Kapitel 12
Die Sonne ging gerade hinter den Hochfelsen auf und die ersten Strahlen vertrieben die Schatten im Wald des Donnerclans, als Schwarzpfote aus dem Schülerbau heraustrat. Der Dunst des Nebels hing schwer in der Luft und Tautropfen glitten an den Fäden von Spinnennetzen hinunter. Ein Grashalm piekte der Schülerin von unten in den Ballen und kündigte die kommende Blattfrische an.
Sie gähnte ausgelassen. Um sie herum war nicht viel los, nur Eichhornschweif, die die Morgenpatrouille einteilte. Sie stand auf der Hochnase und beobachtete die versammelten Katzen. "Wer möchte eine Patrouille anführen?" "Ich könnte eine an der Schattenclan-Grenze entlang führen.", miaute Rosenblatt und reckte ihren Schwanz in die Höhe. "Ich würde gerne jagen.", stellte Beerennase sich zur Verfügung. Eichhornschweif nickte. "Perfekt. Dann schließe ich mich noch deiner Patrouille an, Rosenblatt. Beerennase, du wirst bei der Himmelseiche jagen Aber achtet darauf, nicht zu viel Beute zu machen, sonst bleibt für die Blattgrüne nichts mehr übrig."
Die genannten Katzen neigten gehorsam ihre Köpfe und suchten sich den Rest für ihre Patrouillen aus. Zum Glück ist die Blattleere so gut wie vorbei. Mit einem Seufzen drehte Schwarzpfote sich um und tappte zurück in den Heilerbau.
Der intensive Geruch von Huflattich strömte ihr entgegen. Sie folgte der Spur des Geruchs durch die herabhängenden Brombeerranken hindurch, die die Krieger zum Schutz für die kranken Katzen gebaut hatten. Da entdeckte sie Erlenherz, der neben Farnpelz kauerte und ihm ein paar Blätter hinschob. Der Älteste hustete, dann schob er sie weg. Erlenherz knurrte frustriert und stand auf. Schnell glitt Schwarzpfote herein an seine Seite.
"Gibt es Probleme?", fragte sie neugierig. Der Heiler wirbelte herum und blinzelte überrascht. "Schon wach? Na ja, Farnpelz hat Husten, weigert sich jedoch Kräuter zu sich zu nehmen." "Soll ich es mal versuchen?", schlug Schwarzpfote vor. "Kannst du, aber sei nicht enttäuscht.", grummelte Erlenherz zur Antwort. Damit trottete er durch den Ausgang nach draußen.
Schwarzpfote sah ihm kurz nach, schließlich wandte sie sich an Farnpelz. Sie erschrak über den Zustand des Ältesten. Sein Fell war abgestumpft und ungepflegt, seine Augen waren abwesend und man konnte seine Rippen zählen.
"Wann hast du das letzte Mal gefressen?", fragte Schwarzpfote eindringlich, wobei sie Farnpelz Blick standhielt. "Vielleicht vor zwei Sonnenaufgängen. Es ist Blattleerere, da kann ich mal auf etwas verzichten.", krächzte der Kater und zuckte mit den Schultern. "Ich bringe dir nachher ein Stück Frischbeute, was du auch frisst." Schwarzpfote bedachte ihn mit einem strengen Blick. Er machte schon den Mund auf, um zu protestieren, wurde aber von einem Hustenanfall unterbrochen.
Besorgt wich die weiße Kätzin einen Schritt zurück. Farnpelz sah sie müde an und murmelte: "Meine Zeit zum Sternenclan zu gehen ist bald gekommen. Vielen Dank für deine Bemühungen."
"Sag doch so etwas nicht.", maunzte Schwarzpfote schockiert. Sie spürte, wie Trauer ihr die Kehle zuschnürte und sie hatte Mühe, weiter zu sprechen. "Du hast noch einige Blattwechsel vor dir." "Nicht mit diesen alten Knochen und dem elenden Husten.", stritt Farnpelz ab. "Doch. Wenn du diese Kräuter frisst." Schwarzpfote schob ihm die Blätter zu.
"Gib die lieber den Jüngeren.", hob er an und legte den Kopf ab. "Es wäre Verschwendung sie-" "Nein.", unterbrach sie ihn barsch. Seine Augen weiteten sich. "Denkst du", fuhr Schwarzpfote fort, "Wolkenschweif würde das so sehen? Natürlich nicht.", miaute sie, ohne dem goldenen Kater Zeit zum antworten zu geben. "Und was ist mit Ampferschweif?" Er riss den Kopf hoch, als sie seine ehemalige Gefährtin erwähnte. Ich habe vermutlich eine empfindliche Stelle getroffen, aber es geht nicht anders.
"Also friss jetzt diese Kräuter, sonst hole ich Häherfeder.", knurrte Schwarzpfote und unterdrückte ein Schnurren, als Farnpelz die Blätter hektisch aufleckte.
Zufrieden schnippte sie mit der Schwanzspitze. "Du kannst gehen. Ich sehe später nochmal nach dir. Der Älteste erhob sich schwer und torkelte aus dem Bau. Plötzlich spürte sie ihren Hunger. "Erst einmal ein schönes Stück Frischbeute.", murmelte sie vor sich hin.
"Knurrt dir der Magen?", ertönte da eine verächtlich Stimme hinter den Brombeerranken. Schwarzpfote zuckte zusammen. Dahlienpfote, nicht die schon wieder. Sie drehte sich zu der getüpfelten Schülerin um und musterte sie mit genervten Blick. "Was willst du Dahlienpfote? Hast du dich verletzt?" Die Kätzin schnaubte wütend. "Ich brauche keine Hilfe von dir.", miaute sie. "Ich suche Stachelkralle. Ich wollte mir mit ihm ein Kaninchen teilen, aber das brauchst du wohl dringender. Obwohl ich die Beute fange und kämpfe und du mit Blätter rumhantierst."
Schwarzpfote funkelte sie empört an und legte die Ohren an. Ich hantiere nicht mit Blättern herum, sondern heile meine Clangefährten mit Kräutern.", fauchte sie. "Natürlich.", maunzte Dahlienpfote unbeeindruckt. "Ich würde das gleiche sagen, wenn ich die unbedeutendste Aufgabe im ganzen Clan hätte." Schwarzpfote erstarrte. Hatte diese Kätzin das gerade wirklich gesagt? "Ohne Erlenherz wärst du doch nichts.", fuhr Dahlienpfote fort. "Man könnte sagen, du bist Frischbeuteverschwendung." Frischbeuteverschwendung? Ich bin keine, aber du bist Frischbeute, wenn du das nicht sofort zurück nimmst. Am liebsten hätte die weiße Kätzin diese Worte laut ausgesprochen.
Wut kochte in ihr hoch und sie bohrte ihre Krallen in die Erde. So gerne hätte sie Dahlienpfote diese über die Schnauze gezogen. Sie machte einen Schritt vor und erwiderte ihren eisigen Blick. "Ich glaube Stachelkralle ist im Fluss baden gegangen. Spring doch rein und sie nach.", knurrte sie, dann trat sie aus dem Bau.
"Vielleicht mache ich das. Sogar Schwimmen kann ich besser als du.", rief Dahlienpfote ihr nach.
Schwarzpfote ignorierte sie gekonnt. Draußen war es inzwischen deutlich heller geworden. Sie trabte an der Lichtung entlang zum Frischbeutehaufen, nahm sich eine Spitzmaus und trug sie zu ihrem Stammplatz, dem Holunderbusch. Erleichtert biss sie in das saftige Fleisch. Doch da fielen ihr Dahlienpfotes Worte wieder ein. Ich würde das gleiche sagen, wenn ich die unbedeutendste Aufgabe im ganzen Clan hätte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie schob diesen Gedanken beiseite. Was für ein Fuchsdung. Ich bin nicht unbedeutend.
Doch irgendwie musste sie der jüngeren Schülerin recht geben. Während diese jagte und den Clan verteidigte, saß Schwarzpfote im Lager und sammelte Zecken aus dem Pelz der Ältesten. Sie konnte diese kleine Stimme in ihrem Inneren nicht unterdrücken. Mit einem Kloß im Hals schluckte sie den letzten Bissen Frischbeute hinunter. Sie sah sich um.
Blattschatten und Nelkenbart gaben sich die Zungen und Mausbart, Efeusee und Beerennase dösten entspannt vor dem Schülerbau. Doch plötzlich trommelte der Boden und Schwarzpfote wirbelte zum Eingang herum. Sie atmete erleichtert aus, als sie das hellgraue Fell von Hummelstreif entdeckte. Ihm folgten Birkenfall, Lerchenlied und Flossensprung. Schwarzpfote wurde von Aufregung gepackt und lief zu ihnen. "Und? Habt ihr sie gefunden?" Hummelstreif hechelte noch immer. "Gleich.", brachte er hervor.
Da sprang Brombeerstern von der Hochnase und lief zu ihnen. Sein Blick war verwirrt. "Was ist los?", hakte er nach. Hummelstreif wedelte andeutend mit dem Schwanz. "Können wir das in deinem Bau besprechen?" Brombeerstern zuckte mit den Schultern. "Von mir aus."
Schwarzpfote sah ihren Anführer flehend an. "Darf ich mitkommen?" Brombeerstern erwiderte überrascht ihren Blick und machte ein bedächtiges Gesicht. "Hast du keine Aufgaben zu erledigen?" Unerschrocken hob sie ihr Kinn. "Erlenherz hat mir nichts gesagt.", beteuerte sie. Ihr Anführer seufzte laut und gab nach. "Dann komm mit." Er winkte Hummelstreif und Schwarzpfote zu. Gemeinsam liefen sie zum Anführerbau und verschwanden in ihm. Schnell setze Schwarzpfote sich hin.
"Habt ihr eine Spur gefunden?", fragte sie und brach die Stille. "Nein, sonst hätte ich das schon gesagt.", blaffte Hummelstreif, als wolle er seine Enttäuschung verbergen. Schwarzpfote spürte, wie ihre Beine anfingen zu zittern. Sie haben Dunkelpfote immer noch nicht gefunden. Vor ein paar Sonnenaufgängen hatte sie ihre Schwester als vermisst gemeldet, weil diese nicht mehr aufgetaucht war. Brombeerstern wollte eigentlich noch länger warten, was sie nicht akzeptierte.
Also hatte sie es zusammen mit ihrer Familie noch einmal versucht und er hatte nachgegeben.
Und nun muss ich erfahren, dass es noch immer keine Spur gibt. Wütend peitschte Schwarzpfote mit dem Schweif auf und ab. Was würde passieren, sollten sie Dunkelpfote nie wieder finden?
Brombeerstern legte ihr tröstend die Schwanzspitze auf die Schulter und als ob er ihre Gedanken lesen könnte, maunzte er: "Wir werden sie schon finden. Ich weiß es." Seine Worte waren freundlich, aber leer. Schwarzpfote wusste, er konnte ihr nichts versprechen. "Und wenn nicht?", wimmerte sie leise und schaute zu Hummelstreif, der ihrem Blick auswich. Keiner beantwortete ihre Frage.
"Ich gehe dann mal.", murmelte sie und erhob sich. Ihre Beine waren wacklig. Langsam schob sie sich aus dem Bau. Draußen schien die Sonne, nur noch der eisige Wind erinnerte an an die Blattleere.
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