KAPITEL 22
NEBENEINANDER IHRE Frischbeute verspeisend, schwiegen beide Katzen in der Gesellschaft des jeweils anderen. Wüstensturm musterte den großen Kater. Irgendwie kam es ihr seltsam vor, dass sie sich so gut verstanden, dass sie so gut harmonierten. Irgendwie fehlte sie Spannung, die früher stets zwischen ihnen lag. Diese freundschaftliche Feindseligkeit war weg... Doch war das etwas Schlechtes? Sie wusste es nicht. Was waren sie beide eigentlich? Das wusste sie natürlich auch nicht. Es gibt auch Wichtigeres, über das ich nachdenken sollte, murmelte sie sarkastisch im Geiste, schließlich ist es ja nicht so als wäre ich nicht eine wandelnde Leiche auf vier Pfoten. Also verwarf sie ihre Gedanken über Jaguarkralle. Falls sie überlebte – ehm, nicht falls!, schließlich hatte sie geschworen zu überleben (Aber ein bisschen Pessimismus hatte noch nie jemandem geschadet) – war ja noch genug Zeit, um ihre Beziehung zu erörtern.
„Meinst du nicht, wir sollten langsam mal dieses verdammte Kraut finden?", meinte Jaguarkralle mürrisch. „Ach ne, was meinst du denn, wonach ich schon die ganze Zeit Ausschau halte?", erwiderte die Kätzin zynisch, „Glaubst du etwa ich habe vergessen, warum wir hier sind?" „He, woher denn die Würze?", Jaguarkralle zuckte ob ihrer Bissigkeit erstaunt vor ihr zurück, „Das war jetzt nicht als Beleidigung gemeint." „Jaaaa, ich weiß.", frustriert strich sich Wüstensturm mit einer Pfote über die Ohren. Ihre Gedankengänge von vorhin hatten sie irgendwie mürrisch gemacht. Was war denn nur hier los?
Es raschelte, als sich der Krieger erhob und sich näher zu ihr setzte. Er stupste sie freundschaftlich mit einer pechschwarzen Pfote an. „Ich denke, dass wir es bis zum Ende des nächsten Tages in höhere Gebirgslagen schaffen, da werden wir sicher so ein Kraut finden.", er hielt einen Moment inne, bevor er in leiserem Ton fortfuhr, „Dann wirst du sicherlich...", er konnte seinen Satz nicht vollenden. „...Nicht verrecken?", Wüstensturm war noch immer in Streitlaune. „Maaaaannn! Was hast du denn gefrühstückt?", entnervt schüttelte Jaguarkralle seinen Kopf, „Irgendwie bist du heute genauso kratzbürstig wie am Anfang als ich dich kennengelernt habe." „Vielleicht ist das ja meine wundervolle Persönlichkeit?", gab die Kätzin trocken zurück. „Haha.", machte er im gleichen Tonfall.
„Auf, auf! Gehen wir, bevor wir noch mehr Zeit vertrödeln.", Wüstenpfote sprang auf die Pfoten, kippte um und rappelte sich fluchend wieder auf. „Alles in Ordnung?", erschrocken war Jaguarkralle sofort an ihre Seite gespurtet und hatte seine Pfote ausgestreckt um sie zu stützen. Doch sie fauchte ihn an: „Lass mich! Ist doch klar, dass mein Körper Mäusedung ist. Wenn wir das Kraut nicht finden und noch länger trödeln, kann ich mich auch gleich im See ertränken.", sie schnaubte, „Kommt doch auf's Gleiche drauf raus." Jaguarkralle verdrehte die Augen: „Toooll machst du das Wüstenpfote", ein sarkastisches Zungenschnalzen, „Ganz prima. Genau, was wir brauchen, um Hoffnung aufzubauen." „Halt einfach die Klappe.", Sie drehte sich um und humpelte davon. Noch waren alle Muskeln eingerostet. Sie wusste, dass sich ihr Zustand mit etwas Bewegung zunächst verbessern würde, jedoch mit zunehmender Tageszeit wieder rapide verschlechterte.
Gegen Tagesende verließ auch Jaguarkralle die letzte Hoffnung. Inzwischen hatte er genauso schlechte Laune wie seine ehemalige Schülerin. Diese hatte sich geweigert, sich von ihm tragen zu lassen und so waren sie nur schleppend vorangekommen. Darüber hinaus hatte die Sonnenhitze ihre Kräfte noch mehr ausgezehrt. Inzwischen konnte die sandfarbene Kätzen nur noch kleine, schleifende Schritte machen. Sie wirkte, als würde sie jeden Moment tot umkippen. Auch seine Ausdauer war – besonders nach den Anstrengungen der letzten Tage – äußerst strapaziert. Sein Maul fühlte sich so staubtrocken an wie der Boden der Trainingskuhle. Seit der Rast im Tal hatten sie keinen weiteren Bachlauf mehr gefunden und das Territorium in dem sie sich befanden wurde immer steiniger und steiler. Die Baumgrenze hatten sie schon lange hinter sich gelassen. Die Sonne brannte mit unbarmherziger Macht auf sie herab und kein Baum weit und breit unter dem sie der Strahlung entkommen konnten. Seine Begleiterin stapfte mit hängendem Kopf und Schwanz voran. Sie rutschte auf einem losen Geröll ab, fing sich taumelnd und stakste weiter. Er biss die Kiefer aufeinander. Wie gerne würde er sie jetzt auf seine Schultern nehmen, doch Jaguarkralle wusste genau, dass Wüstenpfote ihn in dieser miesen Stimmung eher umbrachte, als sich von ihm tragen zu lassen. Also beließ er es dabei. Jaguarkralle sah ihre Erschöpfung, er konnte ihren Schmerz beinahe körperlich spüren, und er fragte sich, wie lange sie noch so durchhalten würde.
Die beiden Katzen hatten beinahe einen Bergkamm erreicht, hinter welchem die Sonne in eben diesem Augenblick in ihrer feuerroten Pracht versank. Der obere Rand ragte so hervor, dass es wie ein Schild war, das das Dahinterliegende Gelände vor ihnen verbarg. Die Katzen kletterten ein Stück höher und setzten ihren mühsamen Weg fort. Als sie die Spitze des Kamms erreicht hatten, hielten sie einen Augenblick inne, um dem Anblick der sich ihnen bot – eine majestätische Aussicht auf ein sich erstreckendes Gebirgsland voller scharfer Zacken und Kanten – zu würdigen.
Sie folgten dem Bergkamm. An beiden Seiten ging es steil nach unten. Ein falscher Schritt und sie würden in den sicheren Tod stürzen. Nachdem die Sonne nun untergegangen war wirkten die sie umgebenden Hänge schwarz und bedrohlich. Der in der Dämmerung heraufgezogene Nebel umhüllte die Füße der Berge und so war es als würden die Katzen einen gefährlichen Drahtseilakt über den Wolken durchführen. Jaguarkralle sprang ab und setzte zu einem nächstgelegenen Felsbrocken über. Wüstensturm stand noch auf der anderen Seite. Er konnte nicht mit ihr springen. Er wusste, dass er sie mit sich in den Tod reißen würde. Er hatte nicht die Kraft mit dem Gewicht von zwei Katzen diese Distanz zu überwinden. Wüstensturms Beine zitterten. Die Schwäche troff ihr aus allen Poren. Er betete von Herzen, dass sie es – Im Namen des SternenClans! – schaffen möge.
„Komm schon, es ist gar nicht so weit.", versuchte er ihr etwas Mut zu machen. Innerlich biss er die Zähne zusammen. Alles in ihm sträubte sich dagegen ihr nicht helfen zu können. Oh wie gerne er sie einfach packen wollte und auf die andere Seite bringen. Doch sein Instinkt riet ihm das nicht zu tun. Er kannte seine körperlichen Grenzen. Sie Herz schlug ihm bis zum Hals, als sich ihre Blicke begegneten. Seit heute morgen hatten sie kein Wort mehr gewechselt. Wüstensturm war in mörderischer Stimmung und die Harmonie die zwischen ihnen seit seinem ehrlichen Geständnis geherrscht hatte, war wie fortgeblasen. Um ehrlich zu sein, kam es ihm nun viel natürlicher zwischen ihnen vor. So war es einfach normal. Sie stritten. Sie konnten sich nicht leiden. Das war einfach normal. Das war Jaguarkralle und Wüstenpfote. Es hatte sich – so schön es auch war – nicht richtig angefühlt, als sie zwei so freundlich miteinander waren. Wüstensturm war viel zu zahm. Jaguarkralle war sich im Klaren, dass er mehr als Freundschaft für diese wundervolle Kätzin verspürte, doch er mochte diese bissige Wüstensturm lieber als die viel zu liebe Version ihrer selbst. Das war doch nicht sie. Irgendwie war es ihm erschienen, als hätte sie ihr Feuer verloren. Doch nun – was auch immer es ausgelöst hatte – war diese Flamme wieder entbrannt. Und sie loderte nun in ihren entschlossenen gelb-grünen Augen. Ja. Das war es, was er an ihr mochte: diese verbissene, beinahe zornige Entschlossenheit. Dieses Feuer, das nach allem und jedem schlug und wer nicht stark oder schnell genug war, wurde von ihm verschlungen und niedergebrannt.
„Ich werde dich fangen, falls du abrutschen solltet.", miaute er ermunternd. „Das weiß ich, du Mäausehirn!", fauchte sie wütend zurück. Ein leichtes Grinsen schlich sich über seine Züge. Ja! Das, genau das war seine Wüstensturm. „Dann spring doch endlich, du Feigling!", stichelte er feixend. Das Blut gefror ihm in den Adern, als sie tatsächlich sprang
und verfehlte.
Jaguarkralle machte einen gewaltigen Satz nach vorne und grub seine Zähne in ihr Nackenfell. Die Kätzin fluchte, als sie sich mit Zähnen und Krallen die letzte Schwanzlänge hochhangelte, bis der Krieger sie über den Felsvorsprung ziehen konnte. Als sie sicher saß, verpasste sie ihm eine: „Ey du Arsch, hättest du mir nicht sagen können, dass das doch so weit war." „Du hast es doch geschafft." „Ich wäre fast vorzeitig draufgegangen du Matschbirne." „Klappe halten und weiter gehen.", meinte er nur nüchtern, als er schon wieder den Weg aufgenommen hatte. Wüstensturm hinter ihm ließ sich immer weitere kreative Beschimpfungen einfallen, als sie fluchend hinter ihm her humpelte. Ja, diese Wüstensturm mochte er schon sehr viel lieber als dieses ‚liebe Kätzchen', das sie die letzten Tage gewesen war. Es war, als hätte sie sich ob seines Geständnisses verpflichtet gefühlt, nett zu ihm zu sein. Das war jedoch jetzt Vergangenheit. Laut Prophezeiung blieb ihr noch ein Tag und die wahre Wüstensturm ließ sich nicht länger von ihrer netten Version versteckt halten. Im Angesicht ihres Endes kam ihre wahre Persönlichkeit wieder zum Vorschein und genau diese mochte er. Mehr als mögen....aber das konnte er noch nicht ausdenken.
Joooooooo! Nach technischen Problemen das neue Kapitel erst heute. Aber well, da kann man leider nix machen. Wie gehabt: Es wird spannend! Die nächsten Kapitel haben es echt in sich, schließlich geht's aufs Finale dieses Buches zu.
Zu diesem Kapitel: ganz ehrlich gefällt mir, dass ich Wüstenpfote wieder bissiger habe werden lassen, diese Nettigkeit passt einfach nicht zu ihr. Was sagt ihr? Die Beziehung zu Jaguarkralle oder was auch immer das ist, werde ich ausbauen, aber mir hat der Zug einfach nicht gefallen, den diese in den letzten kapiteln genommen hat. Kitschig und einfach zu nett. Da muss mehr Feuer her! Was sagt ihr? Keine Sorge, ich lasse mir schon was einfallen um das zwischen den Beiden noch etwas flammender zu schreiben. (Bei nicen Ideen immer her damit, ich kann Inspiration immer gut gebrauchen :3 ) Wie hat auch das Kapitel sonst so gefallen? Ich finde ich habe gerade eine gute Grundlage geschaffen, auf deren Basis ich ein echt cooles Finale dieses Buches schreiben kann. :)
Vielen Dank fürs Lesen!
Eure Diana Jane
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