3. Kapitel
Als Funkensee am nächsten Morgen die Augen aufschlug, kribbelte ihr Pelz unangenehm. Der seltsame Traum hatte Spuren hinterlassen. Die rote Kriegerin richtete sich mühsam auf. Sie stellte sich vor, wie ihr Bauch über den Boden schleifte und wie ihre Oberschenkel bei jedem Schritt gegeneinander klatschen. Ihr wurde schlecht. Wie habe ich das die ganze Zeit nur ausgehalten?
Funkensee schlurfte auf den Ausgang des Kriegerbaus zu und blinzelte gegen das grelle Sonnenlicht, das sie zu blenden versuchte. Als sie die Lichtung betrat, sah sie sich um. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Schüler huschten mit Mooskugeln im Maul vorbei. Dachsblick, der Heiler, sortierte vor seiner Höhle ein paar Kräuter. Ein paar Krieger bildeten Patrouillen und verließen das Lager. Funkensee sah in den Himmel. Die Sonne war bereits vollständig aufgegangen. Ich habe verschlafen! Und keiner hat sich die Mühe gemacht, mich zu wecken!
"Na seht Mal, wer endlich auch wach ist!" Dieser Satz war eindeutig nicht für Funkensee's Ohren bestimmt gewesen. Das erkannte die rote Kriegerin daran, dass die Worte genuschelt worden waren. Doch sie hatte gute Ohren und bekam alles mit. "Erst ist sie zu inkompetent, um zu jagen und dann kümmert sie sich um gar nichts mehr!" Funkensee's Ohren zuckten in die Richtung, aus der das Geflüster gekommen war. Aus dem Augenwinkel erblickte sie eine Gruppe Katzen, die sich am Rande des Lagers zusammengekauert hatten und die rote Kriegerin feindselig anstarrten. Blumenglanz hatte gesprochen. Was für ein Wunder.
Funkensee entschloss sich dazu, die Krieger zu ignorieren. Sie war davon überzeugt, dass die Anderen sie in Ruhe lassen würden, sobald sie merkten, dass sich Funkensee nicht über ihre Beleidigungen aufregte. Sie würden den Spaß daran verlieren, über ihre Clankameradin zu lästern.
"Hört nur!", kicherte Falkenschwinge leise. "Das Gras unter Funkensee's Pfoten weint schon vor Anstrenung, weil sie zu schwer ist!" Funkensee bohrte ihre Krallen in den Boden, um sich zu beherrschen, denn langsam brodelte Wut in ihr hoch. Doch es kam sogar noch schlimmer. "Apropos weinen", meinte da Fuchsklaue. "Gestern, als ich mich in Ruhe im Kriegerbau putzen wollte, ist sie rein gestürmt und hat ihr ganzes Nest voll geheult!" Für Funkensee war es, als würde ihr jemand die Luft aus den Lungen pressen, um sie zu ersticken. Wie kann er das nur weitererzählen? Wie kann er nur? Wie kann er nur? Wie kann er nur? Blumenglanz schüttelte verächtlich den Kopf. "Einfach nur erbärmlich!", kommentierte die Kätzin.
In diesem Moment reichte es Funkensee endgültig. Es war einfach zu viel. Wie ein Vulkan brach die Wut aus ihr heraus. Sie stapfte zitternd vor Zorn auf die Krieger zu, die Augen zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen, das Fell gesträubt, die Zähne gebleckt. Am Liebsten hätte sie sich jeden einzelnen dieser jämmerlichen Fellklumpen vorgenommen und zerfetzt. Aber stattdessen tat sie etwas anderes. Sie wehrte sich. Zum ersten Mal in ihrem Leben widersprach sie ihren Mobbern.
"Es reicht", fauchte Funkensee wutendbrannt und baute sich breitbeinig vor der Clique auf. Die Katzen rissen überrascht die Augen auf und legten ihre Ohren an. Offensichtlich hatten sie nicht erwartet, dass Funkensee so zornig werden konnte. Aber nun würde sie es ihnen zeigen. Es allen zeigen. "Ich habe die Nase voll davon, mir immer wieder Beleidigungen anhören zu müssen! Ich bin es leid, ständig verächtlich angesehen zu werden! Ich habe es satt, dass sich immer alle von mir fernhalten, bloß weil ich anders bin! Wie viel eine Katze wert ist lässt sich doch nicht am Aussehen festlegen! Und erst Recht nicht am Gewicht!"
Die rote Kriegerin schnappte nach Luft, ihre Flanken bebten vor Anstrengung. Als sie den Blicken der Anderen gegegnete, hoffte sie, nun endlich Verständnis darin finden zu können, ein Funkchen Mitgefühl oder wenigstens ein klein wenig Mitleid. Doch sie entdeckte nichts dergleichen. Nur unverhohlene Abneigung. Sie ließ erschöpft ihre Schultern sinken. Es hatte doch alles eh keinen Zweck. Ihr Blick huschte zu Fuchsklaue, der sie mit dem gleichen Hass in den Augen anstarrte, wie der Rest der Gruppe. Mit leiser Stimme fragte sie ihn: "Was habe ich euch angetan, dass ihr mich so sehr hasst?" Er zeigte gehässig seine Zähne. "Du bist fett! Und das ist schlimm genug!" Und diese Worte haben ihr den Rest.
Ohne Vorwarnung sammelten sich plötzlich Tränen in ihren Augen. Sie drehte den Kopf weg, in der Hoffnung, dass die anderen nicht sahen, wie sehr sie sie verletzt hatten. Wortlos wandte sich die rote Kätzin schließlich ganz ab und tappte zum Ausgang des Lagers. Ihre Pfoten fühlten sich so schwer wie Steine an. Ihre Sicht wurde durch die Tränen immer verschwommener, doch Funkensee erlaubte es sich erst zu weinen, als sie das Lager des Magerclans hinter sich gelassen hatte.
Du bist fett! Und das ist schlimm genug! Fuchsklaue's Worte geisterten ihr noch immer im Kopf herum und rissen ganz langsam und qualvoll ihr Herz in Fetzen. So etwas von dem Kater zu hören, für den sie schwärmte, tat mehr weh als alles, was Blumenglanz und die anderen Kätzinnen jemals gesagt hatten. Diese Worte bohrten sich tief in ihr Inneres und setzten sich dort fest.
Funkensee lehnte sich gegen einen Baum und rutschte an ihm nach unten in den Staub. Jegliche Kraft hatte sie verlassen. Warum habe ich die Anderen überhaupt zur Rede gestellt? Ich hätte von Anfang an wissen müssen, dass es so endet! Aber natürlich habe ich vorher nicht nachgedacht! Wie immer eben! Die rote Kriegerin biss wütend ihre Zähne so fest zusammen, dass ihr ganzer Kiefer schmerze. Jetzt war sie sogar schon so weit, dass sie sich selbst fertig machte! Vielleicht hatte Blumenglanz ja Recht. Vielleicht war sie ja wirklich erbärmlich.
Funkensee drehte sich auf den Rücken und sah nachdenklich in den Himmel. Ihre Tränen trockneten langsam. Was kann ich nur tun, damit die anderen mich mögen? Sie dachte an ihren Traum von letzter Nacht. Wenn ich wirklich so aussehe... Funkensee schluckte. Die Anderen haben mir klar gemacht, dass sie nichts mit mir zu tun haben wollen, weil ich pummelig bin. Also wird sich das vielleicht ändern, wenn ich dünn bin. Langsam formte sich in ihrem Kopf eine Idee, ein Plan. Ich werde dem Ganzen ein Ende bereiten, schwor sie sich. Ein entschlossenes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Und ich weiß auch schon wie...
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