Terra träumte. Sie befand sich in einer dunklen Höhle. Alleine. Vollkommen alleine. Die steinernen Wände bewegten sich immer weiter auf sie zu, bis die raue Oberfläche ihr Fell berührte und dann ihre Haut zerkratzte. Brennender Schmerz schoss durch ihren Körper. Doch es war ihr vollkommen egal. Sie hatte alles verloren. Warum jetzt nicht auch noch das Leben?
Stumm ließ sie das Leiden über sich ergehen. Spürte, wie ihre Knochen langsam nachgaben. Und plötzlich löste sie sich auf. Wurde zu einem Windhauch, der verzweifelt gegen die Höhlenwände wehte. Er stemmte sich gegen die Kraft des Steins, der langsam zu bröckeln anfing. Ein Körnchen nach dem anderen fiel zu Boden. Staub wirbelte auf.
Auf einmal durchschnitt ein Lichtstrahl die Finsternis. So blendend hell, dass Terra die Augen zusammenkneifen musste. Augen? Sie war erneut eine Katze! Eher lustlos stocherte sie mit den Krallen im Spalt herum. Der Stein war weich, wie sie erstaunt feststellte. Nur ein, zwei Mal musste sie kratzen, dann stürzte die gesamte Höhlenwand in sich zusammen.
Die Kätzin musste mehrmals blinzeln, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Draußen schien die Sonne. Ihre Strahlen wärmten ihren hellgrau-schwarzen Pelz. Eine weite Grasebene lag vor ihr. Allerdings waren die Halme nicht so hoch wie auf dem Territorium der DonnerClan- Nachfahren.
Ein Schnurren stieg in ihrer Kehle auf, als Fremdschattens Gestalt wie aus dem Nichts vor ihr auftauchte. Sein dunkelgrauer Pelz wirkte hier viel dichter und seine Muskeln zeichneten sich deutlich darunter ab. An seiner Seite tauchte eine gelbbraune Kätzin auf. Ihre gelben Augen funkelten Terra freundlich entgegen, die sich jedoch erschrocken duckte.
»Sei gegrüßt, Terra«, miaute Fremdschatten ihr zu.
Die ehemalige Clanlose wollte etwas antworten, doch die Worte blieben in ihrer Kehle stecken. Sie ist es! Die, die ich getötet habe! Nur diese beiden Sätze schwirrten in ihrem Kopf umher und raubten ihr den Verstand.
»Es tut mir leid«, presste sie schließlich hervor.
»Das muss es nicht«, antwortete die gelbbraune Kätzin als wüsste sie genau, worum es geht. »Du musstest es tun.«
»Was? Nein!« Verständnislos sah sie der Mutter der Schwarzen Blüte entgegen. »Ich hätte einfach weggehen können! Oder dich wie Fremdschatten zu den Clanlosen mitnehmen können, wo du sicher gesund geworden wärst!«
»Fremdschatten? Das war dein Name bei den Clanlosen?« Die gelbbraune Kätzin sah ihren Gefährten belustigt an, der verlegen auf seine Pfoten blickte.
»Terra hat ihn mir gegeben. Ich finde, er hat gepasst.«
»Ich wäre so oder so gestorben«, wandte Lichtblüte sich wieder an die gefleckte Kätzin. »Du hast mich von meinen Qualen erlöst. Ich habe dich sogar darum gebeten. Du hast nichts Falsches getan.«
»Dich trifft keine Schuld«, ergänzte Fremdschatten.
»Ich hätte nicht so unbedacht in die Schlucht der verlorenen Echos springen dürfen«, miaute Terra zerknirscht. »Dann wärst du noch am Leben.«
»Hättest du es nicht getan, wären Hechtkralle und du ebenfalls gestorben.«
Die hellgrau-schwarze Kätzin spürte einen schmerzhaften Stich in ihrer Brust. Warum muss es so viel Tod in der Welt geben? Warum so viel Leid und Qualen?
»Seid ihr hier, um mein Gewissen zu bereinigen?«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Das wird mir nicht helfen! Alle haben sich auf Funkensterns Seite gestellt! Sie sind alle gegen mich! Mein eigener Clan! Das einzige, was ich je hatte! Der einzige Ort, wo ich mich als wirklicher Teil einer Familie gefühlt habe! Ich habe alles verloren! Selbst Hechtkralle ist nicht da! Ich fühle mich so... so allein...«
Ein Fauchen drang aus ihrer Kehle, bevor sie es verhindern konnte. Verzweifelt, frustriert und wütend zugleich fuhr sie die Krallen aus und hieb auf ein Grasbüschel ein, das direkt vor ihren Pfoten aus dem Boden wuchs.
»Warum bist du wütend, Terra?«, fragte Fremdschatten. Seine warme Stimme ließ sie mitten im Schlag innehalten.
»Ich weiß es nicht!«, schrie sie ihn an.
»Auf wen bist du wütend?«, fragte der dunkelgraue Kater weiter.
»Ich...«
»Auf wen bist du wütend?«, wiederholte er seine Frage. Er wirkte vollkommen ruhig.
Wie kann er nur so ruhig sein? Ich habe seine Gefährtin getötet! Und seinen Sohn! All die Zeit bei den Clanlosen hätte er sich mit Leichtigkeit an mir rächen können! Warum hat er es nicht getan? Warum...
Und da ging ihr ein Licht auf. Er hat mir vergeben. Und Lichtblüte ebenfalls.
»Vergebung«, miaute die gelbbraune Kätzin wie als Bestätigung. »Vergebe dir selber und du kannst deinen Feinden – und Freunden – vergeben.«
»Ich soll mir verzeihen, dass ich euch und Aschenhaar getötet habe?« Ungläubig starrte Terra die beiden Katzen an. Fremdschatten und Lichtblüte nickten. »Aber... Das geht nicht!«
»Warum nicht?«, fragte der dunkelgraue Kater. »Sieh dich um.« Sie tat es. »Sieht es so aus, als würde es uns schlecht gehen? Wir sind nun im SternenClan. Wir wachen über unsere Tochter Schattenstern und über ihre Jungen. Wir wachen über den WindClan. Über jede einzelne Katze. Auch wenn nicht alle an uns glauben. Es geht uns hier besser als im FeuerClan. Und ich war sowieso zu alt für die Reise. Dich trifft keinerlei Schuld. Alles ist so gekommen wie es kommen sollte.«
»Du darfst nicht verzweifeln«, fügte Lichtblüte hinzu. »Du kannst die Vergangenheit nicht ändern. Jeder hätte vieles anders gemacht. Doch niemand wird erfahren, was geschehen wäre, hätte man etwas anderes gesagt, getan, gedacht.«
»Vergebe dir«, miaute Fremdschatten eindringlich.
»Und Funkenstern?«
»Was ist mit ihm?« Ihr alter Freund legte fragend den Kopf schief.
»Er hat allen die Wahrheit erzählt. Der WindClan glaubt ihm. Selbst wenn ich mir selbst vergebe: Meine Clan-Gefährten werden es nicht tun.«
Lichtblüte wechselte einen rätselhaften Blick mit ihrem Gefährten. Fremdschatten nickte, woraufhin die gelbbraune Kätzin meinte: »Darum werde ich mich kümmern.«
»Du musst nun aufwachen«, ergänzte der dunkelgraue Kater. »Du wirst gerufen.«
Alles verschwamm vor ihren Augen. Das letzte, was sie sah, waren die Augen der zwei SternenClan- Katzen. Das Blau von Fremdschatten und Lichtblütes Gelb vermischten sich zu einem grünen Strudel, der sie mit sich riss. Sie ließ es geschehen. Ihr wurde schwindelig.
»Terra! Wach auf! Du musst aufwachen!«
Aquas besorgtes Gesicht sprang ihr entgegen. Das Fell der gestreiften Kätzin war vor Entsetzen hoch aufgerichtet.
»Was ist passiert?«, fragte Terra verwirrt. Bevor ihre Freundin antworten konnte, ertönte ein lautes Kreischen. Sie riss ihre Augen weit auf, denn sie konnte es einfach nicht glauben. Luchsohr und Funkenstern rangen kämpfend miteinander. Die Krallen ausgefahren, die Zähne schnappten nach der Kehle des jeweils anderen.
Nein!
Sie rannte los.
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Mal ein etwas philosophisches Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch :)
Das Bild oben ist Schattenstern. Ich dachte mal, ich versuche was auf dem Computer zu zeichnen (und das ist verdammt schwierig, wenn man nicht mal eine Maus, sondern dieses Ding vom Laptop hat XD). Fragt mich bitte nicht, warum sie eine so spitze Schnauze hat XD Ich hab keine Ahnung. Es ist einfach passiert XD Eigentlich gehören ja auch noch Schattierungen bzw. Lichtreflexe dazu, aber dafür war ich zu faul XD Genauso wie für das Zeichnen des blinden, rechten Auges XD Deswegen die Seitenansicht. Naja, ich hoffe, es gefällt euch :)
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