Kapitel 8
Sonnenhelle und ich trafen gleichzeitig mit Ginsterpfote im Lager ein.
Ich legte meine Maus auf den Frischbeutehaufen, nahm mir aber gleichzeitig einen kleinen Sperling. Mit dem Vogel zog ich mich in eine kleine Nische in einem der Felsen zurück, wo ich genüsslich die Zähne in sein Fleisch schlug.
Mit einem Mal spürte ich wieder den Blick des roten Schülers auf mir. Mein gesamtes Fell stellte sich auf. Unterbewusst zog ich mich noch weiter in den kühlen Schatten zurück.
Warum schaute er mich erneut so auffällig an? Das letzte Mal war es nach Kupferpfotes Tod gewesen, jetzt war es nach - der Prophezeiung! Hatte er etwas mit ihr zu tun oder war es nur Zufall?
Nach kurzer Zeit drehte er sich jedoch weg und trat zu seiner Mentorin. Als ich fertig gegessen hatte, beschloss ich, mir einen anderen Krieger zu suchen, um auf die Jagd für die Königinnen und ihre Jungen zu gehen.
Ich erhob mich mühsam und trottete durch den Steinkreis auf den Kriegerbau zu.
Dort angekommen spähte ich hinein und erschrak: Weidenfell und Windblatt standen inmitten einiger zerfetzter Moosnester und fauchten sich an.
Ein langer Kratzer zog sich über das Gesicht der weißen Kätzin. Blut tropfte zu Boden und färbte das schöne Moosgrün zu einem schlammigen rotbraun.
Verängstigt presste sich Bussardbrise in die Ecke des Baus, wo sich mein unversehrtes Nest befand. Nervös machte ich auf mich aufmerksam. „Weidenfell, was ist hier los?"
Der Krieger wandte sich in einer schwungvollen Bewegung zu mir um. „Diese Kätzin hier denkt, ich hätte Kupferpfote umgebracht, nur weil er meine Schülerin verletzt hat!", fauchte er, mit einem hasserfüllten Blick zu Windblatt, die sich mit der Pfote das Blut aus dem Gesicht strich. Ihr schönes, weißes Fell hatte sich an ihrem Kopf blutrot gefärbt.
„Du hast behauptet, durch meine Verwandtschaft mit den Geschwistern hätte ich einen viel größeren Grund, zur Mörderin zu werden! Dabei, du schlauer Kater, hast du leider übersehen, dass ich auch mit Kupferpfote verwandt bin!", knurrte die helle Kätzin den dunkelroten Kater an.
Mir hätte klar sein müssen, dass es irgendwann zu einem großen Streit kommen würde, das Misstrauen dafür war ja schon von Anfang an da gewesen.
Ein wenig beruhigt miaute ich: „Windblatt, gehst du bitte zu Sonnenhelle? Er soll deine Wunde behandeln." Murrend schlich sie aus dem Kriegerbau, nicht ohne Weidenfell noch einen zornigen Blick zuzuwerfen. Dieser trat knurrend von den ehemaligen Moosnestern hinunter und strich sich einige Fetzen aus dem Fell. „Ich werde den Schülern sagen, dass sie neues Polstermaterial sammeln sollen", miaute er und verschwand durch den Ausgang.
Besorgt lief ich zu meiner Halbschwester. „Alles gut?" Sie nickte, hatte aber noch immer weit aufgerissene Augen. „Ich dachte, sie töten sich", murmelte sie entsetzt und legte langsam ihr aufgestelltes Fell wieder an.
Ich wollte ein paar aufmunternde Worte sagen, doch mir fiel nichts ein. Schon in ein paar Tagen konnten das mehr als ein paar Kratzer sein.
Vielleicht war wirklich einer der beiden Krieger in die Angelegenheit verwickelt gewesen? Ich wollte immer noch nicht glauben, dass einer von uns Kupferpfote ermordet haben könnte.
Plötzlich dachte ich wieder an die Prophezeiung. Ein leichtes Prickeln entstand in meinem Bauch. Hatte sie etwas mit seinem Tod zu tun? Aber er weilte nicht mehr unter uns, ich hatte ihn bereits verloren.
„Wollen wir vielleicht ein bisschen...", setzte ich an, entschied mich aber in letzter Sekunde noch anders. Kämpfen zu üben würde in solch einem Moment Sicherheit schaffen und das Überleben in einem Krieg beeinflussen. „... unsere Kampftaktiken trainieren?"
Unsicherheit blitzte in Bussardbrises Augen auf und sie verengte sie misstrauisch zu Schlitzen, stimmte aber zu. Meine eigene Familie traute mir nicht mehr über den Weg? Was war an mir so auffällig, dass niemand mit mir den Kriegerpflichten nachkommen wollte? Na gut, nicht niemand. Stellte ich nur die falschen Fragen zur falschen Zeit?
Wir liefen zu einer besonders weichen Stelle im Lager, wo die Kräuter und Gräser in hohen Trieben aus der Erde schossen.
Meine Halbschwester baute sich vor mir auf, war aber immer noch etwas kleiner als ich. Als ich mit einer Pfote auf ihr Ohr zielte, duckte sie sich in einer gleitenden Rolle darunter weg.
Eine Fuchslänge weiter und damit außer meiner Reichweite, richtete sie sich wieder auf. Den Abstand machte ich mit einem großen Sprung zunichte, bei dem ein besonderes langer Halm angenehm mein Bauchfell kitzelte.
Erneut tätigte ich einen Angriff, während die Tigerkätzin geschickt auswich. Darauf aus, dass sie mich auch einmal angriff, stellte ich mich so hin, dass meine Brust ungeschützt vor ihr lag.
Bussardbrise ergriff die Chance nicht, sondern raste einmal um mich herum. Natürlich, in einem echten Kampf hätte das ein Trick sein können. Von hinten zog sie etwas an meinem Schweif. Als ich herumwirbelte, fiel sie ungelenk um. Amüsiert wartete ich, bis sie sich aufgerichtet hatte.
„Hey, ihr beiden! Eine gute Idee, das Kämpfen zu trainieren."
Mondwolke trat mit seiner Schülerin Frostpfote auf uns zu. Er war nicht groß für einen Kater, dadurch war er auf Kopfhöhe mit der hellen Kätzin, die für ihr Alter sehr muskulös gebaut war.
Sie schlug spielerisch nach einem leicht vertrockneten Kleeblatt.
„Können wir mit euch üben?", fragte mein Vater, war allerdings schon dabei eine Kauerhaltung einzunehmen. Seine Schülerin schnupperte kurz im Wind, schien sich dann aber zu konzentrieren.
Auch Bussardbrise machte sich abermals bereit für einen Kampf. Diesmal wollte sie aber die Angreiferin sein, so wirkte es, denn ihrem Schlag, auf den ich nicht vorbereitet war, konnte ich nicht ausweichen.
Ein dumpfer Schmerz zog sich durch meine linke Gesichtshälfte.
Schnell schüttelte ich meinen Kopf und setzte zu einem Pfotenhieb auf ihre Brust an. Ein gewagter Stoß, doch ich wollte es ja trainieren.
Meine Halbschwester hätte nicht zur Seite springen können, wäre Frostpfote nicht zufällig in ihre Flanke gestolpert. Mit zerzaustem Fell taumelte sie nach rechts. Entschuldigend lief die Schülerin zurück zu ihrem Mentor.
„Wollen wir nicht vielleicht eine Pause machen?", fragte Bussardbrise erschöpft. Ich nickte und begann, mir den Pelz zu lecken.
Sollte ich nicht lieber damit beginnen, "ihn" zu finden? Den Kater aus der Prophezeiung? Still wiederholte ich sie immer und immer wieder in meinem Kopf.
Wenn du ihn verlierst sind die Clans verloren.
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