Kapitel 24
Schon wieder war mein Fell vor Panik aufgeplustert und mein rasendes Herz pochte in meinen Ohren. Meine Begleiterin schien weder etwas zu wittern, noch zu sehen. Bildete ich mir diese Katze ebenfalls nur ein? Wie die Stimme vorhin, die keinen Körper besaß, oder die Katzen im Steintunnel, die von einem Augenschlag zum anderen einfach verschwanden? War auch Krähenfeder, der mich vor der schwarzen Katze verteidigt hatte, nur Einbildung?
Stopp, das war das Territorium des SalbeiClans. Hier trieben normalerweise nur Katzen unseres Clans ihr Unwesen. Wer hatte orangefarbene Augen? Weidenfell und Fuchssonne. Die Älteste durfte das Lager nicht verlassen, aber Weidenfell war vorhin mit meinem Vater und Buchenröte aufgebrochen, um die Grenze zu kontrollieren. Konnte es sein, dass er uns nun beobachtete?
Wieselpfote lief mit den Federn im Maul weiter und blickte über den Schnee, um anderes Polstermaterial zu finden. Eigentlich benutzen wir dafür vor allem Moos, aber die Federn eines toten Vogels waren auch immer gut.
Das Gefühl, dass uns die orangefarbenen Augen folgten, wurde ich auch kurze Zeit darauf immer noch nicht los. Wenn es Weidenfell war, warum beobachtete er uns dann, anstatt sich zu zeigen?
Oder, und dabei blieb mir das Herz stehen, vielleicht war es ein Streuner, der auch Kupferpfote ermordet hatte? Vielleicht war Ginsterpfote gar nicht so böse? Aber er hatte ja auf der großen Versammlung mit Donnerpfote geredet, was mich ein wenig irritiert hatte.
Bei allen Ahnen, wer schlich da durch den Schnee? Ich könnte ja schlecht nachschauen, denn die Katze würde wegrennen und eine weitere Verfolgungsjagd konnte ich mir nicht geben. Ich war schon froh, dass ich nicht erfroren war. Was wäre, wenn die fremde Katze nicht wegrannte?
Es gab genug Gründe dafür: Ein verletztes Bein, ebenso schlechten Orientierungssinn wie ich oder es war tatsächlich Weidenfell, der würde sich ja nicht verstecken wollen.
Jetzt kam mir noch eine Idee.
Weidenfell war schließlich Wieselpfotes Mentor, vielleicht war das eine Prüfung, ob ihr Körper bereit war, mit der Kriegerausbildung fortzufahren. Das musste es sein! Ich beschloss, Weidenfell zu ignorieren und der Schülerin nichts zu erzählen.
Schon hatten wir an der Rinde einer riesigen Eiche einen Berg Moos gefunden und trugen ihn zurück ins Lager. Jedenfalls versuchten wir es, denn auch Wieselpfotes Orientierungssinn war nicht gut und wir waren beide erschöpft. Zum Glück trafen wir auf unsere beiden Heiler. Als ich mich umschaute, war Weidenfell nicht mehr zu sehen.
„Wir müssen jetzt zurück, wenn wir vor Sonnenuntergang zurück sein wollen", stellte Sonnenhelle fest. „Ich hoffe, ihr wart erfolgreich."
„Kann man doch sehen", nuschelte ich genervt durch den Moosballen, der sich langsam, aber stetig in meinem Maul ausbreitete. Wo am Anfang eine zusammenhängende Moosdecke gewesen war, waren jetzt viele Fetzen, die mir die Kehle runterrutschten. Polster holen war wirklich übel.
Dachspfote und Wieselpfote liefen vorne weg. Von Sonnenhelle ging der schwache Geruch von vertrockneten Kräutern aus. Ein kümmerlicher Haufen hing in seinem Maul. Wie sollten wir so über die Blattleere kommen? Wenn eine Grüne-Husten-Welle losbrach, wie würden die Katzen jemals wieder gesund werden? Mussten wir wirklich in den Zweibeinerort, um dort Katzenminze zu besorgen? Würde eine Katze verhungern, erfrieren oder an einer einfachen Erkältung sterben, weil die Heiler nicht genug Kräuter für jedes Clanmitglied hatten?
Im Lager angekommen, lief ich mit Wieselpfote und dem Moos zu den Ältesten. Eichenfall schlief ausgestreckt auf seinem alten Moosnest und Fuchssonne spazierte mit Rotfang durch den Steinkreis. Ihre beiden Nester konnten wir also ohne Probleme austauschen. Das neue Moos ablegend, zerrte ich an ein paar Fetzen und beschloss, sie aus dem Lager zu tragen. Die Schülerin tat es mir gleich, mit Rotfangs Nest. In einer Kuhle verscharrten wir die Reste unter dem Schnee.
Als wir zurück liefen, purzelte mir Entenjunges in die Pfoten. „Huch!", entfuhr es mir und stellte die Kleine schnell wieder auf die Beine. Ein wenig erschrocken entschuldigte sie sich, während ihr Bruder sie mit argwöhnischem Blick von mir weg zog. Sogar die 2 Monde alten Jungen fürchteten sich vor mir? Das durfte doch nicht wahr sein!
Frostpfote jagte Laufjunges durch den Schnee und Bussardbrise streute Flocken in Ginsterpfotes Fell, der angewidert unter einem Felsvorsprung saß und sich ableckte, als ob sein Leben davon abhängen würde. Tat es vielleicht auch, denn das eisige Wetter würde sicher einige Erkältungen mit sich bringen. Spinnenpfote saß mit leuchtenden Augen in der Mitte und betrachtete den weißen Himmel.
Für die Schüler und Jungen war es der erste Schnee, natürlich waren sie begeistert. Aber nur solange, bis sich die ersten Katzen Grünen Husten einfingen. Wie viele der Ältesten und Jungen würden durch die Blattleere kommen? Die Würfe von Regennebel und Igeltatze waren so klein, dass ein einziger Tod schon große Auswirkungen auf das Clanleben hätte. Vielleicht würde Daunenblütes Wurf größer werden und die Chancen erhöhen, dass uns nicht die zukünftigen Krieger wegstarben wie Blätter im Blattfall.
Wieselpfote stupste mir in die Flanke und wir liefen zurück zu den ungemachten Moosnestern. Die Ältestenpflicht rief. Fuchssonne kehrte mit dem blinden Kater zurück. „Vielen Dank fürs Wechseln! Sie haben schon angefangen zu stinken", scherzte Rotfang. Mit seiner außergewöhnlich guten Nase konnte man nie wissen, ob da tatsächlich etwas dran war. Wir weckten Eichenfall und tauschten eilig auch noch sein Nest aus. Zusammen mit Wieselpfote kehrte ich in den Heilerbau zurück.
„Habt ihr die Moospolster gewechselt? Gut." Sonnenhelle drückte seine Patientin zurück auf den Boden, wo sie sich ausruhen sollte. Widerwillig streckte sie sich und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass sie erschöpft war.
„Taubenfeder? Nimm doch eine Maus vom Frischbeutehaufen und gib sie Pflaumenpelz. Er hat wahrscheinlich Hunger", bat mich der Heiler. Noch mehr Arbeit? Wann konnte ich mich endlich erholen? Schließlich ging ich nicht jeden Tag bei Schnee im Wald verloren und hetzte einem Marder hinterher.
Irgendeine Katze war so klug gewesen und hatte den Frischbeutehaufen unter dem Sturmfelsen platziert, sodass er nicht völlig vom Schnee begraben war. Eine zarte Rötelmaus ragte zwischen drei Feldmäusen empor.
Meine Zähne packten vorsichtig eine der Mäuse und ich trug sie zurück zum Heilerbau. Durch den Riss in der Felswand gelangte ich in eine dunkle, kleine Höhle.
Ein grauer Haufen lag schlapp am Rand, sein Körper hob und senkte sich langsam und es ging ein nichtkatziger Geruch von ihm aus. Der Geruch von alten Kräutern auf frischen Wunden.
Mein Herz zog sich ein kleines Stück zusammen. Wie sollte der Kater jemals wieder vernünftig jagen und kämpfen können? Als ich mich neben ihn stellte, sah ich zwei lange Kratzer an seiner Flanke, dazu ein kaum heilender Biss am Nacken und kleine Verletzungen an Rücken und Pfoten. An einigen Stellen hatte ich ihm das Fell ausgerissen. Wie konnte ich sowas bloß tun?
„Pflaumenpelz?"
Ich sah, wie sein Atem aus dem Takt geriet. Mäusedreck. Hatte er wirklich solche Angst vor mir? Ich hätte ihn doch nie angegriffen, wäre ich bei klarem Verstand gewesen! Ich schob ihm die Maus vor die Pfoten.
„Frischbeute für dich."
Ein kleines Zucken ging durch Pflaumenpelz, als er die Krallen ausfuhr und blitzschnell die Maus zu sich heranzog. Dann sackte er zusammen und keuchte.
Vor Scham wollte ich meinen Kopf im Boden vergraben. Ihm ging es so schlecht, dass er nicht einmal ohne Schmerzen fressen konnte! Alles nur wegen mir. Ich muss wohl auf Sonnenhelles Heilerkünste hoffen, dass seine Wunden schnell heilten. Konnten sie überhaupt noch heilen? Oder hatte ich tatsächlich sein gesamtes Leben zerstört? Leises Schmatzen ging von dem verletzten Fellberg vor mir aus.
„Es tut mir wirklich unglaublich leid. Ich wollte dich nie angreifen", murmelte ich leise. „Ich weiß auch gar nicht, was in mich gefahren ist-" „Eine Entschuldigung heilt mich nicht, Taubenfeder", stellte Pflaumenpelz mit rauer Stimme fest.
Seine Ohrenspitzen zuckten ein wenig, als wäre er nervös. Warum konnte ich dann keine einzige Emotion aus seiner Stimme lesen? Warum schien er alle Lebensfreude verloren zu haben? Doch nicht etwa, weil er glaubte, nichts mehr zum Leben zu haben?
Ich wollte ihn irgendwie aufmuntern, doch mir vielen keine Worte mehr ein. Die Sätze blieben mir im Hals stecken. Bussardbrise konnte doch so motivierend auf andere Katzen wirken und Wieselpfote war wahrhaftig optimistisch! Weshalb konnte ich das nicht? Was sollte ich ihm auch groß sagen. "Du hast zwar riesige Narben und kannst eher nicht dein normales Leben weiterführen, aber immerhin bedeutest du deiner Schwester sehr viel. Vielleicht findest du ja auch noch eine Gefährtin. Aber hier im Heilerbau ist es doch auch ganz schön?" Ganz sicher nicht.
Pflaumenpelz schien seine Arbeit beendet zu haben. Sollte ich noch weiter versuchen, ein Gespräch mit ihm anzufangen? Ich würde wohlmöglich die Stimmung noch weiter senken und das unangenehme Gefühl verstärken. Darauf legte ich definitiv keinen Wert und der gescheckte Kater vor mir auch eher nicht.
„Falls es dich tröstet, ich bin dir nicht böse. Deine Entschuldigung ist bei mir angekommen", miaute er.
Das darauffolgende Schweigen war ein Zeichen für mich, zu gehen. Meinte er seine Worte wirklich so, wie er sie gesprochen hatte? Wie konnte er nicht wütend sein? Als ob man jemandem so eine Tat jemals verzeihen könnte!
Haselkralle schnippte mit seinem Schwanz in meine Richtung. „Würde es dir etwas ausmachen, die Nachtwache zu übernehmen? Du warst schon länger nicht mehr dran."
Nachtwache? Keine schlechte Idee. Ich musste den Kopf freibekommen!
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