6. Kapitel
Funkensee schlug die Augen auf und war sofort hellwach. Ich muss zum Magerclan zurück! Aufgeregt rappelte sich die Kätzin auf und begann, ihr Fell mit eiligen Zungenstrichen zu säubern, bis es glänzte. Ohne ihr Nest zu beseitigen oder etwas zu frühstücken machte sie sich auf den Weg. Die Grenze war schnell überquert. Sie hatte nur wenige Fuchslängen davon entfernt übernachtet. Sofort fühlte sich die Kriegerin beim Anblick ihres vertrauten Territoriums pudelwohl. Ich kann es kaum erwarten, alle anderen zu treffen!
Funkensee legte nachdenklich den Kopf schief. Eigentlich wollte sie eher nicht von einer Patrouille aufgesammelt werden. Da wäre ja der Überraschungseffekt nicht mehr so groß und Funkensee hatte eigentlich vor, einen atemberaubenden Auftritt hinzulegen! Ein Blick in den Himmel genügte und sie wusste, dass die Sonne gerade erst dabei war, aufzugehen. Die Morgenpatrouille sollte sich also bald auf den Weg machen. Wenn ich vorher das Lager erreicht haben will, muss ich schnell sein!
Mit zügigen Schritten marschierte die rote Kätzin durch den Wald. Ihre Ohren waren gespitzt, für den Fall, dass sie Katzen kommen hörte und sich verstecken müsste. Doch es blieb friedlich und keiner hielt sie auf. Kurz nach Sonnenaufgang hatte sie das Lager erreicht. Vor dem Eingang hielt Funkensee kurz inne und lauschte. Sie hörte Stimmen auf der Lichtung. Da war Sturmflügel, die 2.Anführerin, die in gebieterischem Tonfall die Patrouillen einteilte. "Graunebel! Du nimmst Waldtatze, Eistatze und Wolkenzahn mit auf die Jagdt! Spatzenlied! Du kontrollierst die Grenze! Blumenglanz begleitet dich! Fuchsklaue kommt auch mit euch mit! Und jetzt los!"
Sofort hörte Funkensee, wie sich die Katzen in Bewegung setzten. Nun musste sie schnell handeln und das Lager betreten, bevor sie hier draußen entdeckt wurde. Also atmete die Kriegerin ein letztes Mal tief ein, bevor sie ihr Versteck verließ und mit möglichst eleganten Schritten das Lager betrat. Es dauerte ein paar Herzschläge, bis jemand sie bemerkte, doch als das passierte, wurde es schlagartig still. Sprachlos starrten die Katzen in ihre Richtung und Funkensee erwiderte jeden einzelnen ihrer Blicke möglichst gelassen. Dann setzte das Gemurmel ein: "Funkensee? Ist das Funkensee?" - "Alle dachten, sie wäre tot!" - "Sie sieht so verändert aus!"
Dann trat auch Steinstern aus seinem Bau, wahrscheinlich hatte ihn jemand schnell über Funkensee's Ankunft informiert. Augenblicklich machten alle dem grauen Kater Platz, der steifbeinig nach vorne ging und vor Funkensee stehen blieb. Seine kalten, blauen Augen musterten sie von oben bis unten. "Du hast abgenommen", stellte der Kater fest. Das wars. Kein: "Wo warst du?", kein: "Wie geht es dir?" und kein: "Was ist passiert?" Nur diese eine, simple Bemerkung. Die rote Kriegerin machte sich aber nicht die Mühe, sich verletzt zu fühlen. In diesem Clan war es normal, auf sein Äußeres reduziert zu werden. Alles andere war nicht von Bedeutung. Das wusste sie bereits. "Ja", miaute sie also nüchtern. "Ich habe wohl offensichtlich abgenommen"
Steinstern nickte als Zeichen, dass er ihre Antwort zur Kenntnis genommen hatte. "Willkommen zurück", meinte er knapp. "Du kannst dich gleich einer Patrouille anschließen" Sofort rief jemand laut: "Sie kann gerne mit uns mitkommen!" Funkensee drehte sich verwirrt um, um nachzusehen, wer gesprochen hatte. Erstaunt begegnete sie Fuchsklaue's Blick, der sie freundlich lächelnd musterte. Ihr Herz machte bei seinem Anblick einen Satz. Wie sehr sie den gutaussehenden, flammenfarbenen Kater vermisst hatte.
"Gut. Dann geht Mal los" Durch Steinstern's Worte schaffte es Funkensee, ihre Augen von Fuchsklaue zu lösen. Ohne ein weiteres Wort tappte sie zu den anderen Katzen ihrer Patrouille, die sich bereits versammelt hatten und auf die warteten. Der Kriegerin war bewusst, dass alle Blicke noch immer auf sie gerichtet waren. Keiner schien so richtig glauben zu können, dass diese dünne Kätzin wirklich die ehemals pummelige Funkensee war. Diejenigen, die nicht ganz so schlank wie Funkensee waren, sahen ihr sogar mit einer Spur Neid hinterher. Funkensee war dies unangenehm, ihr war heiß unter dem Pelz, denn sie war es nicht gewohnt, so angesehen zu werden. Doch sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
Als sie bei den anderen angekommen war, wurde sie erstaunlich freundlich von ihnen empfangen. Spatzenlied nickte ihr lächelnd zu, Graunebel schnurrte, Waldtatze begrüßte sie mit steil aufgestrecktem Schweif, Eistatze zuckte fröhlich mit einem Ohr in ihre Richtung und Fuchsklaue strich sogar sanft mit dem Schweif über ihre Flanke. Nur Blumenglanz hielt sich zurück. Die schildpattfarbene Kätzin hatte ihre Augen zu schmalen Schlitzen zusammen gekniffen und starrte Funkensee unversöhnlich an.
"Lasst uns gehen!", forderte Graunebel und erhob sich. Alle anderen folgten der hübschen Kätzin aus dem Lager. Ehe sich Funkensee versah, war sie von ihren Clankameraden umringt, die aufgeregt auf sie einredeten, ihr Komplimente gaben und sie mit Fragen durchbohrten. Die rote Kätzin hatte so ihre Schwierigkeiten, auf alle gleichzeitig zu reagieren, doch sie merkte, wie sie langsam anfing, diese Aufmerksamkeit zu genießen. So habe ich mir mein Leben vorgestellt! Ihr war klar, dass ihr altes Leben, in dem sie von ihren Clankameraden ignoriert und beleidigt würde, nun endgültig vorbei war. Sie war als eine neue Funkensee zurückgekehrt und wollte als diese auch endlich glücklich werden.
Bald teilte sich die Patrouille auf. Der Jagdttrupp ging in die eine, der Grenztrupp in die andere Richtung. Nun waren sie nur noch zu viert. Die Führung hatte Spatzenlied übernommen. Hinter ihr her stolzierte Blumenglanz mit eleganten Schritten. Funkensee bildete mit Fuchsklaue das Schlusslicht. Stille hatte sich über die Katzen gelegt. Sie mussten sich, als sie nach einiger Zeit die Grenze erreicht hatten, auf ihre Aufgabe konzentrieren.
Spatzenlied blieb stehen. "Ich würde sagen", schlug sie nachdenklich vor. "Wir teilen uns auf. Ein Zweier-Team geht nach links, das andere nach rechts und wir treffen uns auf der anderen Seite des Territoriums wieder. So sind wir schneller" Blumenglanz spitzte erfreut die Ohren. "Das ist eine tolle Idee", maunzte sie mit zuckersüßer Stimme und schmiegte sich an Fuchsklaue. "Du kommst mit mir!", schnurrte die Kätzin an den roten Krieger gewandt. Fuchsklaue jedoch entgegnete kühl: "Ich würde eigentlich lieber mit Funkensee gehen" Er warf der roten Kätzin einen verführerischen Blick zu. "Natürlich nur, wenn sie will, versteht sich"
Funkensee war zu sprachlos, um zu antworten, also nickte sie nur eifrig. Ihr Herz schlug Purzelbäume vor Freude. Er will mit MIR auf Patrouille?! Das ist der beste Tag meines Lebens! Als sie jedoch Blumenglanz' Blick begegnete, fuhr ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Die Augen der schildpattfarbenen Kätzin, die auf Funkensee gerichtet waren, loderten gerade zu vor Hass. Jetzt kann sie mich noch weniger ausstehen, als vorher. Na großartig! Aber der roten Kätzin war das egal. Sie freute sich zu sehr über Fuchsklaue's Angebot, als dass sie sich Gedanken um ihre eifersüchtige Clankameradin machen konnte.
Die Katzen taten, was Spatzenlied von ihnen verlangt hatte und nach wenigen Herzschlägen schlich Funkensee alleine neben Fuchsklaue durch den Wald. Unauffällig beobachtete sie den feuerroten Kater aus dem Augenwinkel. Sie beobachte, wie er stolz eine Pfote vor die andere setzte, wie seine Muskeln dabei spielten und sein wachsames Gesicht, das die Umgebung im Auge behielt.
"Es gibt einen Grund, warum ich mit dir gehen wollte", miaute Fuchsklaue plötzlich. Funkensee blinzelte verwirrt. "Welchen?", fragte sie, ihre Schweifspitze zuckte unsicher. Der rote Kater drehte den Kopf und sah sie direkt an. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. "Weil ich mit dir reden wollte"
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