Ingwerpfote
Ich lief gut gelaunt an der Grenze des Windclangebietes entlang. Einige Monate waren vergangen, seitdem ich zur Heilerschülerin ernannt worden war und Wieselkralle hatte Andeutungen gemacht, dass es nicht mehr all zu lange dauernd konnte, bis der Sternenclan mich auch als volle Heilerin akzeptierte.
Ich hatte Kräuter gesammelt und so stieg mir der wohlige, verführerische Duft von Katzenminze in die Nase. Ich widerstand dem Drang, sie einfach zu zerkauen und wollte gerade einen kleinen Hang hinunter springen, um mich auf den Weg zum Lager zu machen, als mir eine Gestalt auffiel, die sich durch das hohe Gras schlich. Es war meine Schwester Eispfote, die sich, sich nervös immer wieder nach hinten umdrehend, langsam aber sicher auf die Grenze zubewegte. Gut, vielleicht hatte Lahmfuß ihr aufgetragen, die Grenze zu kontrollieren, aber da musste man nun wirklich nicht so ein Geheimnis draus machen. Misstrauisch duckte ich mich, als Eispfotes Blick in meine Richtung wanderte. Nein, da musste etwas anderes dahinter stecken.
Eigentlich ist es ja nicht meine Art, anderen hinterher zu spionieren, aber bei meiner Schwester schien es einen wichtigen Grund zu haben, das spürte ich und so ignorierte ich mein schlechtes Gewissen und folgte Eispfote durch das hohe Gras. Ein einziges Mal würde Wieselkralle auch auf seine Katzenminze warten können, besonders, weil es eh keinen dringenden Fall gab, der behandelt werden musste, immerhin war es gerade Ende der Blattgrüne.
Neugierig und misstrauisch zugleich versuchte ich zu erahnen, wohin meine Schwester mich führen würde?
Eispfote machte währenddessen einen großen Bogen um das Windclangebiet und bewegte sich schließlich auf das Baumgeviert zu, was in Sternenclans Namen sollte das denn jetzt?
Als sie die Grenze überschritt und es nun keinen Zweifel mehr gab, dass sie entweder in das Gebiet eines anderen Clans eindringen oder zum Baumgeviert gehen wollte, war mein Interesse erst recht geweckt.
Ich wartete, bis sie die Steigung überwunden hatte und inzwischen den Steinfall hinunter zur Senke mit den vier Bäumen gelangt sein musste, dann kletterte auch ich den Hügel hinauf. Ich lugte über den Rand des Anstiegs und meine Augen wurden groß. Eispfote war auf einen braun getigerten Kater zu gehüpft, den ich als Eichelpfote von der großen Versammlung her kannte. Er war aus dem Flussclan. Gerade wollte ich aus meiner Deckung hervor springen und sie fragen, was das denn sollte, da fing sie an zu schnurren und sich an ihm zu reiben, als gäbe es kein Morgen.
Nein, das durfte doch nicht wahr sein! Meine Schwester war keine Verräterin! Sie brach nicht das Gesetz der Krieger und traf sich heimlich mit einem Kater aus einem anderen Clan, das tat sie nicht! Redete ich mir ein, aber ich musste mir schnell eingestehen, dass es ganz genau so aussah. Nun wurde ich wütend, was dachte sie sich eigentlich! Das es diese Regeln um sonst gab!
Ich sprang nun doch vor und ohne darauf zu achten, ob ich Geräusche machte oder nicht, arbeitete ich mich den felsigen Weg nach unten. Meine Schwester und Eichelpfote starrten mich entsetzt an, „Was tust du denn hier Ingwerpfote!", rief Eispfote erschrocken und perplex aus, als ich mit einem frustrierten Fauchen auf dem Boden landete, „ich wollte wissen, was du hier treibst!", gab ich zurück, „Du bist mir gefolgt!" „Ja, weil du dich komisch verhalten hast. Anscheinend war es ja die richtige Entscheidung." Kühl musterte ich Eichelpfote, der die Augen verengte und erwiderte: „Du weißt ja gar nicht, was hier los ist." „Und ob!", entfuhr es mir, „Ihr brecht das Gesetz der Krieger, ihr trefft euch obwohl kein Vollmond ist und ohne das es jemand weiß!" „Nun, jetzt weißt du es ja.", meinte Eichelpfote trocken, aber ich achtete nicht darauf, „Ihr hintergeht eure Clans und ich bin mir sicher, dass das nicht das erste Mal ist!" Ihren schuldbewussten Gesichtern nach zu urteilen hatte ich ins Schwarze getroffen.
Schweigen. Nur das leichte Pochen, wenn mein Schweif, den ich wütend durch die Luft peitschte gegen den Hochfelsen stieß war zu hören, „Hör mal Ingwerpfote", fing Eispfote an, aber ich schnitt ihr das Wort ab, „Ich höre nicht, ihr hört! Ich müsst damit aufhören, egal wie lange es schon dauert und egal wie viel es euch bedeutet!" Die Verzweiflung in meiner Stimme war deutlich zu hören. Eichelpfote schnaubte, „Das hättest du wohl gerne!" „Es geht hier nicht um mich! Es geht um eure Treue zu den Clans, ihr Mäusehirne! Ich will nicht wissen, warum ihr euch trefft, aber ich glaube es zu ahnen und das ist falsch!" Trotzig musterten die beiden mich und ich hatte das Gefühl, gegen eine Wand zu reden, was mich auch nicht gerade friedlich stimmte, „Okay, egal, was ihr davon haltet, Eispfote, wir gehen, jetzt!" Eispfote legte die Ohren an und sah mich verletzt an, „Ingwerpfote!" „Jetzt!" Ich wartete, bis sie mit einem letzten sehnsüchtigen Blick zurück vor mir den Steinfall hinauf geklettert war, dann folgte ich ihr, ohne zurück zu schauen......
Schweigend liefen wir den Weg zum Lager zurück, ich nahm das Bündel Katzenminze auf, dass ich zwischendurch hatte liegen lassen und warf Eispfote immer wieder wütende Blicke zu, „Jetzt guck doch nicht so Ingwerpfote!" Ich schnaubte, „Ich weiß ganz genau, was du denkst, aber ich kann ihn nicht aufgeben!" „Du musst." Wieder Schweigen.
Diese Diskussion führte zu nichts, das wusste ich, aber Eispfote musste doch einsehen, dass sie und Eichelpfote nicht nur etwas verbotenes taten, sondern sich auch in Gefahr begaben, was würde der Clan tun, wenn sie es herausfanden!
„Du erzählst es doch nicht den anderen, oder?" Diesmal hatte ich keine Antwort. Ich wusste, Eispfote würde mit großer Wahrscheinlichkeit nicht auf mich hören, aber konnte ich sie so einfach verraten? Nein, das konnte ich nicht, sie war doch meine Schwester!
Die ganze Nacht lag ich wach und dachte nach. Ich konnte sie nicht verraten, das konnte ich nicht. Aber ich konnte auch nicht meinen Clan belügen, ich wünschte, ich hätte Eispfote nie verfolgt, dann wäre das hier auch nie passiert.
Die Tage vergingen und Eispfote erzählte mir, sie und Eichelpfote hätten aufgehört sich zu treffen. Obwohl ich ihr nicht ganz traute, hakte ich nicht nach, ich denke, ich war froh mich in den Gedanken flüchten zu können, dass sie nun doch einsichtig geworden war, aber wie schon gesagt, ich hätte es besser wissen müssen.
Ich bekam meinen Heilernamen und wurde schließlich die Nachfolgerin von Wieselkralle. Ich vergaß Eichelpfote, der inzwischen Eichelhäher hieß, und meine Schwester komplett.
Doch der Sternenclan ist nicht so gütig, wie ich es vor Monden gewesen bin.
Wie es das Schicksal wollte, hatte ich mich kurzfristig entschieden zum Mondstein zu reisen und den Sternenclan um Hilfe zu bitten, welche Kräuter ich zur Behandlung von gelähmten Katzen einsetzen sollte, damit ihre anderen Körperteile nicht ab starben, was ich bei Ringelblumenjunges befürchtete.
Ich war noch nicht weit, als mir der Wind den Geruch von Donnerclan und Windclan entgegen trug. Ich stockte, drehte den Kopf und konnte weit hinter mir in einem kleinen Waldstück zwei Katzen ausmachen, die mir selbst auf diese Entfernung verdächtig bekannt vorkamen.
Oh nein! Schoss es mir durch den Kopf und ich raste los, noch im Laufen schrie ich: „Eisblüte!" Die weiße Kätzin fuhr herum, es war tatsächlich Eisblüte, die zusammen mit Eichelhäher unter einer Linde saß und sich die Zunge gab, ich konnte es nicht fassen!
„Ich glaub es nicht!", fauchte ich und meine Nackenhaare stellten sich sichtbar auf, während Eisblüte nichts sagen zu können schien, reckte Eichelhäher den Kopf in die Höhe und miaute: „Es ist uns egal, was du sagst Ingwersee, wir werden die Clans verlassen!" „Was! Eisblüte? Stimmt das?" Eisblüte schaute mich traurig, aber entschlossen an, „Ja Ingwersee, es tut mir Leid und auch, dass ich dich belogen habe, aber du musst mich verstehen, ich konnte nicht anders, ich liebe Eichelhäher und ich erwarte Junge von ihm, wir wollen uns einen Platz suchen, an dem wir zusammen leben können und unsere Gefühle nicht verstecken müssen." Sie klang beinahe stolz, als sie das sagte, aber mein Blick fiel auf etwas hinter ihnen und meine Augen weiteten sich vor Schreck, ich stolperte zurück, „Eisblüte, Eichelhäher, weg da! Hinter euch ist ein Fuchs!" Sie wirbelten herum, Eichelhäher fauchte und machte einen Buckel, Eisblüte schrie auf und bevor ich etwas tun konnte, hatte sich Eichelhäher auf den Fuchs gestürzt, „Meiner Familie tut niemand etwas!", rief er aus.
Ich sprang vor und hielt Eisblüte zurück, die Eichelhäher helfen wollte, „Nicht Eisblüte, du bekommst Junge, es könnte für euch tödlich enden!"
Gekreische, der Fuchs hatte Eichelhäher am Bauch erwischt, Blut schoss aus der Wunde, als ein Jaulen uns herumfahren ließ, mein Herz machte einen Sprung, eine Windclanpatroullie sprang heran und warf sich auf den Fuchs, der schon bald das Weite suchte.
Erst jetzt fiel mir Eichelhäher wieder ein, Eisblüte saß neben ihm und leckte ihm ängstlich über den Kopf, sein Atem ging schnell und flach, ich drängte mich an seine Seite und untersuchte die Wunde, „Spinnweben! Schnell!" Rebenpfote und Vogelpfote sprinteten los, kamen jedoch nur mit wenig Ausbeute zurück, doch es machte keinen Unterschied, noch während ich die Wunden versorgte, wusste ich, dass jede Hilfe zu spät kam, er verlor zu viel Blut und die Wunde war zu groß, „Es tut mir Leid", hauchte ich und sah mit schmerzerfülltem Blick auf den sterbenden Krieger, Eisblüte schob mich weg, „Was ist Ingwersee, warum hörst du auf! Eichelhäher!" „Es ist zu spät", murmelte ich und sah meine anderen Clankameraden traurig an, „Er wird zum Sternenclan gehen."
Ich wünschte, Wieselkralle wäre jetzt bei mir. Holunderschweif, meine beste Freundin drückte sich tröstend an meine Seite, während wir Eisblüte zusahen, die klagend an Eichelhähers Seite saß, mit einem letzten, liebevollem Blick auf Eisblüte atmete Eichelhäher aus und Stille trat ein.
Noch während Eisblütes Klagegeheul in den Himmel stieg, wurde mir bewusst, dass ich die erste Katze in meinem Leben als Heilerin verloren hatte.
Aber ich trat an die Seite meiner Schwester und drückte mich tröstend an sie es sollte die letzte sein.
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