Mörderische Krallen
Sprenkelpfote sträubte das Fell und bleckte die Zähne, als der erste Angreifer den provisorischen Heilerbau stürmte. Doch es brachte ihr nichts. Der riesige, schlammbedeckte Kater zögerte keinen Herzschlag lang und schleuderte die Schülerin mit einem kraftvollen Hieb seiner großen Pfote nach hinten, wo sie gegen Wirbelwasser stieß.
»Was soll das?«, fauchte die verletzte Kriegerin aufgebracht. Ihr Flanken bebten und Sprenkelpfote konnte erkennen, dass sie erneut aus einer Wunde am Bauch blutete, es jedoch zu verbergen versuchte. Auch ihre eigene Verletzung war wieder aufgerissen.
Der fremde Kater hielt sich nicht mit Antworten auf, sondern ging auf die zwei Kätzinnen los. Die Schülerin konnte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite werfen, aber Wirbelwasser war zu langsam. Sie kreischte vor Schmerz und Wut laut auf, als die scharfen Krallen ihr den Pelz zerfetzten.
»Hilfe!«, schrie Sprenkelpfote in der Hoffnung, jemand würde sie hören. Mit diesem Riesen würde sie nicht alleine fertig werden. Kräuselsturm hatte ihr bisher noch keine richtigen Kampftechniken gezeigt.
Auf ihren Schrei hin gab es draußen ein lautes Geheul und kurz bevor der massige Kater erneut angreifen konnte, wurde er von hinten gepackt. Jemand zerrte ihn aus dem Bau hinaus auf die Lichtung. Sprenkelpfote konnte gerade noch erkennen, dass eine dunkle Gestalt dem fremden Krieger mehrere Schläge verpasste, woraufhin er davonrannte. Die Gestalt hetzte hinter ihm her.
Besorgt ließ sich Sprenkelpfote neben Wirbelwasser nieder. Das dunkelgraue Fell der Kätzin war blutverklebt. Ihre Augen hatte sie nach oben, in Richtung Himmel, gerichtet. Warum ist sie so still? Panisch starrte sie auf ihre Brust und stellte erleichtert fest, dass sie sich noch hob und senkte. Aber die rote Pfütze, die sich langsam auf dem Boden ausbreitete, verhieß nichts Gutes. Ich muss Weises Reh holen! Sie muss irgendwo da draußen sein!
»Halte durch!«, rief sie Wirbelwasser zu und rannte hinaus. Sie hatte kaum einen Schritt getan, als auch schon zwei kämpfende Katzen an ihr vorbeistolperten. Spritzklang hieb unbarmherzig auf einen zerzausten Kater ein, den Sprenkelpfote als den Roten wiedererkannte.
Die Schülerin duckte sich und legte eingeschüchtert die Ohren an. Beim Kampf am alten Stein war sie noch beschützt worden, weil sie ein Junges gewesen war, aber jetzt... Sie hatte nicht erwartet, dass es sich so schrecklich anfühlen würde, wirklich mitten in einem Kampf zu stecken.
Ihr Blick flackerte von links nach rechts. Blut, Geifer, blitzende Augen, scharfe Krallen, schnappende Zähne. Eine fremde Katze, die sich mit schlamm- und blutbedecktem Fell davonschleppte. WindClan-Katzen, die um ihr Leben kämpften, umzingelt von ihren Feinden – dem DonnerClan. Oder was von ihm übriggeblieben war. Die drei Wölfe, die immer wieder nach den Kriegern schnappten, die versuchten, sich auf ihrem Rücken festzukrallen. Heulen, Kreischen, Schreien, Seufzen...
Und Sprenkelpfote mittendrin.
Ich muss Weises Reh finden! Nur das zählt!
Sie sammelte all ihren Mut und warf sich in das Gedränge, wich Wolfsmond aus, die sich gegen Bär und die Zornige gleichzeitig wehren musste. Ihre Pfoten schlitterten über den rutschigen Boden, der nun aus rotem Schneematsch bestand. Beinahe wäre sie gegen eine schildpatt-weiße Kätzin gestoßen, die sie trotzdem bemerkte und wütend zu ihr herumfuhr.
Sie hat keinen Schlamm im Fell, dachte sie noch, bevor die Kätzin zum Schlag ausholte. Der Hieb riss sie von den Pfoten, sodass die Schülerin mit pochenden Schmerzen in Kopf und Brust liegen blieb.
»WindClan-Katze!«, zischte die fremde Kriegerin. »Du bist doch die Schlaue, die sich als Erste auf das Territorium des WirbelClans verirrt hat! Sag mir, bist du vielleicht für all die Toten verantwortlich?«
»Lass sie in Ruhe, Veilchenblatt!«
Sprenkelpfote versuchte, aufzustehen, um ihren Retter zu sehen, doch sie schaffte es nicht. Alles drehte sich. Alles drehte sich wie wild um sie herum. Sie sah nur Schwarz. Durchspickt mit mal hier, mal dort aufleuchtenden Sternen.
»Du wagst es, mir Befehle zu erteilen?«, hörte sie die schildpatt-weiße Kätzin sagen. »Warum sollte ich sie in Ruhe lassen? Sie könnte die Mörderin sein! Sie ist eine WindClan-Katze! Oder weißt du, dass sie es nicht ist?«
»Sie ist es nicht.« Diese Stimme... Sie kam ihr so bekannt vor. »Sie ist es nicht, weil ich es bin, Schwester.«
»Schwes...?« Die Stimme der schildpatt-weißen Kriegerin ging in einem Gurgeln unter.
Sprenkelpfote spürte, wie etwas Warmes über ihr Fell spritzte. Kurz bevor die Sinne sie verließen hörte sie eine Stimme, die ihr etwas ins Ohr flüsterte:
»Du hättest nicht nach mir suchen dürfen, Liebes.«
***
Fliegenpfote ließ von Hirschpfote, dem hartnäckigen DonnerClan-Schüler ab, als er Sprenkelpfote am Boden liegen sah. Sein Herz setzte beim Anblick ihres blutbespritzten Fells einen Schlag aus. Sofort kassierte er einen kräftigen Hieb seines Gegners und stolperte benommen zurück. Doch statt zum Angriff überzugehen, zog er sich in das Gedränge der kämpfenden Katzen zurück. Als er sicher war, Hirschpfote abgehängt zu haben, rannte er zu seiner Freundin.
»Oh Großer Stern, mach, dass sie noch lebt. Mach, dass sie noch lebt!« Verzweifelt presste er ein Ohr an ihre Brust, um auf einen Herzschlag zu horchen. Er hatte gesehen, dass Regenmond das früher gemacht hatte, als Tatze von dem Ungeheuer erwischt worden war und ihr Bein verloren hatte. Doch da war nichts.
»Nein!« Sein Jaulen ging im Kreischen der Katzen unter. Noch hatte niemand bemerkt, dass er sich neben einer WindClan-Katze niedergelassen hatte. Dabei lag nur wenige Schwanzlängen von ihr entfernt die Leiche von Veilchenblatt, der ältesten Tochter des Großen Sterns. Ihre Kehle war aufgeschlitzt worden. Sprenkelpfote kann es nicht gewesen sein. Der Schnitt ist zu hoch für sie.Aber wer war es dann? Misstrauisch kniff er die Augen zusammen. Holte tief Luft und witterte, doch da war nur Blutgeruch.
Noch ein letztes Mal legte er den Kopf auf ihre Brust, lauschte, blendete alles andere aus. Da! Ganz schwach! Ein Herzschlag! Aber lange würde sie nicht durchhalten können. Sie hatte viel Blut verloren. Er war schon erschrocken gewesen, als sie mit der Wunde nahe der Brust ins Lager zurückgekehrt war, aber er hätte nicht gedacht, dass es noch schlimmer kommen könnte.
Ich muss Hilfe holen! Doch sein Kopf war leer. Nur die Sorge um Sprenkelpfote pochte darin, unaufhörlich. Reiß dich zusammen, Fliegenpfote! Reiß dich zusammen! Finde jemanden, der ihr helfen kann!
Er musste seine Pfoten dazu zwingen, ihre Seite zu verlassen. Geschickt schlängelte er sich zwischen den Kämpfenden hindurch bis zur Kinderstube, in der die Heilerin des WindClans kurz vor dem Angriff verschwunden war. Bei seinem Anblick legte Luchsohr die Ohren an und knurrte, während Blendfeuer damit beschäftigt war, Rose zurückzuhalten, die wie wild auf ihn einschlug.
»Weises Reh muss kommen!«, rief Fliegenpfote, um das Kampfgeschrei zu übertönen. »Es ist wegen Sprenkelpfote! Sie stirbt!«
Luchsohr wirkte kurz verunsichert, nickte aber, als er die Schülerin offenbar im Getümmel entdeckte. Gleichzeitig fuhr Rose mit blitzenden Augen zu Fliegenpfote herum.
»Verräter!«, fauchte sie. »Ich hätte wissen müssen, dass du dich auf ihre Seite...«
Ein Hieb von Blendfeuer schickte sie zu Boden, bevor sie sich aussprechen konnte. »Du redest du viel!«, schleuderte der weiße Kater ihn entgegen, woraufhin die Kriegerin davonstolperte.
Kurz darauf tauchte die Heilerin des WindClans aus der Kinderstube auf. Sie musste kaum älter als Fliegenpfote selbst sein, strahlte aber eine Weisheit und Erfahrung aus, die er sich nicht erklären konnte. Ohne zu zögern folgte sie ihm zu Sprenkelpfote und presste, wie er, zuerst das Ohr gegen ihre Brust.
»Sie hat viel Blut verloren«, murmelte Weises Reh. »Zu viel. Sie wird sterben.«
»Nein!« Fliegenpfote musste sich zusammenreißen, um die rotbraune Kätzin nicht durchzuschütteln. »Nein! Du musst doch etwas tun! Du bist doch die Heilerin! Rette sie!«
»Was?« Weises Reh schien ihn nicht gehört zu haben. Sie hatte den Kopf gehoben und starrte ins Leere. »Meinst du?«
Ist sie verrückt? Mit wem redet sie? Da ist niemand! Fassungslos beobachtete Fliegenpfote, wie die Heilerin gedankenverloren den Kopf hin und her wiegte.
»Aber du hast es doch noch nie gemacht! Woher weißt du, dass es funktionieren wird?« Ihre Schnurrhaare zuckten. Sie wirkte leicht gequält. »Wenn es die einzige Möglichkeit ist...« Sie nickte. »Gut.« Plötzlich war sie wieder ganz sie selbst. Ihre grünen Augen richteten sich auf Fliegenpfote. »Hol mir Schattenstern. Sofort.«
Hol Schattenstern!, hallte es in seinem Kopf wider. Sofort! Ohne nachzudenken stürzte er sich ins Getümmel.
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