3. Kapitel
S C H A T T E N P F O T E
"Federstern! Die Erde bebt!"
Diese Worte rissen Schattenpfote abrupt aus dem Schlaf. Draußen im Lager ertönte aufgeregtes Fauchen, bis Federstern laut, aber ruhig verkündete:"Beruhigt euch! Was ist passiert, Blütenfrost?"
Die ungewöhnlich gemusterte Kätzin keuchte panisch :"Ich war mit... Rauchhimmel, Nachtfeuer und Sturmläufer... an der... SturmClan-Grenze. Und... dann ist die Erde... aufgebrochen... einfach so!"
Schattenpfote schob sich aus seinem Nest und zwischen den Schilfstängeln des Schülerbaus hindurch ins Lager, wo erregtes Miauen zu hören war.
"Wie konnte das passieren?"
"Wurden Katzen verletzt?"
Durch das aufgewühlte Katzengemenge suchte er nach seinem Mentor Efeubrand. Der rot-weiße Kater diskutierte unruhig mit Nebelblick, dem zweiten Anführer des NebelClans.
Schattenpfote wurde immer unbehaglicher zumute. Wenn selbst Efeubrand aus der Ruhe gebracht wurde, musste dieses Erdbeben wirklich heftig sein.
Er wollte unbedingt herausfinden, ob Katzen verletzt worden waren und ob er ihnen helfen konnte, aber erstens wollte er die beiden Krieger nicht unterbrechen und zweitens war er erst vor wenigen Sonnenaufgängen zum Schüler ernannt worden.
Er beschloss, seine Wurfgefährten Eulenpfote und Kleepfote zu finden. Die beiden kauerten am Rande des Lagers und teilten sich eine Kröte. Schattenpfote tappte zu ihnen und setzte sich.
"Schattenpfote! Hast du das mitbekommen? Die Erde hat gezittert!", quietschte Eulenpfote, während Kleepfote mit angstvoll gesträubtem Pelz und piepsender Stimme miaute:"Was, wenn das Erdbeben auch auf unser Territorium übergreift?"
"Das wird es schon nicht, Froschhirn!", neckte Eulenpfote seine Schwester.
Doch Schattenpfote teilte die Bedenken der hellbraun getigerten Kätzin. Was genau war eigentlich geschehen? Er wollte es gar nicht so genau wissen.
"Schattenpfote? Wir gehen jagen beim Froschtümpel!"
Bei Efeubrands Ruf sackte Schattenpfote förmlich in sich zusammen. Jagen. Er war schon als Junges schlecht in Jagdspielen gewesen, wie sollte das dann erst werden, wenn er Schüler war und echte Beute jagen musste?
Er würde es wohl oder übel herausfinden. Efeubrand wartete bereits am Lagereingang auf seinen Schüler, der langsam angetrottet kam.
"Besonders motiviert siehst du aber nicht aus, Schattenpfote. Freu dich doch, heute kannst du zum ersten Mal echte Beute jagen, nicht nur Blätter!", miaute sein Mentor dem dunkelgrauen Schüler aufmunternd zu, während sie den -glücklicherweise ziemlich kurzen- Weg zum Froschtümpel einschlugen.
"Pass auf, wo du hintrittst", warnte der rot-weiße Kater. "An einigen Stellen kannst du einsinken.
Schattenpfote nickte nur und blickte auf seine Pfoten, bis vor ihm das Ufer des stinkenden Tümpels auftauchte. Angewidert rümpfte der junge Kater beim Gestank, der vom Gewässer vor ihm aufstieg, die Nase.
"Schattenpfote! Stell dich nicht so an. Schau, dort hinten ist eine Kröte", mahnte Efeubrand. Schattenpfote zwang sich zur Konzentration und folgte dem Blick seines Mentors zu einem Schilfhalm am Rand des Tümpels, etwa drei oder vier Fuchslängen entfernt.
Dort hockte die Kröte, nicht besonders hübsch mit ihrer warzigen Haut. Schattenpfote duckte sich und schlängelt sich durch die Schilfstängel, während Efeubrand sich deutlich geschickter von der anderen Seite anpirschte.
Schließlich war der junge Kater nah genug an seiner Beute, wollte springen, doch seine Hinterpfote rutschte unter einem feuchten Schilfstängel weg, sodass er bäuchlings auf dem Sumpfboden landete.
Die Kröte schreckte auf und sprang davon. Enttäuscht, aber auch erleichtert blickte er ihr nach. Irgendetwas hielt ihn davon ab, sie zu töten.
Plötzlich ertönte ein"Schattenpfote! Pass auf!" aus Efeubrands Richtung. Er hatte die Beute zurück zu seinem Schüler getrieben. Diesmal ließ er sich die Chance nicht entgehen und stürzte sich auf die Kröte.
Er wollte ihr gerade den Todesbiss versetzen, da zögerte er. Auch er hätte diese Kröte sein können. Hätte er es da als gerechtfertigt empfunden, umgebracht zu werden, damit sich sein Mörder den Bauch vollschlagen konnte?
Nein, bestimmt nicht. Er hatte nicht das Recht, dieses Leben zu zerstören, um satt zu werden. Er konnte dieses unschuldige Wesen nicht ermorden.
Der junge dunkelgraue Kater lockerte seinen Griff und ließ die Beute entkommen. Erst nach einigen Herzschlägen riss ihn ein wütendes Miauen aus seinen Gedanken.
"Heiliger SternenClan! Was war das denn? Du hattest die Kröte doch!", fauchte Efeubrand seinen Schüler an.
"Ich... h-hatte Mitleid mit i-ihr", stotterte dieser niedergeschlagen.
"Mitleid", knurrte der Krieger verächtlich,"mit Beute? Von Luft und Liebe wird der Clan auch nicht satt! Werde erwachsen, Schattenpfote, oder du wirst nie ein Krieger sein können."
Diese Worte versetzten Schattenpfote einen Stich. Efeubrand hatte ja recht, aber er wollte kein Mörder sein!
"Komm, wir gehen zurück ins Lager. Es kommt häufiger vor, dass Schüler in den ersten Sonnenaufgängen keine Beute fangen, aber dass sie Mitleid haben und die Beute deswegen entkommen lassen, das habe ich noch nie gehört."
Auf die Worte seinen Mentors hin setzte sich Schattenpfote unglücklich in Bewegung. Er wollte schnell zurück ins Lager, in die Geborgenheit bei seiner Familie in der Kinderstube.
Nach gefühlten Blattwechseln trottete er in das Lager und blickte sich nach seinen Wurfgefährten und seiner Mutter
Sonnenglanz um, doch sie schienen wie vom Erdboden verschluckt.
Niedergeschlagen tappte er am Frischbeutehaufen vorbei, er hatte keinen Appetit und es kam ihm auch nicht richtig vor, Tiere zu fressen, die von anderen ermordet wurden.
Hinter ihm ertönte ein besorgtes Miauen.
"Was hast du denn, Schattenpfote?"
Er fuhr herum und blickte in die hellgrünen Augen von Honigwolke, der Heilerin des NebelClans, die ihn freundlich musterte.
"Es ist... ich habe eine Jagd vermasselt", miaute er kleinlaut.
"Aber das passiert doch jedem mal, selbst Kriegern, und du bist doch gerade erst Schüler geworden!", versuchte die rot-weiße Kätzin, ihn aufzumuntern.
"Das war was anderes", widersprach der dunkelgraue Kater. "Ich hatte diese Kröte schon, aber dann habe ich Mitleid bekommen und sie entkommen lassen. Ich wollte sie nicht töten, verstehst du? Ich will kein Mörder sein, egal, wen ich töte."
"Oh Schattenpfote! Ich verstehe, was du meinst, aber diese Kröte wäre nicht grundlos gestorben, sondern, um uns zu ernähren. Wenn du Mitleid hast, ist das nichts schlechtes, im Gegenteil, es beweist, dass du ein großes Herz hast."
Bei Honigwolkes Worten blickte er überrascht auf."Efeubrand sieht das aber anders."
"Efeubrand ist ein Krieger. Ich kenne ihn schon sein ganzes Leben lang. Ich habe als Schülerin bei seiner Geburt geholfen, ich kenne ihn gut und glaub mir, er weiß nicht alles, auch wenn er denkt, es wäre so. Er sieht nur, dass du bei der Jagd versagt hast, und nichts dahinter. Wie fändest du es denn, ein Heiler zu werden?"
"Ein Heiler?" Er war verdutzt über den plötzlichen Themenwechsel. Darüber hatte er nie nachgedacht, er war immer davon ausgegangen, ein Krieger zu werden. Doch wenn er so überlegte... Ich will nicht jagen, kämpfen konnte ich auch nie... Aber ich will meinem Clan helfen. Und wie sollte eine Katze wie er das sonst anstellen?
"Vielleicht wäre das gar keine so schlechte Idee", miaute er, "aber geht das überhaupt? Ich wollte immer ein Krieger werden, aber ohne irgendjemandem Leid zuzufügen, geht das nicht, oder?"
"Ich fürchte, du müsstest jagen und kämpfen", miaute die Heilerin.
"Ich werde den SternenClan fragen, welcher Pfad für dich bestimmt ist."
Mit diesen Worten drehte sie sich um und tappte aus dem Lager heraus, in Richtung Mondfall, dem schimmernden Wasserfall, an dem sich die Heiler die Zunge mit den Kriegerahnen gaben.
Und? Wie fandet ihr dieses Kapitel? Ich muss mich für die Verspätung entschuldigen... Hättet ihr mit Schattenpfote als dritten Protagonisten gerechnet? Nerve ich euch mit meinen vielen Fragen?
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