
Kapitel 4
"Komm, Seejunges!", rief Morgenjunges und stupste sie mit der Nase an. Seejunges' Schulter war inzwischen verheilt und sie aus dem Heilerbau entlassen worden.
"Ich bin ja schon auf dem Weg!", rief sie. Ihre Schwester rannte gerade zwischen einigen Kriegern umher und war dann verschwunden.
"Schaut mal!", rief da Kleewelle. "Da sind ja die Jungen von Schwarzfluss und Windnebel!"
Einige Krieger ignorierten die junge Kätzin, andere sahen interessiert auf.
Die kleine Kätzin schlängelte sich zwischen ihnen hindurch und folgte der Duftspur ihrer Schwester.
Morgenjunges blieb am Rande des Sees stehen und betrachtete das Wasser. "Wenn wir in den Wald wollen", miaute sie. "Müssen wir den See überqueren."
Seejunges schluckte. Heute morgen hatten sie beschlossen, in den Wald zu gehen und zu jagen. Besser gesagt, das Jagen zu versuchen. Der Gefahr waren sie sich nicht bewusst.
"Bist du dir sicher?", fragte sie ein wenig ängstlich und zuckte mit den Ohren. Morgenjunges peitschte ungeduldig mit dem Schwanz. "Natürlich", maunzte sie. "Oder willst du im Lager bleiben?"
Seejunges warf einen Blick in die reißende Strömung, die in Richtung MondClan-Territorium floss. "Das ist doch gefährlich!", piepste sie erschrocken, aber Morgenjunges stieg schon ins Wasser.
Sie wollte auf die andere Seite schwimmen, aber die Flut packte sie sofort und riss sie mit sich.
"Morgenjunges!", schrie Seejunges und sprang ebenfalls ins Wasser, um ihrer Schwester zu helfen. Ich muss sie retten! Ich muss es schaffen!
Sie versuchte, ihre Angst zu verdrängen. Ihr Nackenfell war gesträubt vor Panik. Sie wollte zu ihrer Schwester schwimmen, als auch sie mitgerissen wurde.
"Nein!", jaulte sie und wollte sich irgendwo festkrallen, aber es gelang ihr nicht. Die viel zu starke Strömung trieb sie weiter voran, sodass sie vom Fluss mitgerissen wurde.
Das Wasser stieg ihr bis zum Hals und sie musste den Kopf recken, um nicht unterzugehen. Morgenjunges erging es genauso. "Hilfe!", rief sie laut, doch niemand schien sie zu hören. Niemand. Sie waren alleine.
Die Flut wurde immer stärker und die eisige Kälte des Flusses brachte Seejunges zum Zittern. Warum ist hier niemand, der uns helfen kann? Warum nicht?!
Nun stieg der Wasserpegel an und wurde höher. Seejunges schaffte es nicht mehr, ihren Kopf über Wasser zu halten und wurde nach unten gerissen. Kalte Fluten schlugen sie umher.
Seejunges wollte nach Luft schnappen, bekam aber nur Flüssigkeit zu spüren. Sie musste husten und schmeckte noch mehr Wasser. Verzweifelt riss sie die Augen auf und sah, dass Morgenjunges ebenfalls um ihr Leben kämpfte.
Da der Wasserdruck von oben kam, konnte sie mühelos zu ihrer Schwester schwimmen. Wir müssen es nach oben schaffen, sonst werden wir ertrinken!
Sie schwamm vorsichtig nach oben und wollte ihre Schwester mit sich ziehen.
Wie eine magische Kraft wollte der Wasserdruck sie wieder nach unten zwingen. Aber Seejunges setzte sich ihm zur Wehr. So gut wie sie es konnte. Mit aller Kraft zwang sie ihren winzigen Körper, nicht unterzugehen.
Sie spannte jeden ihrer Muskeln an und schwamm weiter. Morgenjunges tat es ihr nach. Der Druck wurde stärker und Seejunges erschöpfter. Aber ich darf nicht aufgeben.
Ihr ganzer Körper schmerzte vor Erschöpfung und flehte sie förmlich an, aufzuhören. Aber sie kämpfte weiter gegen den wütenden Fluss und ließ sich nicht unterkriegen.
Fast hatte sie die Oberfläche erreicht und Hoffnung lichtete sich in ihr. Sie war kurz unachtsam und wurde wieder nach unten befördert. Nein! WunderClan, hilf mir!
Morgenjunges hatte es tatsächlich an die Oberfläche geschafft. Sie konnte es, dann kann ich das auch!
Seejunges nahm ihre letzte Kraft zusammen und schwamm hoch. Ihre Lungen schrien nach Luft zum Atmen. Sie hatte das Gefühl, sie würde ersticken. Aber Aufgeben kam nicht in Frage.
Und schließlich schaffte sie es. Sie kam an die Oberfläche und nahm einen kräftigen Atemzug. Sie rang nach Luft und genoss die halbe Freiheit. Als sie wieder normal atmen konnte, sah sie sich um, um zu erkennen, wo sie waren.
Der Fluss floss mittlerweile durch einen Kiefernwald. Die Bäume warfen lange Schatten über den Boden und es wirkte unheimlich düster. Seejunges stiegen unbekannte Düfte in die Nase, die sie nicht zuordnen konnte.
Die Strömung hatte nach gelassen und es wäre für einen Schüler oder Krieger zweifelsohne möglich gewesen, durch den Fluss zu schwimmen. Aber nicht für ein erschöpftes Junges.
Mit letzter Kraft schwamm sie zu Morgenjunges, die sich auf einem Baumstumpf niedergelassen hatte und tat es ihr nach. Seejunges seufzte erschöpft und brach zusammen.
Der Fluss trieb sachte und langsam weiter. Mittlerweile hätte selbst ein Junges ihn durchqueren können, aber Seejunges und Morgenjunges waren viel zu erschöpft. Jeder Muskel ihres Körpers schrie förmlich, sie sollen einfach einschlafen.
"Regenlicht! Schau einmal! Da treiben zwei Jungen im Fluss!", rief eine zarte Stimme. Eine sandfarbene Kätzin deutete auf Seejunges und Morgenjunges.
"Was redest du denn da, Blumenpfote?", fragte Regenlicht, hielt dann aber inne, als sie die Jungen bemerkte. "Großer WunderClan!"
Regenlicht stolperte erschrocken auf sie zu. "Wir müssen sie aus dem Fluss retten!", rief sie. "Grasfell! Lilienauge! Blumenpfote! Kommt her!"
Blumenpfote eilte bereits zu ihrer Mentorin und kurz darauf kamen auch ein grauer Kater mit schwarzen und weißen Tupfen auf dem Rücken und eine sandfarbene Kätzin aus dem Gebüsch.
"Regenlicht! Was ist?", fragte Grasfell. An seiner Dominanz meinte Seejunges zu erkennen, dass er der Zweite Anführer sein musste. "Da sind zwei Jungen im Fluss!", maunzte Regenlicht aufgebracht und deutete mit dem Schwanz auf Seejunges und Morgenjunges.
"Gut", miaute Grasfell. "Wir müssen schnell handeln. Regenlicht und ich werden die Jungen aus dem Fluss holen. Blumenpfote, geh ins Lager und hol Wolfsnarbe. Lilienauge, sammel Moos und Blätter, damit wir die Jungen wärmen können!"
Blumenpfote nickte und rannte tiefer in den Kiefernwald hinein, auch Lilienauge verschwand im Gebüsch. "Komm!", befahl Grasfell und führte Regenlicht zum Fluss. "Hol du das blaugraue Junge. Ich nehme das andere."
Grasfell stieg in das sanfte Flussbett und schwamm mühelos zu Seejunges. Die kleine Kätzin spürte, wie sich Zähne sachte in ihr Nackenfell gruben und sie hochhoben. Erschöpft ließ sie sich tragen.
Grasfell legte Seejunges unter einem großen Kiefernbaum ab und Regenlicht tat es ihm nach. Seejunges' Fell war von der Kälte durchnässt und sie fror. Sie spürte Regenlichts Zunge gleichmäßig über ihr Fell fahren. Sie schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.
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Als Seejunges die Augen wieder öffnete, befand sie sich immer noch im dunklen Kiefernwald. Ihr Fell war getrocknet und die Erschöpfung von ihren Schultern verschwunden. Sie hob den Kopf und sah sich um.
Lilienauge, Grasfell, Regenlicht und ein brauner Kater hatten sich etwas entfernt niedergelassen und unterhielten sich. So wie sie aussahen, berieten sie sich eher.
"Der SonnenClan wird auch immer komischer", miaute der braune Kater gerade und Seejunges meinte zu erkennen, wie etwas Melancholisches in seinen Worten mitschwang, dennoch ignorierte sie es.
"Wir müssen sie zurückbringen, Grasfell", miaute Lilienauge dann. "Sie können nicht bei uns bleiben."
Grasfell schien unentschlossen. "Aber diese Jungen sind ein Geschenk des WunderClans! Sie können unseren Clan stärken!"
Regenlicht schüttelte den Kopf. "Wir riskieren einen Kampf, wenn wir sie behalten. Das können wir uns im Moment nicht erlauben!", maunzte sie aufgebracht.
Grasfell neigte den Kopf. "Also gut", gab er nach, "wir werden sie zum SonnenClan zurückbringen."
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