
Kapitel 8
Seejunges gähnte zufrieden. Ein Mond war seit Schwarzfluss' Tod vergangen und sie hatte gelernt, sich damit abzufinden.
Sie streckte sich und genoss die warme Sonne, die auf sie schien. Bald würde sie zur Schülerin ernannt werden und in den Schülerbau umziehen.
Es wird so schön werden. Ich werde trainieren und jagen lernen. Seejunges' Pfoten begannen zu kribbeln, als sie an ihre Zukunft dachte. Warum können wir unsere Ausbildung nicht gleich beginnen?
Sie seufzte und tappte zum Frischbeutehaufen. Ein frischer Karpfen, den sie sich nahm, lag dort. Seejunges ließ sich wieder in ihrer sonnenreichen Ecke nieder und biss in den dicken Fisch. Er schmeckte saftig und frisch. Was gibt es bitte über einen köstlichen Fisch?
Da bemerkte sie Windnebel. Er verhält sich in letzter Zeit merkwürdig. Er verbringt kaum noch Zeit mit uns. Immer geht er im Wald jagen.
Seejunges musterte ihn und stellte seinen unsicheren Blick fest. Er sah sich hektisch um. Sie erhob sich auf die Beine und folgte ihm leise.
Sie wusste, dass sie das nicht sollte, aber ihre Pfoten kribbelten bereits vor Neugierde. Mit zuckenden Ohren lief sie ihm hinterher.
Windnebel überquerte einen Baumstumpf. Seejunges beschleunigte ihr Tempo und folgte ihm. Sie trat auf den Holzstamm, der unter ihren Pfoten akut knarrte. Windnebel drehte sich um und die kleine Kätzin presste sich an das Holz, in der Hoffnung, nicht bemerkt zu werden.
Windnebel lief weiter und Seejunges auch. Sie setzte die Pfoten sorgfältig voreinander auf. Auch wenn die Strömung nicht sehr stark war, wollte sie nicht reinfallen.
Als sie endlich die andere Seite erreichte, seufzte sie erleichtert. Kalter Wind blies ihr entgegen und zerzauste ihr Fell. Er trug Windnebels Geruch mit sich.
Seejunges beschleunigte ihre Schritte und sah, wie ihr Vater in den Wald tappte. Immer wieder schaute er sich unsicher um, dann war er im Unterholz verschwunden.
Misstrauen erhob sich in Seejunges und bedrohte ihr Herz mit schwarzen Zähnen und Krallen. Was verheimlicht er?
Sie musste sich beeilen, um dem blaugrauen Kater folgen zu können. Schnell rannte sie los. Ihre Pfoten flogen durch die Luft und sie hoffte, dass sie nicht zu viel Lärm machte.
Ihr Fell war gesträubt vor Neugierde und Misstrauen. Auch Angst. Denn sie musste zugeben, dass sie Angst hatte. Angst vor dem, was sie erwarten würde.
Windnebel bog tiefer in den Wald ein. Die Laubbäume warfen lange Schatten über den Boden und nur an wenigen Stellen fiel Licht durch die Blattdecke.
Seejunges wurde mulmig zumute. Was wäre, wenn ein Fuchs oder, noch schlimmer, ein Dachs sie angreifen würde? Würde Windnebel ihr helfen oder sie nicht einmal beachten?
Seejunges beobachtete ihren Vater genau. Der Kater lief weiter zur Grenze. Wollte er so dicht an der Grenze jagen? Was ist, wenn er die Grenze überquert und eine Patrouille ihn erwischt?
Ängstlich zuckte sie mit den Ohren. Warum musste sie nur immer so verängstigt sein? Am liebsten hätte sie geschnaubt, aber sie musste dieses Verlangen jetzt unterdrücken, sonst würde Windnebel sie noch bemerken.
Der blaugraue Kater blieb nun an der Grenze stehen und stieß ein leises Miauen aus. Im Gebüsch raschelte es und Seejunges zuckte zusammen.
Eine graue, blauäugige Kätzin trat hervor.
"Du bist gekommen", schnurrte sie und rieb ihre Wange an seiner.
"Natürlich, meine Liebe", antwortete Windnebel.
Seejunges war schockiert, als sie die fremde Kätzin sah, denn ihr war durchaus bewusst, dass sie sich nicht kannten und sie nicht aus dem SonnenClan stammte.
Sie kroch etwas näher und beobachtete die beiden genau. "Lass uns jagen gehen", miaute Windnebel, "ich habe Hunger. Du auch?"
Die fremde Kätzin nickte.
Seejunges' Vater prüfte die Luft und stürmte dann los. Obwohl er eine SonnenClan-Katze war, konnte er im Wald jagen wie ein MondClan-Krieger.
Die Kätzin folgte ihm. Sie passten sich aneinander an. Windnebel schlich sich an die Wühlmaus an und sprang auf sie. Schnell floh sie; in die Pfoten der fremden Kätzin.
"Sehr gut, Brisenklang", schnurrte Windnebel und ließ sich neben ihr nieder.
Brisenklang heißt sie also.
Seejunges spürte, wie sich ihr Nackenfell sträubte, als sie die beiden Katzen beobachtete. Sie verhalten sich, als seien sie Gefährten.
Seejunges' Magen zog sich bei diesem Gedanken zusammen. Ihr Vater konnte doch nicht eine Kätzin aus einem anderen Clan lieben. Oder doch?
Warum hat er sich vorhin so komisch umgeschaut? Warum verbringt er Zeit mit ihr? Aber wieso ... Schwarzfluss ist doch erst vor kurzer Zeit gestorben ...
Brisenklang und Windnebel kauerten sich nun nieder, um die Wühlmaus zu verspeisen. Seejunges' Pfoten kribbelten vor Wut, als sie die beiden zusammen sah. Konnten sie sich nicht einfach verabschieden?
Als die Maus verschlungen war, leckte Windnebel ihr übers Ohr. Brisenklang schnurrte erfreut.
"Ich muss jetzt gehen", flüsterte er, sodass Seejunges sich anstrengen musste, um ihn zu verstehen, "mein Clan fragt sich sicher schon, wo ich bleibe."
Brisenklang sah ihn traurig an und vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter. "Pass auf dich auf", flüsterte sie, "können wir uns morgen treffen?"
Windnebel nickte und legte seinen Schnauze auf ihren Kopf. "Können wir. Nach Sonnenfall." Sie trat zurück. "Ich liebe dich", flüsterte Windnebel leise.
"Ich dich auch", erwiderte Brisenklang. Seejunges' Vater drehte sich um und tappte langsam davon.
Seejunges brannte vor Wut. Wie konnte er es wagen? Wie respektlos war sein Handeln bloß gegenüber Schwarzfluss? Und wie konnte er seinen Clan verraten, wo er doch bitte einer von Aschensterns besten Kriegern war?
Seejunges verstand ihn nicht. Doch eins wusste sie: Sie würde niemals ihrem Clan gegenüber so unloyal sein wie er.
Wütend folgte sie ihm, aber achtete darauf, dass sie keine Geräusche machte.
Lange tappten die beiden durch den Wald. Immer war sie ihm dicht auf den Pfoten, bis er plötzlich im Unterholz verschwand.
Seejunges hörte, wie seine Pfoten über den Boden trommelten und er triumphierend jaulte.
Dann herrschte Stille. Wieder trommelten Pfoten und ein zufriedenes Schnauben erklang.
Windnebel erschien wieder. In seinem Maul baumelten zwei Wühlmäuse und Seejunges grub die Krallen in die Erde.
Dann geschah etwas Ungewöhnliches.
Plötzlich konnte sie seine Gedanken in ihren Ohren hören:
Ich werde Aschenstern einfach erzählen, dass im Fluss gerade keine Fische schwammen und ich deswegen in den Wald ging, weil ich jedoch eine SonnenClan-Katze bin, konnte ich nur zwei Wühlmaus erbeuten.
Eine SonnenClan-Katze ... wie gerne würde ich im MondClan leben bei Brisenklang, aber meine Jungen brauchen mich.
Seejunges erstarrte und wusste nicht, was das gewesen war. Aber da fand sie sich auch im Wald wieder.
Windnebel tappte los. Ich muss ihn zur Rede stellen! Der Baumstamm! Ich muss ihm den Weg blockieren!
Seejunges raste ins Unterholz. Dornen verfingen sich in ihrem langem Fell und sie musste sich losreißen. Was soll das, WunderClan? Ich muss mich beeilen!
In Wut und Zorn riss sie sich gewaltvoll los und ignorierte den Schmerz. Sie schoss an den Dornen vorbei und sah bald Licht, das in der Ferne schimmerte.
Weiter hinten hörte sie Windnebels Schritte und wusste, dass er noch zurücklag.
Trotzdem beeilte sie sich und rannte weiter. Mittlerweile machte ihr Gerenne sicherlich Geräusche, aber weder Windnebel noch sie achteten darauf.
Seejunges erreichte den Fluss und machte vor dem Ufer halt. Sie sah den Baumstumpf und rannte zu ihm.
Die Strömung war sehr stark. Zu stark für eine Katze. So würde Windnebel keine Wahl haben, als die umgestürzte Eiche zu überqueren.
Zufrieden ließ sie sich vor dem Holz nieder. Es raschelte im Gebüsch und Windnebel trat hervor. Sein blaugraues Fell glänzte in der Abendsonne. Er schien sie nicht zu bemerken und in Gedanken versunken.
Erst, als er näher kam, sah er sie.
"Seejunges! Was machst du hier?!", stieß er erschrocken hervor.
Seejunges erhob sich auf die Pfoten und baute sich vor ihm auf. Sie plusterte ihr Fell auf und richtete sich gerade auf. Nun ging sie ihm bis zur Schulter.
So klein bin ich gar nicht mehr.
"Du siehst aus wie deine Mutter", murmelte Windnebel plötzlich und seine Augen wurden trüb.
Seejunges brannte vor Wut. Sie bohrte die Krallen in die Erde, um sich nicht auf ihn zu stürzen, und miaute durch zusammengebissene Zähne:
"Meine Mutter?! Wie kannst du es wagen, so über sie zu reden?! Lüg mich nicht an! Ich habe alles gesehen!"
Sie machte eine lange Pause und wartete mit ihrer Antwort, dann miaute sie mit vor Wut zitternder Stimme: "Deswegen wirst du mir jetzt einiges erklären."
—————
Ich weiß, Windnebel kann nichts dafür, dass er verliebt ist, aber ich mag ihn immer noch nicht.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro