Kapitel 9
Seejunges zitterte vor Wut. Wie konnte er es wagen? "Antworte!", fauchte sie.
Windnebel zuckte mit den Ohren und die Verlegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben.
"Sag etwas!", schrie sie, "irgendwas!"
Tränen glänzten in ihren Augen und erschütterten ihren Körper. Ihr Herz weinte, ihre Seele schrie.
Warum hatte er sie hintergangen?
"Seejunges", hob er an, "ich ..."
Sie wusste, was er sagen würde.
Und wieder hörte sie seine Gedanken in ihren Ohren:
Warum hat sie mich gesehen? Warum war ich so unachtsam?
"Nein!", fauchte sie aufgebracht, "ich will es nicht hören! Ich weiß, was du sagen willst und auch wirst!"
Windnebel sah sie erstaunt an, fasste sich aber schnell. "Erzähl mir lieber, warum du das tust!", knurrte sie, "warum hintergehst du Schwarzfluss so?
War sie nicht gut genug? War sie nur ein Mittel für den Zweck? Warst du damals schon mit Brisenklang zusammen?
Warum? Warum beim WunderClan? Warum tust du uns das an? Uns, deinen Jungen? Unserer Familie?!"
Windnebel schwieg und Seejunges konnte es erraten:
Er ist einsam. Aber warum?! Er hat doch uns!
Seejunges fauchte leise und bohrte die Krallen in die Erde. "Ich weiß es", maunzte sie leise, "du fühlst dich alleine. Zurückgelassen."
Windnebel setzte sich ins Schilf, das neben dem Fluss wucherte und deutete ihr mit dem Schwanz, sich neben sie zu setzen.
Seejunges tappte fauchend zu ihm und ließ sich mit etwas Abstand neben ihm nieder. Zu nahe wollte sie ihm auch nicht sein.
Er hatte sie verraten.
Morgenjunges.
Sturmjunges.
Löwenjunges.
Sandjunges.
Aber am meisten Schwarzfluss.
Er hatte seine ganze Familie verraten.
Und natürlich seinen Clan. Das Gesetz der Krieger.
Warum hat er sich keine Gefährtin im Clan gesucht? Warum musste sie in einem anderen Clan sein? Warum?!
Wieder kannte Seejunges die Antwort: Die Liebe. Man sucht sich nicht aus, in wen man sich verliebt.
Aber trotzdem; sie konnte die Wahrheit nicht einsehen. Sie war zu schmerzhaft.
Und was ist, wenn ich nur träume? Was ist, wenn das alles nur ein Traum ist?
Sie schlug sich heftig den Schwanz ins Gesicht und zuckte vor Schmerz zurück.
Doch sie wachte nicht in ihrem Nest bei Winterrose und den anderen auf. Sie befand sich immer noch am Flussufer.
Seejunges hob den Kopf und sah zum Himmel. Warum, WunderClan?
Dicke, graue Wolken hingen inzwischen an der Wolkendecke.
Es würde bald regnen. "Seejunges", hob Windnebel an, "sieh mich an."
Die kleine Kätzin senkte den Kopf wieder langsam und funkelte ihn wütend an. "Was ist?", fauchte sie, "willst du mir noch irgendwas sagen?"
Windnebel seufzte." Nein", miaute er leise, "ich will dich bitten, niemandem davon zu erzählen. Bitte."
Seejunges knurrte leise. "Wie kannst du es wagen, mich das zu bitten?", fuhr sie ihn an.
Windnebel schwieg. "Ich bin immer noch dein Vater", hauchte er, "deine Ehre sollte dich davon abhalten, mich zu verraten."
Seejunges war klar, dass er auf ihr Gewissen einredete. Aber sie blieb standhaft. Zumindest versuchte sie es.
"Meine Ehre befiehlt mir, mich ans Gesetz der Krieger zu halten!", blaffte sie.
Windnebel bohrte die Krallen in die Erde und wurde ungeduldig.
"Im Gesetz der Krieger steht nicht, dass Lügen verboten ist. Königinnen dürfen auch über den Vater ihrer Jungen lügen!", miaute er.
Seejunges schnaubte. "Dürfen sie nicht!", rief sie, "sie müssen nur nicht sagen, wer der Vater ist."
Windnebel unterdrückte ein Fauchen. "Du musst ja auch nicht lügen! Du darfst nur nicht sagen, dass ich mich mit Brisenklang treffe! Du darfst mich nur nicht verraten! Im Gesetz der Krieger wird nicht gesagt, dass man seine Familie verraten soll!"
Seejunges knurrte verärgert. "Unsere Familie ist zerstört! Und das wegen dir! Es macht keinen Unterschied mehr, wenn ich dich verrate!"
Sie drehte sich um und überquerte den Baumstumpf. Die Wellen schlugen gegen den Stanm, als wollten sie die kleine Kätzin fangen.
Seejunges bohrte die Krallen ins Holz, um nicht in die reißende Strömung zu fallen. Schritt für Schritt näherte sie sich dem Ufer.
Sie hörte Windnebels Stimme in ihren Ohren:
Brisenklang ist jetzt meine Familie.
Wütend wirbelte sie zu ihrem Vater herum. "Wir waren nie deine Familie, nicht wahr?!", fauchte sie hasserfüllt und mit vor Schmerz erstickter Stimme.
Windnebel sah sie traurig an und flüsterte: "Seejunges ..."
Sie wartete nicht mehr. Sie wirbelte herum und rannte davon. Mit atemberaubender Geschwindigkeit schoss sie über den Boden zurück ins Lager.
Traurig legte sie sich in ein Schilfloch und schloss die Augen, um zu schlafen.
Ich habe meinen Vater verloren, sagte sie sich leise, dann dämmerte sie in den Schlaf.
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