Schreckliche Offenbarungen
»Erzähl! Was ist passiert?« Trotz seiner Schramme an der Flanke hüpfte Funkenpfote aufgeregt auf und ab. Auch Nebeljunges sah sie auffordernd an. Nur Weises Reh saß mit ernstem Blick da, die Pfoten dicht an den Körper angezogen. Offenbar machte sie sich mehr Sorgen um Wirbelwasser und den schwarzen Wolf als um Sprenkeljunges' Wohlbefinden.
»Das war voll gruselig«, hob die gesprenkelte Kätzin an, doch da stand Weises Reh plötzlich auf.
»Ich habe vergessen, Wirbelwassers Spinnenweben zu wechseln«, sagte sie mehr zu sich selbst und trottete davon.
Die drei Zurückgelassenen sahen sich ratlos an. Schließlich zuckte Sprenkeljunges mit den Ohren und fuhr fort: »Ich bin der Spur von Himmelglanz' Mörder gefolgt. Ganz weit in das Gras hinein. Aber irgendwann wusste ich nicht mehr, aus welcher Richtung ich gekommen bin. Ich hatte mich verirrt.«
»Und dann hat dich diese Katze gefunden?«, fragte Nebeljunges ungeduldig.
»Genau!« Sprenkeljunges strahlte. »Sie hat mich zu einem kleinen Zweibeinernest gebracht. Es war nicht aus Stein, so wie die im Zweibeinerort, sondern aus Holz. Und drinnen waren ganz viele andere Katzen! Alle hatten diesen Schlamm im Fell. Bis auf fünf, die auf einer Erhebung standen.«
»Fünf? Ich dachte, wir sollten Donner, Blitz, Sturm und Wirbel suchen. Das sind vier, keine fünf«, stellte ihr Bruder verwirrt fest.
»Oder war der Große Stern dabei?«, hauchte Funkenpfote mit weit aufgerissenen Augen.
»Ja, er war dabei«, antwortete Sprenkeljunges und sofort wurde ihr mulmig zumute. »Er hat aber nicht gesprochen. Kein einziges Wort. Er hat einem Kater an seiner Seite nur etwas zugeflüstert und der hat es dann für alle Katzen laut gesagt.«
»Gruselig«, hauchte Funkenpfote, voll fasziniert von ihrer Geschichte.
»Die Katzen denken, dass einer von uns Himmelglanz' umgebracht hat«, miaute die kleine Kätzin. »Dabei weiß ich ganz genau, dass es einer von denen sein muss! Ich habe ja den Geruch vom Mörder wahrgenommen und bin ihm gefolgt!«
»Aber du hast ihn nicht gefunden?«, fragte Nebeljunges etwas enttäuscht.
Sprenkeljunges schüttelte den Kopf. »Nein, dafür waren zu viele Katzen da und...«
Plötzlich ertönte ein lautes Kreischen, bei dem alle drei erschrocken zusammenfuhren. Die gesprenkelte Kätzin stellte die Ohren auf und blickte in die Richtung, aus der das Geschrei gekommen war.
»Was läuft denn da ab?« Funkenpfote hatte sich an ihre Seite gestellt und starrte, wie sie und ihr Bruder, auf Terra, die sich mit gesträubtem Fell vor Funkenstern aufgebaut hatte. Dunkeljunges stand stocksteif neben dem golden getigerten Kater und machte keine Anstalten, sich in Sicherheit zu bringen.
»Du warst das!«, fauchte Terra Funkenstern an. So wütend hatte Sprenkeljunges die Kätzin noch nie erlebt. Selbst im Kampf am alten Stein war sie nicht so ausgerastet.
»Ich verstehe nicht, was du meinst«, entgegnete der Kater, dem auf der einen Seite das Fell fehlte, ruhig.
»Doch, das weißt du ganz genau!«, zischte die gefleckte Kätzin und trat so dicht an Funkenstern heran, dass ihre Nasen sich fast berührten. »Du versuchst absichtlich, mich als Verräterin und Mörderin dastehen zu lassen! Nur, weil ich dich nicht mehr als meinen Gefährten haben möchte!«
Vor Überraschung klappte Sprenkeljunges das Maul auf. Terra war mal mit ihm zusammen? Deshalb konnten sie sich von Anfang an nicht ausstehen und sind sich aus dem Weg gegangen! Aber warum behauptet sie, Funkenstern würde sie als Mörderin... Die Erkenntnis traf sie mit voller Wucht. Sie ist doch nicht Himmelglanz' Mörderin! Das kann er unmöglich durchziehen! Niemand wird ihm glauben!
»Wie kommst du nur auf diese völlig schwachsinnige Idee?«, rief der golden getigerte Kater so laut, dass es jede WindClan-Katze hören konnte. Allmählich bildete sich ein Kreis aus verwirrten und vielleicht auch neugierigen Kriegern um sie herum.
»Niemand sonst hätte es gewagt, mir so etwas Grauenvolles zuzuschieben!«, knurrte Terra und peitschte wütend mit dem Schweif.
»Beruhige dich! Beruhigt euch beide!« Luchsohr trat vor und stellte sich mit hoch erhobenem Kopf zwischen die beiden Streitenden. »Terra, warum schreist du Funkenstern an?«
»Er hat ein Fellbüschel von mir zwischen Himmelglanz' Krallen gesteckt, damit es so aussieht, als hätte ich sie getötet!«, fauchte die gefleckte Kätzin und versuchte immer wieder, an dem zweiten Anführer vorbei zu kommen, der sich ihr jedoch jedes Mal in den Weg stellte. »Nur leider hat dein Plan nicht funktioniert, was? Aqua hat es rechtzeitig gefunden und verhindert, dass deine Aktion falsche Gerüchte über mich in Umlauf bringt!«
»Stimmt das?«, wollte Luchsohr von Aqua wissen, die anscheinend irgendwo in der Katzenmenge stand.
»Ja«, ertönte die Antwort der Kätzin. An ihre Stimme musste Sprenkeljunges sich noch gewöhnen. Ihr fuhr jedes Mal ein eiskalter Schauer über den Rücken, wenn Aqua sprach. »Ich habe ein Fellbüschel gefunden, das nach Terra gerochen hat. Ich habe sie danach gefragt, doch sie hat mir versichert, dass sie bei Fremdschatten die Totenwache gehalten hat, als Himmelglanz ermordet wurde.«
»Warum musstest du sie danach fragen? Warst du nicht die ganze Zeit über bei ihr?«
Auf Luchsohrs Frage folgte ein bedrücktes Schweigen. Alle Köpfe drehten sich in Richtung der gestreiften Kätzin, die, wie Sprenkeljunges nun sehen konnte, unruhig von einer Pfote auf die andere trat. Sie hat einen Fehler gemacht, erkannte die rot-schwarze Kätzin. Sie wollte ihre Freundin in Schutz nehmen und jetzt hat sie es nur noch schlimmer gemacht.
»Ich habe während der Totenwache geschlafen«, gab Aqua kleinlaut zu. Ihre blassblauen Augen richteten sich entschuldigend auf Terra, die sich nun mit feindseligen Blicken konfrontiert sah.
»Ich würde einem Clan-Gefährten nie etwas zuleide tun!«, verteidigte die gefleckte Kätzin sich verzweifelt. Hilfesuchend schaute sie von einer Katze zur anderen, doch alle starrten zu Boden.
»Da bin ich mir nicht so sicher.« Funkensterns Stimme klang fröhlich, fast heiter. Seine grünen Augen leuchteten hell auf und Sprenkeljunges hätte schwören können, dass seine Schnurrhaare sich belustigt kräuselten.
Verwirrt wandte Luchsohr sich dem golden getigerten Kater zu. »Was meinst du damit?«
»Ich meine...«, sagte Funkenstern quälend langsam und streckte die Brust vor. Mittlerweile hatten sich schon alle WindClan-Katzen versammelt, sodass Sprenkeljunges, Nebeljunges und Funkenpfote sich dicht an die Erde pressen mussten, um wenigstens zwischen den vielen Beinen hindurch das geschehen verfolgen zu können. »Ich meine die Tatsache, dass Terra schon Mal Katzen getötet hat.«
»Jeder von uns hat schon jemanden getötet«, sprang Spritzklang der gefleckten Kätzin zur Seite. »Wir alle haben am alten Stein mitgekämpft.«
»Aber nicht alle haben eine bereits verletzte Katze kaltblütig ermordet.« Sein grüner Blick richtete sich auf Terra, die darunter zusammenzuckte als hätte ein harter Stein sie am Kopf erwischt. »Und erst recht haben nicht alle eine Katze ermordet, die die Mutter der eigenen Anführerin war.«
Geschocktes Schweigen legte sich über die Katzenmenge. Terra stand einfach nur mit hängendem Schweif da. Es war offensichtlich, dass das, was der Kater soeben gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. Sprenkeljunges empfand Mitleid für die Kätzin, doch gleichzeitig wollte sie ihr am liebsten die Krallen in den Pelz bohren und sie nach dem ›Warum‹ fragen, sie anschreien. Terra hat die Mutter meiner Mutter getötet!
Als nächstes geschah alles ganz schnell. Dunkeljunges schoss hinter Funkenstern hervor und sprang kreischend in Terras Gesicht. Luchsohr stolperte überfordert und fassungslos zurück, während andere Katzen herbeieilten. Es war kaum zu erkennen, ob sie den schwarzen Kater daran hindern wollten, sie zu verletzen oder ob sie ihrerseits auf Terra losgehen wollten.
Sprenkeljunges nahm kaum wahr, dass auch Funkenpfote sich in das Chaos stürzte. Sie wechselte nur einen Blick mit Nebeljunges und in seinen Augen stand der gleiche Schreck wie in ihren. Oh Schattenstern, Mutter, wann kommst du zurück!
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Lied zum Kapitel: Glen Gabriel - Mares Of The Night
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