Kapitel 55
Die riesigen Eichen warfen lange Schatten über Sturmroses schlaffen und toten Körper, der still am Boden lag. Das schildpattfarbene Junge stieß ihre Mutter mit den Pfoten an und vergrub ihre Nase in ihrem blutverseuchten Pelz.
Seeroses Herz brach angesichts des Jungen, das seine Mutter zu wecken versuchte. Mit den winzigen, tollpatschigen Pfoten stieß das kleine Junge seine Mutter an. Es war, als würde es sie fragen, wieso Sturmrose nicht aufwachte.
Seerose spürte die Tränen in ihren Augen aufsteigen. Sturmrose war tot und ihre Tochter lag unwissend an ihrem Bauch.
Dieses Junge braucht jetzt eine Mutter. Ich werde meine Jungen bekommen müssen, damit ich Weidenjunges als meine Tochter ausgeben kann. Ich hoffe, ich überlebe die Geburt. Anders als Sturmrose.
Sie warf einen traurigen Blick auf ihre schildpattfarbene Schwester. Plötzlich tat sich ein Licht vor Seerose auf und die junge Kätzin stolperte erschrocken zurück. Wer kam sie jetzt aus dem WunderClan besuchen?
Eine hellgraue Kätzin trat aus der Dunkelheit. Ihre blauen Augen schimmerten und ein allzu bekannter Duft umhüllte Seerose. Traurig sog sie den Geruch ihrer Mutter ein und unterdrückte das Verlangen, sich an sie zu schmiegen.
Mit der Nase berührte Schwarzfluss Sturmroses toten Körper. Kleine Sterne blitzten in dem schildpattfarbenem Fell auf und Seeroses Schwester erhob sich langsam auf die Pfoten.
Sie nickte der hellgrauen Kätzin zu, betrachtete ihr Junges noch einen Moment, ehe sie in dem hellen
Portal verschwand. Schwarzfluss sah ihre lebende Tochter prüfend an. "Heute wird die Sonne in der Nacht scheinen."
Ihre Worte schienen sich zu verdoppeln, denn sie schallten wie Echos in Seeroses Ohren wider. Wie sollte die Sonne in der Nacht scheinen? Überwältigt von dem mächtigen Anblick starrte sie ihrer Mutter, deren Gestalt sich aufzulösen begann, hinterher.
"Nein", flüsterte sie, "bleib hier! Lass mich nicht alleine! Kümmere dich um Sturmrose! Ich werde mich um Weidenjunges sorgen!"
Doch Schwarzfluss war schon weg. Traurig sah sie auf Weidenjunges, die eingeschlafen war. Das kleine Junge war so unschuldig und trotzdem hatte es seine Mutter verloren. Das war nicht fair.
Wieso lässt du das zu, WunderClan? Wieso besteht euer Clan von toten Katzen nur aus Dachsherzen? Wieso sagt ihr, dass ihr euch um uns kümmert, wenn wir euch doch so egal sind?
Ihr Blick fiel auf die Kräuter, die noch am Boden lagen. Sie schluckte. Nun müsste sie ihre Jungen bekommen. Sie spürte, dass sie zu zittern begann. Jetzt fehlte ihr auch noch eine Heilerkatze.
Wieso geschah ihr das? Ihre arme Schwester war gerade verblutet! Der WunderClan tat absolut nichts dagegen und nun musste sie auch noch ihre Jungen bekommen.
Sie ließ sich im Gras nieder und musterte die Kräuter misstrauisch. Beide hatte sie noch nie gesehen. Welches war das richtige?
"Fuchsdung", fauchte sie leise und prüfte die Luft.
Ist es dieses seltsame Kraut mit den lilafarbenen Blüten oder sind es diese kleinen, eckigen Beeren? Sie kniff die Augen zusammen. Ich nehme einfach die Beeren.
Ohne weiter darüber nachzudenken, fraß sie alle Beeren auf. Sie kehrte einige Blätter und ein bisschen Moos zusammen, ließ sich in dem qualitativ schlechten Nest nieder und wartete. Ungeduldig bearbeitete sie mit ihren Krallen das Geäst.
Sie spürte, dass das Blut in ihren Ohren vor Aufregung rauschte. Schließlich erhob sie sich auf die Pfoten und holte sich die lilafarbene Pflanze heran. Das müssen diese Kräuter sein, die die Schmerzen bei der Geburt lindern.
Sie ließ sich erneut in ihrem Nest nieder, doch nichts geschah. Es regte sich gar nichts. Hatte sie die falsche Medizin gefressen?
Weidenjunges lag neben ihr und maunzte hungrig. Ich muss auch meine Jungen bekommen, damit ich Milch für Weidenjunges habe, schoss es ihr durch den Kopf, ich ...
Plötzlich durchzuckte sie eine Welle von Schmerzen. Sie bohrte die Krallen in die schlammige Erde und unterdrückte das Bedürfnis aufzujaulen. Es war schrecklicher, als sie erwartet hatte. Schnell griff sie zu der seltsamen Pflanze und zog sie zu sich heran.
Hastig verschlang Seerose diese und hoffte, dass sie schnell wirken würde. Ihr Bauch fühlte sich an, als würde jemand seine Krallen mit aller Kraft dadurch ziehen.
Ich würde mich freuen, wenn ich den nächsten Tag noch miterleben würde, dachte sie sarkastisch, so wie es sich anfühlt, werde ich heute noch in diesem schrecklichen Wald sterben!
Verzweifelt sah sie sich um. Alles um sie herum wirkte so unscharf. Mit den Pfoten tastete sie um sich und fand einen Stock, der aus dem Nichts zu kommen schien.
Ohne groß darüber nachzudenken, schob sie diesen zu sich heran und bohrte ihre Zähne in das Holz, um den schrecklichen Druck, der sie heimsuchte, auszugleichen. Ein wenig half es.
Die Kräuter gaben ihr immerhin etwas Kraft und doch schrie sie so laut auf vor Schmerz, dass der Klang ihrer eigenen verbitterten Rufe in ihren Ohren widerhallte. Ihr Atem wurde flacher, kam nur noch in episodischen Stößen, und sie wandte sich im Nest umher. Wieso musste ihr das passieren?
Seerose spürte, dass das erste Junge kam. Sie schloss die Augen und bemühte sich zu pressen. Der Druck schien ihren Körper zu durchschneiden. Es waren nur einige Herzschläge, aber es fühlte sich an wie Monde.
Sie zerbiss die Fruchtblase und schob das Junge neben Weidenjunges. Es war ein dunkelgrauer Kater mit schwarzen Flecken, weißen Pfoten sowie Ohren und einer grauen Schwanzspitze.
"Jetzt hast du einen Bruder, Weidenjunges", keuchte sie und betrachtete die beiden Jungen liebevoll, als auch schon die nächste Wehe ihren Körper heimsuchte. Sie bohrte die Krallen in das Nest.
Der Stock zerbrach zwischen ihren Zähnen mit einem erbärmlichen Knacken, das sich in ihr Keuchen schmiegte, und kurz darauf hatte sie ein weiteres Junges: Eine sonnenfarbene Kätzin erschien, als die Fruchtblase zerstört war, und schlief neben ihrer Schwester und ihrem Bruder.
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Der perfektionistische Impuls in mir, der verlangt, dass ich das ganze Buch, insbesondere dieses Kapitel, neu schreibe ☺️✌🏻
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