Kapitel 10
Die beiden Katzen betraten eine kleine Kuhle, durch die ein Bach mit rabenschwarzem Wasser floss. Der Körper der Kätzin versteifte sich und sie blickte mit großen Augen zu dem Wasserlauf. Ihr Schweif schlug mehrere Male stark auf den Waldboden. Mit einem unsicheren Blick drehte sie sich zu dem dunklen Tigerkater neben sich.
„Ist das der Ort, an dem wir trainieren?" Krähenschwinge nickte. „Was ist, wenn ich in diesen Bach falle?", fragte Taubenfeder weiter. Genervt stöhnte er auf. „Dieser Bach ist nichts weiter als ein Rinnsal. Er hat zu wenig Strömung, um dich ernsthaft mitreißen zu können."
Etwas beruhigter schritt sie tiefer in die Kuhle und ließ den Blick schweifen. Sie war umgeben von dem dichtesten Nadelwald, den sie je gesehen hatte. Kopfschüttelnd drehte sie sich wieder zu dem Tigerkater. Sie hatte noch nie einen anderen Nadelwald gesehen.
Mit einer gerader Haltung trat Krähenschwinge zu ihr. Er schaute auf sie hinunter. „Kleine, mit was willst du beginnen. Kämpfen? Schwimmen? Jagen mit teils verhinderten Sinnen?" Taubenfeder blickte unzufrieden auf den Bach.
„Darin soll ich wirklich schwimmen?"
Der Kater verdrehte die Augen. „Dir kann nichts passieren!" Die Hellgraue schloss die Augen. Ihre Rückenhaare stellten sich auf. Ihr behagte es gar nicht, dass sie ihr Fell nass machen sollte.
„Weißt du was? Wir schwimmen. Dann vertraust du mir vielleicht endlich mal, dass ich dich nicht umbringen will", meinte Krähenschwinge mit einem leichten Knurren.
Bei sich dachte er, dass das eine Lüge gewesen war. Natürlich wollte er, dass seine Feinde nicht mehr auf Erden wandelten. Aber auch nicht im Düster- oder HimmelClan. Allerdings wirkte diese Kätzin ängstlich und schwach, nicht so, als könnte sie eine Prophezeiung erfüllen.
Taubenfeder versteifte sich. „Ich kann nicht schwimmen und bin mir sicher, dass ich es auch nie können muss", fauchte sie ihn an.
Vielleicht sollte er seine Meinung zu ihr nochmal überdenken. Jede Katze konnte ein ernst zu nehmender Gegner sein. Auch eine kleine Kätzin des SalbeiClans.
Ungerührt schnickte er mit dem Schweif auffordernd in die Richtung des Bachs. „Lass dich da einfach mal reinfallen und bewege deine Beine im Rhythmus deines Herzschlags", befahl der Tigerkater. Die hellgraue Kätzin stolperte auf den Wasserlauf zu.
Vorsichtig setzte sie ihre linke Vorderpfote in das Wasser. Ehe sie wirklich darin stand, zog sie sie mit einem erschrockenen Knurren zurück. „Das ist eiskalt!"
Krähenschwinge atmete mit einem lauten Stöhnen aus. „Was hattest du erwartet?", meinte er er in einem gereizten Ton. Sie plusterte sich wütend auf.
„Musst du mich die ganze Zeit so anfauchen? Ich habe auch andere Probleme, als mich hier mit mäusehirnigen Aufgaben wie Jagen mit teils verhinderten Sinnen herumzuärgern! Ich muss eine Prophezeiung erfüllen, beim HimmelClan! Das, was du hier machst, ist reine Ablenkung von den wichtigen Dingen", zischte Taubenfeder, ihre Augen sprühten Funken vor Zorn.
Ohne es richtig zu wollen, war Krähenschwinge einen Schritt zurückgewichen. Die Kätzin, die er eben noch als schwach und still bezeichnet hatte, entpuppte sich als eine Katze, die ziemlich laut und gut schreien konnte. Mit Hochmut im Blick bemerkte sie, dass er etwas mehr Abstand zwischen sie gebracht hatte. Mit einem leichten Schwanzschnicken wandte sie sich ab, trat in den Bach und fing an, ihre Beine in regelmäßigen Tritten zu bewegen.
Das hielt sie knapp über Wasser und da sie gegen die Strömung schwamm, kam sie kein Stück vorwärts, wurde aber auch nicht weggetrieben. Sie legte ihre Wut in jede ihrer Stöße, die durch das Wasser fuhren. Ein kleines Fünkchen Begeisterung keimte in ihr auf. Vielleicht war Schwimmen doch nicht so schlimm! Mit etwas mehr Stärke in den Muskeln könnte sie sich sicher länger gegen die Strömung wehren, die wirklich sanft war. Aber langsam verschwand ihr Zorn, und mit ihm auch ihre Energie.
Taubenfeder hing fast wie eine tote Katze im Bach, versuchte jedoch, sich nach wie vor zu bewegen. Ihr nasses Fell zog sie stetig runter, aber sie war zu stolz, um nachzugeben.
Krähenschwinge beobachtete die hellgraue Kätzin zufrieden, äußerlich war sie eben doch nicht fähig, gegen eine Katze, geschweige denn mehrere DüsterClan-Katzen, zu kämpfen. Innerlich konnte sie noch so stark sein, zu fürchten war sie nicht.
Die kleine SalbeiClan-Kätzin fing an, immer schneller wegzutreiben und sank mit jeder verzweifelten Bewegung noch ein Stück weiter ins Wasser. Sie stieß ein leises Gurgeln aus und dann gaben ihre Kräfte ganz nach. Der hellgraue, durchnässte Körper driftete mit einem sanften Plätschern immer mehr aus Krähenschwinges Sichtfeld.
Er könnte sie nun ertrinken lassen, aber wie sollte er dann seinen Plan, mit ihrer Hilfe Anführer zu werden, ausführen? Wenn er sie, ohne sie zu ermorden, von der Erfüllung der Prophezeiung abhalten könnte, würde er dann nicht viel mehr Ruhm und Ansehen erhalten? Aber sie würde sowieso nicht ewig überleben, höchstens bis zum Angriff des DüsterClans.
In einem Anflug von Mitleid sprintete der Tigerkater doch zum Bach und rannte in großen Sprüngen hinter Taubenfeder her.
In ihre Augen war bereits zu viel Wasser gelaufen, um sie offen zu halten und sie hatte sich damit abgefunden, zu ertrinken, obwohl sie tief in ihrem Inneren die Wut pochen spürte, auf den fuchsherzigen DüsterClan-Kater und diese Prophezeiung. Sicherlich sollte ein Tod in einem gruseligen Nadelwald nicht ihr Schicksal sein.
Mit einem Mal spürte sie eine warme Flamme in ihrer Brust entstehen, die sich wie Licht rasend schnell ausbreitete und schließlich ihren ganzen Körper zum Glühen brachte. Sie konnte sich nicht mehr rühren und mit einem Mal spürte sie Moos unter ihren Pfoten. Der Geruch des SalbeiClans strömte in ihre Nase.
Sie war zurück im Lager.
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