Kapitel 8
Schwarzpfote saß im Heilerbau und sortierte mühsam Kräuter, doch in Gedanken war sie woanders. Bei Dunkelpfote. Ihr Sturz ist schon einen halben Mond her, trotzdem wacht sie nicht auf. Nur im Schlaf redet sie wirres, unverständliches Zeug.
Schwarzpfote seufzte. Außerdem hatte sie immer noch ein schlechtes Gewissen, weil sie Erlenherz ihre Vision vorerst verschwiegen hatte.
Als sie Brombeerstern von ihr erzählt und ihn um Rad gebeten hatte, wollte er damit nichts zu tun haben. "Das sind Heilerangelegenheiten. Lasst mich da bitte raus.", hatte er miaut. "Aber ich weiß nicht weiter.", hatte Schwarzpfote erwidert.
"Tut mir leid, aber besprich das mit Erlenherz.", hatte ihr Anführer geendet und Erlenherz zugenickt, der gekränkt zu Schwarzpfote herüber gesehen hatte.
Selbst bis heute hatten sie sich nicht ausgesprochen. Dabei tut mir doch alles so schrecklich leid. Ich hätte ihm vielleicht doch alles am Mondsee erzählen sollen.
Eine tiefe Traurigkeit bohrte sich in ihr Herz. "Wenn Erlenherz mir nie verzeiht, werde ich ihm das nicht übel nehmen.", murmelte sie in sich hinein.
Plötzlich hörte Schwarzpfote ein Rascheln und sie fuhr herum. "Dunkelpfote", rief sie aus. So schnell sie konnte sprang sie zu ihrer Schwester, die verzweifelt am Boden krümmte. "Was? Wieso soll ich gehen?", jammerte sie.
Schwarzpfote fuhr besorgt mit ihrer Pfote über Dunkelpfotes Flanke. Diese zuckte noch einmal mit den Beinen, dann blieb sie reglos liegen. Panik machte sich Schwarzpfote ihr breit. Hektisch sprang sie auf und sah sich um. "Was soll ich den jetzt machen?", fauchte sie.
Der Druck ließ sie kaum klar denken. Schnell legte sie Ohr auf Dunkelpfotes Brust. Ihr Atem ging schwerfällig und röchelte.
"Erlenherz. Häherfeder.", jaulte sie verzweifelt. Sofort stürmte ihr Mentor hinein. Als er sah, wie Schwarzpfote kläglich neben ihrer Schwester saß, sprang er vor. "Was ist passiert?"
Schwarzpfote wischte hektisch mit den Augen hin und her. "Dunkelpfote hat plötzlich angefangen zu sprechen, aber nicht so wie sonst. Dann hat sie gezuckt und dann...", versuchte sie so natürlich wie möglich zu erklären.
Erlenherz nickte, dann hockte er sich neben die schwarz Kätzin und horchte ihren Atem ab. "Sie atmet normal. Aber auch etwas schwerfällig. Hol doch bitte etwas Huflattich.", miaute er.
Schwarzpfote atmete innerlich auf drehte sich um und suchte sich ein paar Stängel heraus. Sie lief zurück zu Erlenherz. "Hier.", sagte sie. Erlenherz neigte knapp den Kopf. Dann presste er die Stängel aus und ließ den Saft in Dunkelpfotes Mund träufeln.
Schwarzpfote beobachtete ihn. "Wir könnten ihr auch noch ein bisschen Wasser geben.", schlug sie vor. Erlenherz sah sie an. "Gute Idee. Du findest Moos genug bei-" "Bei dem bewachsenen Stein, ich weiß.", unterbrach Schwarzpfote ihn barsch.
Sofort bereute sie es, ihn angefahren zu haben. "Es tut mir leid, ich...also-" Ihre Stimme brach. Was sollte sie sagen? Doch Erlenherz hob abwehrend eine Pfote. "Das macht nichts. Es ist alles gut.", sagte er ruhig und nickte ihr zu. "Ich war dir nicht böse, ich war nur enttäuscht."
Schwarzpfote erstarrte. Er ist nicht mehr sauer. Sie zögerte kurz. "Trotzdem tut es mir leid. Du hattest nur so viele Sorgen." Erlenherz schüttelte den Kopf. "Vergessen wir das Thema einfach.", entscheid er. "Aber wir sind hier noch nicht fertig." Schwarzpfote starrte auf ihre Pfoten.
Wie konnte sie das nur vergessen? So schnell sie konnte, besorgte sie ein getränktes Stück Moss und legte es vor ihrer Schwester ab. Vorsichtig träufelte sie das Wasser in Dunkelpfotes Mund, während Erlenherz ihre Brust massierte, damit sie es schluckte.
Plötzlich hustete sie. Erschrocken sprang Schwarzpfote zurück und beobachtete besorgt, wie Dunkelpfote sich mühsam aufrichtete. Ihre Augen sahen matt aus, ihre Beine waren zittrig.
Schwarzpfote war sich nicht sicher. Sollte sie erleichtert oder beängstigt sein?
Die Sonne versank hinter den Bergen und die Schatten der Spitzen verschlangen die restlichen Sonnenstrahlen.
Schwarzpfote lag entspannt vor dem Heilerbau. Zum Glück war heute ein besonders warmer Tag und ließ den Donnerclan hoffen, genug Beute zu fangen. Dunkelpfote ging es etwas besser. Erlenherz hatte ihr noch etwas Huflattich und Ringelblume gegeben. Sie durfte zwar noch nicht aus dem Lager, aber wenigstens aus dem Heilerbau.
Plötzlich ertönte Pfotengetrappel und die Abendpatrouille betrat das Lager, Bernsteinmond vorne weg. Hinter ihr, so musste Schwarzpfote entsetzt feststellen, gingen Löwenglut und Adlerfeder, die Punktglanz stützten. Die rote Kätzin humpelte und Blut sickerte aus ihrer Flanke.
Schwarzpfote sprang auf, doch ehe sie reagieren konnte, schoss Häherfeder aus dem Heilerbau. Sorgfältig schnupperte er an der Wunde.
Da trat Brombeerstern aus seinem Bau. Erschrocken weiteten sich seine Augen, als er Punktglanz sah und lief zu ihnen. "Was ist passiert?", wollte er wissen.
Adlerfeder, der gerade die zu spät ins Lager gekommene Neupfote begrüßte, schaute auf.
"Wir sind einer Windclan-Patrouille begegnet.", berichtete er. "Ottersee hat versucht sie zu provozieren, mit Erfolg. Punktglanz ist darauf angesprungen. Wir haben versucht sie zu beruhigen, aber-" Er schüttelte den Kopf. "Sie wollte anscheinend nicht hören.", vermutete Brombeerstern. "Wie schlimm ist es, Häherfeder?"
Der alte Heiler antwortete, ohne von seiner Arbeit aufzublicken. "So schlimm wie es halt ist, wenn Krieger nur Bienen im Hirn haben. Bloß ein paar Kratzer. Morgen kann sie vielleicht wieder aus dem Lager."
Adlerfeder nickte erleichtert. Brombeerstern wandte sich an Eichhornschweif, die vortrat. "Wir haben in letzter Zeit ziemlich viele Probleme.", stellte sie klar.
Schwarzpfote sah sie überrascht an. Worauf will sie hinaus? Brombeerstern legte den Kopf schief. "Was meinst du?" "Haben wir vielleicht den Sternenclan verärgert?" Eichhornschweif warf Häherfeder einen raschen Blick zu.
Schwarzpfote entging nicht, dass sie auch ihren Blick für wenige Herzschläge standhält.
"Ich denke nicht.", grunzte Häherfeder abfällig. "Der Sternenclan schadet den Clans nicht mit Absicht."
Schwarzpfote wurde unruhig und schlüpfte zurück in den Heilerbau. Erlenherz sah ihr entgegen. "Schon wieder Probleme?", fragte er. Sie neigte zustimmend den Kopf. "Punktglanz hat sich mit Ottersee gestritten."
Ihr Mentor blinzelte nachdenklich. "Gestritten?" Bevor Schwarzpfote antworten konnte, fuhr er fort. "Ich habe Eichhornschweifs Vermutung gehört. Häherfeder hat recht, aber was ist mit dem Sturm?"
Schwarzpfote erstarrte. Meint er etwa, dass diese Unglücke der Sturm sind?
In der Nacht träumte Schwarzpfote wieder. Sie befand sich auf einer Lichtung, umgeben von dichten Kiefernbäumen und einem kleinen Graben. Sie wusste, wo sie war. Ich bin im Territorium des Sternenclans.
Plötzlich tauchte Blaustern auf, doch neben ihr tappte eine weitere Kätzin mit getüpfelten Fell. "Hallo Schwarzpfote.", miaute sie. "Ich bin Tüpfelblatt, ehemalige Heilerin des Donnerclans. Wir müssen mit dir sprechen."
Schwarzpfotes Mund wurde trocken. "F-freut mich T-tüpfelblatt.", stotterte sie.
Blaustern schnurrte belustigt, wurde dann aber ernst. "Merke dir dies. Wenn Wolken die Sonne verdunkeln, zeigt sich, wer die Clans vor dem Sturm bewahren kann."
Schwarzpfote runzelte die Stirn. Das kannte sie doch schon.
Doch Tüpfelblatt hob auch zum sprechen an. "Einer in der Not, er ist der Retter." Schwarzpfote kiff die Augen zusammen. "Was meint ihr? Wer ist in Not?"
Blaustern und Tüpfelblatt wechselten kurz einen Blick, dann verschmolzen sie mit der Umgebung.
"Nicht schon wieder? Wer bin ich, dass sie mich andauernd aussuchen?", jammerte Schwarzpfote in sich hinein.
Wenn Wolken die Sonne verdunkeln, zeigt sich, wer die Clans vor dem Sturm bewahren kann. Sie schnaubte. Es gab doch jeden Tag Wolken. Und was meinten sie mit Sturm? Etwa der, von dem die anderen Heiler gewarnt wurden? Und wer ist in Not, wer ist der Retter? Plötzlich flammte ein Bild von einem braunen Kater in ihrem Kopf auf.
Stefan!
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