Abweisend
»Ich verspreche es!«, antworteten Sonnenpfote und Wasserpfote wie aus einem Mund. Er sah die Kätzin neben sich kurz an, bevor er sich wieder Windstern zuwandte. Erst heute Morgen hatten sie ihre Kriegerprüfung erfolgreich abgelegt, was sich in den Bergen als schwieriger erwiesen hatte als erwartet. Der Schneehase war ihm beinahe entwischt.
»Dann gebe ich euch im Namen des SternenClans eure Kriegernamen!«, verkündete der Anführer. »Sonnenpfote, von diesem Augenblick an wird man dich Sonnenlauf nennen. Der SchattenClan ist stolz auf deinen Mut und deine Schnelligkeit, unabhängig davon, ob du die Macht der Sonne besitzt oder nicht.«
Sonnenlauf senkte respektvoll den Kopf und hätte beinahe geschmunzelt. Außer seinem Bruder, Wasserpfote, Kräuselpfote und Terra aus dem WindClan wusste immer noch niemand, dass der SternenClan ihm seine Gabe zurückgegeben hatte.
»Und du, Wasserpfote, wird von diesem Moment an Wasserflüstern heißen«, fuhr Windstern fort. »Der SchattenClan ehrt deine Ruhe – auch in gefährlichen Situationen – und deine Fähigkeit, in allem doch noch etwas Positives zu finden.«
Der gefleckte Kater sprang von dem Stein herunter, von dem aus er die Zeremonie durchgeführt hatte, und trat vor die neu ernannten Krieger. Nacheinander legte er ihnen die Schnauze auf den Kopf, um sie als vollwertige Mitglieder des Clans willkommen zu heißen.
»Sonnenlauf! Wasserflüstern!«, erklangen sogleich die ersten Rufe. Sonnenlauf hörte Käferblumes Stimme heraus, aber auch die von Harzjäger. Am lautesten jubelte jedoch vermutlich Trauerjunges.
»Sonnenlauf! Sonnenlauf!« Der tiefschwarze Kater hüpfte neben seiner eher schweigsamen Schwester auf und ab und musste von Minzhaar daran gehindert werden, nach vorne zu laufen.
Auch die anderen Clans hatten die Kriegerzeremonie mitbekommen. Sonnenlauf hörte einige Stimmen heraus, die er kannte, aber am wichtigsten war ihm, dass Wasserflüstern an seiner Seite war. Verschwörerisch beugte er sich zu ihr rüber.
»Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?«, flüsterte er ihr zu.
Sie schnurrte belustigt. »Du warst ein Gefangener.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Ein sehr süßer Gefangener.«
»Hättest du je gedacht, dass wir Seite an Seite zu Kriegern ernannt werden?«
»Es ist wie ein Traum.« Wasserflüstern strich ihm fröhlich über die Seite und leckte dann über sein Ohr. »Aber ein sehr schöner Traum!«
»Um über eure neuen Pflichten als Krieger nachzudenken, werdet ihr heute Nacht über den Schlaf eurer Clan-Gefährten wachen«, erklärte Windstern und unterbrach somit ihr Gespräch.
»Das werden wir!«, bestätigte Wasserflüstern. Sonnenlauf nickte.
Damit löste sich die Versammlung allmählich auf. Die meisten Katzen zogen sich zurück, um vor der Weiterreise noch etwas zu Kräften zu kommen, aber einige kamen auch zu ihnen, um ihnen nochmal einzeln zu gratulieren.
»Ihr beide werdet wundervolle Krieger sein«, miaute Käferblume. Ihr eines Bernsteinauge leuchtete voller Stolz.
»Aber hört auf keinen Fall damit auf, euch anzustrengen!«, wehte Harzjägers ermahnende Stimme zu ihnen rüber. »Wer einmal verlernt hat, wie man lernt, lernt es danach nur schwer wieder.«
»Natürlich, Vater!«, rief Wasserflüstern ihm zu, während Sonnenlauf noch zu verstehen versuchte, was der Stellvertreter damit überhaupt meinte.
»Sonnenlauf! Sonnenlauf!«
Überrascht wich er Trauerjunges im letzten Moment aus, bevor der kleine Kater direkt in ihn hinein rennen konnte. Minzhaar rannte keuchend hinter ihm her und blieb schließlich bei ihnen stehen.
»Es tut mir furchtbar leid«, hechelte die Älteste. »Ich konnte ihn nicht mehr länger halten.«
»Sonnenlauf! Schau, was ich kann!« Trauerjunges sprang in die Luft, schlug mit den Vorderpfoten nach einem unsichtbaren Gegner und versuchte dann, sich in die andere Richtung zu drehen, scheiterte jedoch. Mit einem kläglichen Maunzen plumpste er zurück auf den Boden und leckte sich verlegen mit der Zunge über das Maul. »Eben hat es noch geklappt.«
»Das sah schon ganz toll aus!«, lobte Wasserflüstern ihn trotzdem und stieß Sonnenlauf etwas unsanft in die Seite, weil der tiefschwarze Kater nicht sie, sondern ihn erwartungsvoll anstarrte.
»Ja, ganz toll«, presste Sonnenlauf hervor und sah dann schnell weg.
Schwarzes Fell, flüsterte Sonnenherz in seinem Hinterkopf. Er hat ein schwarzes Herz. Er ist schwach. Ein Schwächling! Unwürdig!
»Er sieht dich als Vorbild seit du ihm auf dem Donnerweg das Leben gerettet hast«, miaute Minzhaar, die seine Reaktion offenbar nicht ganz verstand. »Er hofft, dass du ihn ausbilden wirst, sobald er zum Schüler ernannt wird.«
»Windstern entscheidet, wer sein Mentor wird«, meinte Sonnenlauf trocken.
»Du kannst ihn aber doch sicher fragen, oder?«, schlug Wasserflüstern vor. »Er wird bestimmt nicht Nein sagen.«
»Kann sein«, brummte er.
Wasserflüstern öffnete schon das Maul, um ihn wahrscheinlich für sein unfreundliches Verhalten zu rügen, doch zum Glück tauchte im selben Moment Sternenpfote auf. Du hast ja keine Ahnung, wie dankbar ich dir gerade bin, Bruder, dachte Sonnenlauf. Er ergriff die Gelegenheit und kam dem Heilerschüler entgegen. Bloßweg von Trauerjunges. Wasserflüstern folgte ihm.
»Dann bist du also endlich ein Krieger«, begrüßte Sternenpfote ihn. »Herzlichen Glückwunsch!«
»Danke.«
»Warum bist du so abweisend zu ihm?«, fuhr Wasserflüstern jetzt doch noch dazwischen.
»Zu wem?«
»Zu Trauerjunges natürlich! Schau, wie traurig er jetzt aussieht!«
Sonnenlauf warf einen Blick nach hinten und beobachtete, wie der kleine, schwarze Kater mit hängendem Kopf und auf dem Boden schleifenden Schweif hinter Minzhaar zurück zu Tränenjunges trottete.
»Gibt es etwas, was ich wissen sollte?«, fragte Sternenpfote.
Sonnenlauf zögerte. Ich darf mich nur frei bewegen, weil ich Sonnenherz mit Wasserflüsterns Hilfe unter Kontrolle habe. Aber was, wenn er mich in einem ungünstigen Moment überwältigt? Er ist ein ständiges Risiko! Ich werde in der Nähe von Katzen mit schwarzem Fell nie vollständig entspannt sein können!
»Es ist wegen Sonnenherz«, gab er schließlich zu. »Seine Vergangenheit... Schwarzherz, der ihn in den Wahnsinn getrieben hat, hatte schwarzes Fell. Und jetzt möchte Sonnenherz Rache an allen solchen Katzen.«
»Du meinst...?« Wasserflüsterns Augen weiteten sich. »Aber ich war vorhin doch bei dir! Es wäre nichts passiert!«
»Aber du kannst nicht immer bei mir sein!«, fuhr Sonnenlauf sie schärfer an als beabsichtigt. Er seufzte. »Tut mir leid.«
»Du möchtest nicht der Mentor von Trauerjunges werden, weil du Angst hast, Sonnenherz könnte ihn versehentlich verletzen«, verstand Sternenpfote sofort. »Er hat schwarzes Fell.«
Sonnenlauf nickte. »Ich habe einmal gegen Sonnenherz gekämpft, als ich nach dem Kampf gegen Düsterer Mond schwer verletzt war. Es war... irgendwie in meinem Kopf. Vielleicht auf dem Territorium des SternenClans, ich weiß es nicht. Aber keiner von uns beiden hat gewonnen. Ich bin vorher aufgewacht. Danach dachte ich eine Zeit lang, er hätte sich zurückgezogen, weil ich ihn nicht mehr gehört habe, aber jetzt ist er wieder da. Zwar nicht so stark wie vorher, aber immer noch eine dunkle Stimme in meinem Kopf.«
»Es muss eine Möglichkeit geben, ihn loszuwerden!« Wasserflüstern blickte hilfesuchend zu Sternenpfote. »Du bist doch ein Heiler! Du warst sogar der Schüler von Winternacht! Kannst du nicht etwas tun?«
»Ich fürchte, ich weiß keine Lösung«, gab der verbrannte Kater zu, wenn auch deutlich unzufrieden mit sich selbst. »Winternacht hat nie erwähnt, dass es so etwas geben könnte. Du bist die Wiedergeburt von Sonnenherz. Wenn du ihn nicht alleine besiegen kannst, wirst du wahrscheinlich die Hilfe des SternenClans brauchen.«
»Und wie bekomme ich die?« Sonnenlauf spürte einen leichten Hoffnungsschimmer in sich aufsteigen.
»Wir müssen warten, bis wir zu einem heiligen Ort kommen«, miaute Sternenpfote.
»Und wann wird das sein?«
»Vielleicht hat der FlussClan ja einen!«, warf Wasserflüstern ein.
»Schwer zu sagen«, meinte der Heilerschüler. »Der frühere DonnerClan und WindClan hatten ja auch keinen, wenn ich das richtig verstanden habe.« Seine leeren Augen richteten sich auf seinen Bruder. »Bis dahin solltest du dich am besten von allen schwarzen Katzen fern halten.«
Leichter gesagt als getan, dachte Sonnenlauf. Trauerjunges wird mich nicht von einem Tag auf den anderen in Ruhe lassen. Und ist ja nicht so, als hätte die WindClan-Anführerin schwarzes Fell!
Aus einem Reflex heraus schaute er zu Schattenstern hinüber und dann schnell wieder weg. Seitdem die Leichen von Nebeljäger und Lilientau gefunden worden waren, wirkte sie irgendwie geschwächt und vielleicht sogar krank. Die Ernennungszeremonie der neuen WindClan-Schüler hatte sogar ihr Stellvertreter Hechtkralle durchgeführt und nicht sie.
»Sieht so aus, als würden wir bald aufbrechen«, bemerkte Wasserflüstern mit einem Blick nach vorne, wo Ojiha sich bereits auf die Beine erhob. »Bestimmt werden wir morgen schon die Himmelberge verlassen haben! Schau, wie schön der Ausblick von hier aus ist!«
Sonnenlauf war dankbar für diese Ablenkung. Der Ausblick war in der Tat wunderschön. Vor ihnen waren zwischen zwei Berghängen hindurch schon grüne Wiesen zu sehen. Und dahinter, als unstetes, dunkles Band, erstreckte sich das Wasser, das Ojiha und Aer als Meer bezeichnet hatten.
Wie es dort wohl aussieht?, fragte er sich. Und wie der FlussClan lebt?
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Auch hier musste ich die Kriegerprüfung leider überspringen. Bestimmt habt ihr gemerkt, dass ein kleiner Zeitsprung stattgefunden hat. Zuvor waren die Clans noch irgendwo mitten im Gebirge und jetzt sind sie schon fast auf der anderen Seite. Das war nötig, um die Handlung schneller voranzubringen. Ich wollte es nur nochmal gesagt haben :)
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