragte Sonnenstrahl, der das Training sofort abgebrochen hatte, und sich neben Schmutzpfote stellte.
"Sie waren in der Überzahl. Ein halber Clan gegen fünf Katzen. Himbeerpfote und Fuchsblüte hat es schwer erwischt, der Rest wird es überleben. Kommt jetzt, wir müssen uns beeilen!"
Angst stieg in Schmutzpfotes Brust auf, kalt und kriechend. Wer hatte die Grenzpatrouille überfallen? Doch nicht etwa der SeeClan? Aber wieso sollten sie so etwas tun? Klar, die Blattleere war hart und behielt das Land in einem eisigen Griff, aber der SeeClan hatte in seinem Territorium genug Beute, selbst wenn sie wegen dem Eis auf dem See keinen Fisch fangen konnten.
Nervös folgte Schmutzpfote ihrem Mentor, als einer der erfahreneren Krieger würde er vermutlich mit Ameisenstern die nächsten Schritte besprechen müssen um gegen die Eindringliche vorzugehen, wer auch immer sie waren.
Im Lager herrschte sichtliche Unruhe, die Krieger berieten sich hektisch argumentierend mit Ameisenstern, während Ottersee auf der Lichtung Schwarzfrost und Schilfbrise behandelte, die von allen Seiten mit Fragen bestürmt wurden. Auch Schmutzpfote gesellte sich zu ihnen, als Sonnenstrahl sich zu Ameisenstern begab, Flügelstrom folgte ihr.
Noch bevor sie bei der Katzengruppe ankam, lief ihr Himmelspfote entgegen.
"Da bist du ja! Dem SternenClan sei Dank! Ich habe mir so Sorgen gemacht, dass sie euch auch erwischt haben", miaute die weiße Kätzin und schmiegte sich fest gegen Schmutzpfotes Schulter.
Beruhigend leckte die getigerte Kätzin ihr über die Stirn.
"Es ist alles gut, ich war nur beim Training, und Sonnenstrahl war bei mir. Aber was ist denn überhaupt passiert?", fragte die Schülerin besorgt. Himmelspfote öffnete den Mund um zu antworten, aber Schwarzfrost kam ihr zuvor.
"An die zehn Streuner haben uns in der Nähe des Zweibeinerorts überfallen. Sie fordern Territorium von uns, den ganzen Wiesenstreifen an der Grenze."
"Den ganzen? Aber das ist ein riesengroßes Stück von unserem Gebiet!", wandte Schwanenpfote empört ein, die sich mittlerweile in Flügelstroms Pelz geschmiegt hatte. Der rote Kater stimmte ihr mit einem stummen Nicken zu.
"Wir haben ja versucht, zu kämpfen, aber es sind zu viele gewesen. Sie haben uns einfach niedergewalzt."
Schilfbrise nickte, bevor sie kurz zusammenzuckte, als Ottersee einen grünen Saft in einen Kratzer an ihrer Schulter fließen ließ.
"Sie müssen wahnsinnig hungern, wenn sie hierherkommen und nicht einmal wirklich eine Grenze mit uns teilen. Der Zweibeinerort ist ein ganzes Stück entfernt von uns, dazwischen sind nur Donnerwege und loses Gras.", miaute die jüngste Kriegerin leise.
"Sie waren auch ziemlich ramponiert, vielleicht haben sie es beim SeeClan zuerst versucht und sind gescheitert", vermutete Schwarzfrost. "Sie haben auch Himbeerpfote angegriffen...sie hat gekämpft wie eine Löwin, auch ohne Ausbildung", fügte er leise hinzu, und Schmutzpfotes Herz zog sich schmerzhaft zusammen.
"Ist sie tot?" Die Frage kam ihr nur ganz schwer über die Lippen.
Ottersee schüttelte den Kopf.
"Nein, aber meine Kräuter reichen vielleicht nicht aus, um ihr über eine Entzündung hinweg zu helfen. Sollte sie eine Infektion bekommen, kann ich nichts mehr für sie tun, außer zu beten."
Schmutzpfote wusste nicht, ob sie erleichtert oder ängstlich sein sollte. Himbeerpfote lebte, aber wer wusste, wie lange noch?
"Kann ich kurz nach ihr sehen?", wollte sie dann wissen. Sie wusste, dass die Verletzten vermutlich Ruhe brauchten, aber sie wollte nur kurz nachsehen.
"Nur zu. Aber Rabenpfote passt bereits auf sie auf, und Ameisenstern wird euch alle bald für den Angriffstrupp zusammenstellen", antwortete die braune Kätzin und wickelte dann weiter Spinnweben um Schilfbrises Vorderbein, das einen großen Biss zeigte.
Schmutzpfote beeilte sich, zum Heilerbau zu kommen. Wenn Himbeerpfote starb würde der Clan eine großartigem zukünftige Kriegerin verlieren...und sie selbst eine Freundin.
Vorsichtig linste sie in den Eingang des Heilerbaus und sah, wie Rabenpfote besorgt über seine Schwester wachte. Der schwarze Kater saß, dicht über sie gebeugt neben ihr und leckte ihr das Fell, das blutverschmiert war. Doch dann blickte er auf und sah Schmutzpfote direkt an.
"Ach du bist es nur", murmelte der Heilerschüler und bat sie, wenn auch etwas unbegeistert, mit einem Kopfnicken herein.
Schmutzpfote trat in die duftende Höhle ein und blickte besorgt auf Himbeerpfote herab. Die rot getigerte Kätzin war von Krallenwunden zerfurcht, eines ihrer Ohren wurde nur noch von einem Spinnwebenverband aufrecht gehalten und ihr linkes Auge wurde von grauenhaft tiefen Klauenschnitten gekreuzt. Ein wenig konnte Schmutzpfote das Grün ihrer Augen durch die erschöpft geschlossenen Lider erkennen, aber Himbeerpfote rührte sich nicht.
"Wenn ich den in die Krallen kriege, der ihr das angetan hat", donnerte Rabenpfote und zerfetzte das Nestmaterial unter seinen Pfoten. "Ich werde ihn zu den Sternen schicken. Oder wo auch immer Krähenfraßfressen hinkommen, wenn sie verrecken!"
"Am besten hilfst du deinem Clan, indem du seine Wunden heilst, Rabenpfote. Du bist schließlich nicht umsonst Heilerschüler", gab Schmutzpfote zu bedenken, doch zuckte gleich unter Rabenpfotes stechend gelbem Blick zusammen. Er hatte die Lefzen angehoben und bleckte die Zähne.
"Ich brauche deine schlauen Sprüche nicht, verstanden? Verschwinde aus meinem Bau", fauchte der Kater gereizt und trat immer mehr auf sie zu, bis er Schmutzpfote aus dem Heilerbau rausgedrängt hatte.
Schmutzpfote schluckte, aber sie verstand, warum er so wütend war. Er sah seine Schwester und Mutter leiden, und konnte nichts tun, außer zu hoffen, dass die Kräuter Wirkung zeigten. Er hatte Recht. Himbeerpfotes Zustand musste gerächt werden. Aber Schmutzpfote hatte Angst, dass sie unter den Rächern sein würde.
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