Eingeweiht
Es dauerte nicht lange, bis Wasserpfote Sternenpfote und Kräuselpfote fand und sie zu ihnen brachte. Sonnenpfote hatte einen etwas abgelegenen Graben ausgesucht, in dem sie alles besprechen konnten ohne von ihren Mentoren gestört zu werden. Zumindest vorläufig.
»Dass du selbst zu uns gekommen bist, bestätigt nur meine Vermutung«, begrüßte Sternenpfote die gefleckte Kätzin vom WindClan. Sie wirkte etwas unruhig und nervös. Sonnenpfote bemerkte, dass sie einen leicht nach außen gewölbten Bauch hatte, also erwartete sie wohl Junge.
»Welche Vermutung?«, fragte Terra.
»Dass der SternenClan wirklich die zwölf Mächte neu verteilt hat«, antwortete Sternenpfote.
»Wie, neu verteilt?« Terra tat zwar ihr Bestes, um es zu verbergen, aber Sonnenpfote konnte trotzdem sehen, wie unheimlich sie den Anblick seines Bruders fand. Ja, sein Aussehen ist wirklich nicht für jeden...
»Ich habe meine Macht wiederbekommen«, kam Sonnenpfote ihm bei der Erklärung zu Hilfe. »Genauso wie Kräuselpfote.«
»Aber warum habe ich dann eine?«, wunderte Terra sich. »Und welche genau soll das sein? Die Macht, Mäusetunnel zum Einsturz bringen zu können?«
»Du besitzt die Macht der Erde«, meldete sich nun Kräuselpfote zu Wort. »Es war dir wegen deines Namens vorherbestimmt.« Die Heilerschülerin erzählte der WindClan-Kätzin das, was sie Sonnenpfote und Wasserpfote schon vor etwa einem halben Mond erklärt hatte. »Und mit der Macht der Erde kannst du Teile des Bodens bewegen. So wie du es schon bei der Jagd mit den Mäusetunneln gemacht hast«, schloss sie.
»Aber... ich kann diese Macht doch gar nicht kontrollieren!«, platzte Terra heraus. »Die Tunnel brechen von sich aus zusammen, wenn ich...«
»Wenn du unter Stress bist oder unter Druck stehst?«, hakte Sternenpfote nach. »So war es bei uns allen am Anfang. Ich habe meine Gabe das erste Mal benutzt, um Sommerflut das Leben zu retten, weil meine Mentorin ihn sonst mit Todesbeeren von seiner Qual erlöst hätte.«
Sonnenpfote nickte bestätigend. Er hatte seine Macht das erste Mal bei einem Kampftraining mit Mondpfote entdeckt. Unauffällig warf er einen Blick hinüber zu Kräuselpfote, vermutete aber, dass sie ihnen nicht erzählen wollte, wann es bei ihr das erste Mal passiert war. Vermutlich hing es mit ihrer Mutter zusammen. Mit unserer Mutter...
»Die Kontrolle kommt mit der Zeit«, erklärte Sternenpfote. »Du musst nur etwas üben.«
»Aber wofür sind diese Mächte überhaupt da?« Terra sah vom Einen zum Anderen. »Was bringen sie?«
Das wüsste ich auch gerne... Sonnenpfote sah zu seinem Bruder, aber der wirkte genauso ratlos. Seine schwarzen Augenhöhlen starrten ins Nichts.
»Das weiß nur der SternenClan«, antwortete er.
»Oder, anders gesagt, die Zeit wird es zeigen«, fügte Wasserpfote hinzu und plusterte ihr ohnehin schon flauschiges Fell noch weiter auf. Sonnenpfote rückte näher zu ihr, um ihr etwas von seiner Körperwärme abzugeben. Je näher sie dem Gebirge kamen, desto kälter wurde es irgendwie.
»Du hast gesagt, die Macht wäre durch meinen Namen vorherbestimmt«, wandte Terra sich nun an Kräuselpfote. »Und du hast noch weitere Namen genannt. Bedeutet das, dass Aqua und Ignis...«
Die Heilerschülerin nickte bestätigend. »Sie besitzen ebenfalls eine Macht. Aqua hat meiner Meinung nach sogar die wichtigste Macht. Wenn das, was kommen wird, vorbei ist, wird sie das Wissen um die Existenz der Mächte aus der Erinnerung aller Katzen löschen. So wird es niemanden mehr geben, der versucht, alle zwölf Mächte an sich zu reißen. Wie meine Mutter oder Düsterer Mond.«
»Aber sie hat mir nicht davon erzählt, dass...« Terra verstummte und zuckte dann, belustigt über sich selbst, mit den Schnurrhaaren. »Ich habe ihr auch nichts über meine Vermutung erzählt.«
»Und ich glaube, es ist eher schwer, herauszufinden, dass man die Gabe des Wassers hat«, meinte Wasserpfote und legte nachdenklich den Kopf schief. »Besonders bei einer Katze wie Aqua. Sie kämpft normalerweise nicht, oder? Wie soll sie da in eine Stresssituation kommen? Und wie soll sie dann herausfinden, dass sie die Erinnerung ihres Gegners verändert hat?«
»Stimmt«, gab Terra zu. »Und Ignis... Ich bin ihm das erste Mal begegnet, als er Spritzklang und mich vor einer Schlange gerettet hat. Aber er hat sie ganz normal mit einem Biss getötet, mit einer Berührung.«
Sternenpfote zupfte mit seinen Krallen nachdenklich an einem Grasbüschel vor sich herum. »Wir kennen ihn noch nicht gut genug, um ihn einschätzen zu können. Aber wir sollten dafür sorgen, dass er mit uns kommt. Was auch immer der SternenClan vorhat – es wird nicht funktionieren, wenn eine Katze der Macht fehlt.«
Terra nickte zustimmend, bis ihr scheinbar auffiel, dass der entstellte Kater das gar nicht sehen konnte. »Du hast recht. Als er kurz bei unserem Lager war, meinte er, er würde uns ins Gebirge folgen.«
»Das ist gut«, meinte Sternenpfote.
»Und was ist mit den anderen Katzen der Mächte?«, fragte Sonnenpfote. »Wir haben immer noch nicht rausgefunden, wer sie sind.«
»Das ist wirklich schwieriger als erwartet«, stimmte Sternenpfote ihm zu. »Es kann aber gut sein, dass es unter uns keine weiteren gibt.«
Kräusepfote sah ihn verwirrt an. »Wie meinst du das?«
»Zählt doch mal durch«, forderte der Kater sie auf. »Unter uns sind sechs Katzen der Mächte aus drei Clans. Und vor uns liegen noch zwei weitere Clans sowie eine lange Reisestrecke. Es ist gut möglich, dass wir die restlichen sechs noch gar nicht kennen. Vorausgesetzt, der SternenClan hat die Mächte dieses Mal ungefähr gleichmäßig zwischen allen Clans verteilt. Was ich jetzt einfach mal annehme.«
»Ich verstehe«, meinte Terra. »Und was machen wir dann?«
»Warten«, beschloss Sternenpfote. »Immerhin müssen wir uns in nächster Zeit darauf konzentrieren, die andere Seite des Gebirges lebendig zu erreichen.«
Sonnenpfote sah, wie die WindClan-Kätzin angespannt die Ohren anlegte.
»Ist es wirklich so gefährlich?«
»Ich habe gesehen, wie Dutzende von Katzen unter einer Lawine begraben wurden«, meinte Sonnenpfote düster und musste dabei gleichzeitig daran denken, wie Sonnenherz damals für einige Zeit die Kontrolle übernommen und einen wehrlosen Krieger getötet hatte. »Es war schrecklich.«
»Du solltest jetzt gehen«, miaute Wasserpfote an Terra gewandt, die seinen Stimmungsumschwung offenbar bemerkt hatte. »Sicher vermisst dein Clan dich schon. Und wir müssen auch zurück.«
»Soll ich Aqua eigentlich von dem erzählen, was wir besprochen haben?«, fragte Terra, kurz bevor sie den Graben hochkletterte.
»Erstmal nicht«, entschied Sternenpfote. »Nicht, solange wir so wenig wissen.«
Die gefleckte Kätzin nickte und verschwand in Richtung des WindClans.
»Wir sollten auch zurück«, meinte Wasserpfote und stieß Sonnenpfote auffordernd an. »Komm!«
Er kletterte hinter ihr aus dem Graben heraus, wunderte sich aber, dass Sternenpfote und Kräuselpfote ihnen nicht folgten. Sobald er außer Hörweite war, fingen sie aber an, miteinander zu reden. Heilergespräche, dachte er und konzentrierte sich darauf, auf dem Weg zum SchattenClan nicht über einen der herumliegenden Steine zu stolpern.
»Sonnenpfote!«, begrüßte Trauerjunges ihn sofort. Der kleine, schwarze Kater kam wie aus dem Nichts auf ihn zu geschossen und sprang an ihm hoch. »Zeig mir eine Kampftechnik! Oder eine Jagdtechnik!«
»Später vielleicht«, lehnte Sonnenpfote ab, aber der kleine Kater ließ nicht locker. Und jetzt kam auch noch seine Schwester dazu.
»Spiel mit uns!«, maunzte Tränenjunges. In ihrem Maul hatte sie einen Moosball, der fast so groß war wie sie selbst. Sie konnte ihn kaum tragen.
»Theoretisch haben wir Zeit«, flüsterte Wasserpfote ihm ins Ohr. »Die Krieger waren schon jagen und in den Gräben gibt es genug frisches, gesundes Wasser.«
Schließlich gab Sonnenpfote nach. »In Ordnung. Was soll ich euch zeigen?«
»Dachsreiten!«, rief Trauerjunges und hüpfte wieder an ihm hoch.
Sonnenpfote war fasziniert davon, wie schnell die Jungen ihre Spielideen ändern konnten, hockte sich aber trotzdem hin, damit der schwarze Kater auf ihn drauf klettern konnte. Wasserpfote nahm Tränenjunges auf ihren Rücken. Beide Jungen jauchzen begeistert, während die zwei Schüler sie tiefer ins Lager trugen. Dort erwartete sie schon Minzhaar. Die Älteste, die sich eigentlich um die beiden Jungen kümmerte, wirkte erschöpft.
»Wirklich nett von euch, dass ihr mit ihnen spielt«, seufzte sie. »Sie werden immer wilder und können kaum still sitzen. Da kommen meine alten Knochen nicht mehr hinterher.«
»Das machen wir doch gerne«, schnurrte Wasserpfote und machte einen kleinen Sprung, bei dem Tränenjunges entzückt fiepte.
Sonnenpfote zwang sich ebenfalls zu einem Schnurren. Wenigstens sehe ich Trauerjunges nicht, wenn er auf meinem Rücken sitzt. Aber wenn er etwas anderes spielen möchte... Er konnte spüren, dass Sonnenherz in ihm sich allmählich wieder regte. Terras schwarze Flecken hatten gereicht, um ihn seine geflüsterte, wenn auch bedrohliche Stimme hören zu lassen.
Schwarz wird das Ende sein, hatte er geflüstert. Für alle. Für dich, für mich, für jede einzelne Katze. Die Sonne verträgt sich nicht mit den Schatten in der Tiefe der Erde.
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