
Funkenjunges
Funkenjunges war mit ihren Kräften am Ende.
Jeder Muskel ihres Körpers schmerzte und ihre kleine Brust hob und senkte sich in unregelmäßigem Takt. Sie keuchte und die Luft brannte schmerzhaft in ihren Lungen.
Und ihr war kalt. Schweinekalt. Ihr Fell war völlig durchnässt und klebte ihr am Körper wie eine zweite Haut. Warum konnte sie ihre Mutter nicht höher halten, als sie über den Fluss geschwommen ist?
Kalt, kalt, kalt, kalt ...
Funkenjunges versuchte Schritt zu halten. Aber ihre Mutter unterhielt sich mit Nebelpfote und bemerkte das bibbernde Junge genauso wenig, wie der Rest der Katzen. Funkenjunges blinzelte erschöpft und versuchte, nicht auf die spitzen Kiesel zu treten, die nun immer öfter auf dem mit kleinen, nadeligen Bäumen bedeckten Heideboden auftauchten.
Warum wollte Mama nicht bei den anderen bleiben? fragte sich Funkenjunges traurig. Sie vermisste jetzt schon furchtbar ihre Spielkameraden. Vor allem Moosjunges.
Jetzt war sie ganz allein. Allein unter all diesen großen , gruseligen Katzen mit all den Narben und den ernsten Gesichtern.
Ich will zurück ... dachte sie bekümmert und stolperte nun schon zum zehnten Mal.
Ihre rechte Pfote schürfte über einen rauen Felsen, der unmittelbar unter dem Heidekraut aufgetaucht war und sie maunzte auf.
Au, au, au , au klagte Funkenjunges innerlich. Sie versuchte tapfer zu sein, aber sie konnte ein klägliches Winseln nicht verhindern. Völlig entkräftet und zitternd blieb sie mit der eingeschlagenen Pfote unter ihrem Bauch halb auf dem Felsen, zur anderen Hälfte im Heidekraut liegen. Ihre Schnauze schnaufte heftig auf dem kalten Stein. Im einen Moment war Funkenjunges einfach froh, ihr Kinn auf dem Felsen ruhen lassen zu können und ihren kleinen Beinen eine Pause zu gönnen, doch dann blinzelte sie erschöpft und ihr Blick viel auf den weißen Pelz von Himmelssturm, der am Ende des Katzenzugs seinen Bruder stützte.
Er war schrecklich weit entfernt. Und ihre Mutter konnte sie nicht einmal unter den Katzen ausmachen.
"Wartet!", jaulte sie, doch ihre Kehle war so ausgetrocknet, das nur ein heiserer Lufthauch ihr Maul verließ. Sie rappelte sich mühsam auf, glitt dabei auf dem von ihrem Fell durchnässten Gestein aus und verletzte sich die Nase an dem stacheligen Heidekraut, bevor sie humpelnd versuchte, aufzuschließen.
Funkenjunges war nach Heulen zu Mute.
Wartet doch! Warum wartet ihr denn nicht?
Sie beeilte sich, doch der Boden wurde zunehmend steinig und das Heidekraut zog sich komplett zurück. Sie stolperte immer öfter, blieb in winzigen Rissen hängen und schürfte sich ihre zarten Ballen auf. Verzweifelt miaute sie, doch es endete meistens in einem Husten.
Sie fror furchtbar. Bald umwehte sie die erste kalte Bergluft und drang bis auf die Knochen.
Sie hatte die Augen fest zu gekniffen und setzte nur noch eine Pfote vor die andere. Ihre Mutter würde sie holen. Ganz bestimmt. Da war sich Funkenjunges sicher. Gleich würde sie kommen und ...
Ein fremdartiger Schrei zerriss die Luft.
Funkenjunges duckte sich instinktiv, doch das half wenig, als sich etwas Scharfes schmerzhaft in ihren Bauch grub und ihren gesamten Körper umschloss.
Mit einem Ruck wurde sie hoch in die Luft gerissen.
"AAaaaa!", schrie Funkenjunges. Die Panik ließ ihre Stimme in die Höhe schnellen und laut über die Felsen schallen. Wild suchten ihre Pfoten nach Halt, doch es gab keinen, stattdessen spürte sie, wie der Wind an ihrem Fell riss und sie immer höher getragen wurde. Sie wand sich, schlug mit de Hinterpfoten aus, fuhr ihre kleinen Krallen aus und versuchte, sie in irgendetwas zu schlagen, doch das unbekannte Wesen schüttelte sie durch, sodass sie bald nicht mehr wusste, wo ihr der Kopf stand.
"Funkenjunges!!!"
Der verzweifelte Ruf ihrer Mutter ließ Funkenjunges aufhorchen und erbitteter, heftiger kämpfen. Sie rollte sich zusammen und entdeckte etwas Gelbes unter ihrem Bauch. Aha!
"Lass.. mich...los!", fauchte sie und biss so fest sie eben konnte in das harte Fleisch.
Das Wesen stieß einen Schrei aus und ließ schlagartig los.
Funkenjunges Herz setzte aus, als sie im freien Fall durch die Luft sauste. Fassungslos strampelte sie mit allen Vieren und starrte entsetzt auf die grauen Bergklippen, die tief unter ihr immer näher kamen.
"Hilfe!! Hilfe, Mama, hilfe!!", schrie Funkenjunges panisch. Sie kniff die Augen so fest zu, wie sie konnte, und alles, woran sie denken konnte, war, wie schmerzhaft der Aufprall sein würde. Wie ihr Körper auf den Felsen zerbrach wie ein trockener Ast.
Plötzlich durchbohrte etwas ihren Schwanz und mit einem heftigen Ruck baumelte sie mitten in der Luft.
Funkenjunges kreischte wie am Spieß. So einen Schmerz hatte sie noch nie in ihrem Leben gespürt. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie schnappte krampfhaft nach Luft, aber ihre Lungen versagten vor Schreck den Dienst.
Sie war kurz davor das Bewusstsein zu verlieren.
Dann stürzte das Tier mit ihr in den Klauen nach unten.
Etwas Großes hatte sich in die Luft katapultiert und seine Krallen in das Tier geschlagen. Kreischend und wild mit den Flügeln um sich schlagend wehrte sich ihr Entführer, doch schon Sekunden später knallte es mit voller Wucht auf den Boden.
Das Reißen an ihrem Schweif, die Wunde an ihrem Bauch und nun der Sturz auf den Felsboden gaben ihr den Rest.
Alles wurde Schwarz.
Nur einen gefühlten Herzschlag später schlug sie die Augen auf und schnappte nach Luft.
Der Schmerz war unerträglich. Hätte sie die Kraft zu schreien gehabt, sie hätte es getan. Doch jeder Funke Kraft hatte ihren Körper verlassen. Nicht nur ihre Beine, ihr verletzter Schwanz, ihre Kopf, ihre Ohren ... alles war komplett schlaff und kraftlos. Ihre Augen hatte sie sofort wieder geschlossen.
Sie spürte, wie sie sanft hin und hergeschaukelt wurde. Weiches Fell unter ihr.
Bevor sie wieder einschlief, konnte sie noch ein kaum hörbares, schwaches Schnurren von sich geben, dann empfing sie die tröstende, schmerzlose Dunkelheit.
Die nächsten Stunden waren chaotisch. Sie verlor immer wieder das Bewusstsein, während der Kater unter ihr mit all den anderen Katzen weiterwanderte. Wenn sie einmal lang genug wach war, konnte sie den vertrauten Duft ihrer Mutter riechen und die scharfe, besorgte Note verfolgte sie bis in ihre fiebernden Albträume. Ihr nasses Fell war jedes Mal ein Stück trockener und etwas Raues, das in regelmäßigen Bewegungen über ihren Pelz fuhr, ließ ihr langsam immer wärmer werden.
Wenn sie wach war, war der Schmerz so schlimm, dass sie verzweifelt den Schlaf herbeisehnte.
Und so ging es den ganzen Tag.
Als sie das nächste Mal die Augen öffnete, lag sie in einem warmen Nest aus Gras dicht an das Fell ihrer Mutter gekuschelt. Der Schmerz und ihre Erschöpfung vernebelte ihre Sinne.
Sie bekam nicht viel mit.
Wind streifte sanft über ihren Kopf.
Sie hörte Fauchen und Schreie. Schreckliches Brüllen. Kreischen.
Und immer wieder war da ihre Mutter, die sich zitternd an sie drückte.
"Alles wird gut, alles wird gut. Vertrau mir, alles wird gut"
Funkenjunges schnurrte leise und drückte ihren vor Schmerz bebenden Körper noch fester in den dichten Pelz.
Sie vertraute ihrer Mutter. Alles würde gut werden.
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