Schlitzauges Hass Teil 1
Aingeal erwachte von lautem Gebell und Gekläffe. Um ihn herum fauchte und jaulte es. Der kleine, sandfarbene Kater mit dem keltischen Vornamen sah sich erschrocken um. Er blinzelte müde, doch die Bilder vor seinen Augen verschwanden nicht: Hunde waren in die Scheune gekommen, in der er, seine Schwester Edana und Shay und ihre Mutter Muriel lebten.
Aingeal bedeutete "Der Engel", so hatte Muriel es ihm erklärt. Ihr Name bedeutete "das glänzende Meer" und die Namen seiner Schwestern lauteten "die kleine Feurige" und "die Unerschrockene". Seine Mutter stammte von einer Hauskatze ab und hatte diese Tradition weitergeführt. Shay war Edanas Name und seiner zu lang gewesen, deshalb nannte sie Edana Ena und ihn einfach Ain. Nur Muriel bestand darauf, sie weiterhin bei ihrem vollen Namen zu nennen, "damit ihr sie nicht vergesst!"
Nun sah sich der junge Kater erschrocken um. Es waren fünf Hunde, viel zu viele. Gerade, als er Muriels dunkelbraunes Fell in der Dunkelheit ausmachte und zu ihr laufen wollte, packte einer der Hunde seine Mutter am Genick. Sie wehrte sich und kratzte, doch der Hund biss zu.
Ain würde das Knirschen nie vergessen, das folgte. Seine Mutter sank in sich zusammen. Blut strömte über ihren schlaffen Körper. Der Hund ließ sie los und schnüffelte. Ain rannte zu der Kätzin. "Mama!" weinend drückte er seinen kleinen Körper an ihren. Sie wurde langsam kalt, er spürte es genau.
"Ain, komm da weg!" Ain hörte seine Schwester nicht. Muriel war das einzige, was zählte. Plötzlich knallte ein Schuss. Der Bauer war hereingekommen und schimpfte vor sich hin. In der Hand hielt er ein Gewehr und schoss damit in die Luft. "Dumme Viecher! Ich knall' euch ab!" Katzen und Hunde machten, dass sie davonkamen. Ain wurde von einem Hund beinahe plattgetrampelt. Schnell huschte er hinaus und atmete ztternd die kühle Nachtluft ein.
Der Bauer stapfte an ihm vorbei und verschwand wieder im Wohnhaus. Ain huschte in die stockdunkle Scheune zurück und suchte den Leichnahm seiner Mutter. Es dauerte eine Weile, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und er sie fand. Er packte ihr kaltes Fell und schleifte sie hinaus, um sie unter ihrem Lieblingsbaum, dem uralten Apfelbaum, in dem sie alle schon oft gesessen hatten, zu verscharren. Oh, wie viele Geschichten er bereits über diesen Baum gehört hatte!
Als sein Werk getan war, machte er sich auf die Suche nach seinen großen Schwestern.
Viele Stunden irrte er hilflos umher, bis sich am Horizont ein dünner Silberstreifen zeigte. Schnell färbte er sich orange und dann ging die Sonne farbenfroh auf. Geblendet beobachtete Ain das Schauspiel und bemerkte, dass er sich auf einer Brücke befand. Nicht weit von ihm standen vier Menschen, Jugendliche, allesamt Jungs. Sie rochen nach kaltem Rauch und hingen an diesen komischen Steinen, die Ain schon öfter gesehen hatte. Sie waren glatt, flach und auf ihrer Oberseite flimmerte es manchmal.
Einer der Jungen bemerkte den kleinen sandfarbenen Kater. "He, schaut mal, wenn ich gefunden habe!" grölte er und hob Ain unsanft am Nackenfell hoch, bis er direkt in sein Gesicht sah. Sein Mundgeruch löste in dem Kätzchen einen Würgereiz aus und er zappelte.
"Ach, lass doch das Scheißvieh." grummelte einer der anderen, ohne den Blick von seinem Stein zu lösen. "Werf's halt in den Fluss, sin' ja eh eine Plage hier."
"Aber vorher quälen wir's noch ein bisschen." Der, der Ain festhielt, lachte dreckig. "He, Karlo, gib' mir mal dieses Ding!"
Einer der Jungen erhob sich und holte aus einer Tasche einen langen Stab. Vorne war eine Platte dran, unter die er nun ein längliches Kästchen hielt. Eine Flamme zuckte hervor und wand sich um die Platte. Dann reichte er es dem anderen weiter. Ain bemerkte, dass sie das Ding nur an dem Griff festhielten, der sich am Ende der Stange befand.
Der Junge hob Ain noch höher und hielt ihm die Platte vor sein Gesicht. "Na, Kätzchen, schon Angst?" Ain zappelte und versuchte, freizukommen. Die Platte verströmte Hitze. Ain wandte den Kopf zur Seite, doch der Junge hielt ihn fest und zwang ihn, der Platte entgegenzusehen. Er kratzte den Jungen, woraufhin der fluchte und die Platte noch näherkam. Dann berührte sie sein Fell.
Ain schrie und jaulte. Es stank nach verbranntem Fell und Hitze loderte auf. Er zappelte wild. Alles versank in blutroter Dunkelheit. Dann flammte neuer Schmerz in seiner Flanke auf. Der Junge hatte ihm einen tiefen Schnitt mit seinem dreckigen Taschenmesser verpasst. Ain heulte auf und schrie verzweifelt nach seiner Mutter. Die Jungen lachten.
"So, werf das Ding in den Fluss!" grölte einer und die anderen stimmten lachend zu. Der, der Ain immer noch fest am Nackenfell gepackt hielt, ließ ihn los.
Der kleine Kater spürte kühlen Wind an seinem Fell, dann krachte er auf die harte Wasseroberfläche und versank in der schwarzen Strömung. Ain strampelte wild und versuchte, nach oben zu kommen. Das Wasser brannte auf seinen Wunden und eine Wolke aus Blut breitete sich im dunklem Wasser aus.
Plötzlich wich das Brennen einer angenehmen Kühle. Erschöpft ließ Ain die Pfoten sinken und öffnete das Mäulchen. Wasser strömte in seine Lungen. Der kleine Kater erschlaffte. Die Strömung riss ihn mit sich fort in die Dunkelheit.
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