4. KAPITEL
SANFTES GEMURMEL riss die weißbraune Kätzin aus ihrem, nur noch seichtem, aber einst tiefen, Schlaf. Verwirrt zuckte sie mit ihren Ohren, sie verstand nicht, wo sie war. Dem Gemurmel zu urteilen könnte sie im Kriegerbau sein, doch dem Geruch zu urteilen nach, war sie es nicht.
Der Geruch unzähliger Kräuter - Mohnsamen, Ampfer und etwas süßes, Honig vielleicht? - stieg in ihrer Nase auf und sie musste niesen. Vorsichtig öffnete sie die Augen, nur um sie sofort zu schließen. Ein leises Knurren entfloh ihrer Kehle.
"Sperlingschweif!" Eine feuchte Nase presste sich an Sperlingschweifs Stirn und dem Geruch zufolge handelte es sich um Hagelbart, einen der Heiler ihres Clans. "Was - was ist passiert?", murmelte die Kriegerin verschlafen und öffnete erneut die Augen, diesmal lies sie sie auch offen. Die Sonne, die ihr zuvor in die Augen geschienen hatte, wurde durch Hagelbarts großen Körper verdeckt.
"Im Heilerbau", Besorgnis schwang in der Stimme des Katers mit. "Erinnerst du dich nicht? Spatzensprenkel und du -", weiter kam der Kater nicht, da Sperlingschweif wütend knurrte. "Ich erinnere mich sehr wohl! Er hat Nebelläufers beleidigt, dieser fuchsherzige Krähenfresser", vor Wut hatte die Kätzin die Ohren angelegt und wäre am liebsten aufgesprungen, um ihren Bruder erneut zu bekämpfen, doch Hagelbart würde das nicht zulassen.
Beruhigend legt Hagelbart seine Nase auf Sperlingschweifs Kopf. "Du brauchst Ruhe, er hat dich schwer verletzt" Seufzend legte Sperlingschweif das Kinn auf ihre Pfoten, Hagelbart hatte recht, auch wenn sie sich das nicht eingestehend wollte, ihr tat der ganze Körper weh. Jedes einzelne Haar.
"Hol uns doch etwas Beute", ertönte da die brüchige Stimme einer, Sperlingschweif gut bekannten, Katze. Sofort hob sie den Kopf und blickte über ihre Schulter nach hinten. "Rosenfeuer?" Sorge erfüllte die junge Kriegerin, wie ging es Rosenfeuer? Sie hatte gehustet, als Sperlingschweif ihr den Vogel gebracht hatte. "Seit wann bist du hier? Was hast du? Geht es dir gut?"
Mit einem polterndem Schnurren unterbrach die Älteste sie und zuckte mit den Schnurrhaaren. "Seit zwei Sonnenhochs, Hagelbart machte sich Sorgen um meinen Husten und -" "Seit zwei Sonnenhochs?", Panik erfüllte Sperlingschweifs Stimme und sie begann zu zittern. "War ich so lange ohne Bewusstsein? Was ist in der Zwischenzeit passiert? Hat Mondgesicht ihre Jungen bekommen? Beim SternenClan, wie alt sind Dämmer-, Aschen und Mottenjunges eigentlich? Sind sie zu Schülern ernannt worden? Wieso war ich -"
Ein Schweif legte sich über Sperlingschweifs Maul und brachte sie damit zum schweigen. "Sperlingschweif", die sanfte Stimme ihrer Mutter lies Sperlingschweif erleichtert aufseufzen. „Sonnengesicht!" Sperlingschweifs blickte auf und wurde von dem besorgten, honigfarbenem Gesicht mit den freundlichen, gelben Augen gegrüßt. Sonnengesicht ließ sich neben ihrer ältesten Tochter nieder und drückte sich eng an sie, während sie begann, ihr dass Fell zwischen den Ohren zu lecken.
Beruhigt schnurrend lehnte Sperlingschweif sich in die Berührungen ihrer Mutter und schmiegte sich an sie. „Du warst beinahe einen ganzen Mond bewusstlos." Begann ihre Mutter zu erzählen, wurde jedoch von Sperlingschweif beinahe unterbrochen, da sie das Maul öffnete, um etwas zu sagen. "Lass mich ausreden, Fleckchen". Bei dem Gebrauch ihres Spitznamens wagte es Sperlingschweif nicht, ihrer Mutter zu widersprechen. Der Name versetzte sie zurück in ihre Zeit als Junges und Schülerin.
"Mondgesicht hat ihre Jungen noch nicht bekommen, doch ich glaube, lang wird es nicht mehr dauern. Meine Jungen sind auch noch keine Schüler geworden, dass dauert noch ein paar Monde, keine Sorge. Dämmerjunges hätte dich gerne als Mentorin, weist du? Vielleicht kann ich mit Tropfenstern reden, wenn du das auch möchtest. Du bist ab und an aufgewacht, hattest aber so große Schmerzen, dass du nichts mitbekommen hast. Deine kleinen Geschwister haben dich oft besucht, Nebelläufer auch", zu Liebe ihrer Tochter hatte auch Sonnengesicht angefangen, den Kater wieder bei seinem alten Namen zu nennen.
Erleichtert atmete Sperlingschweif aus ihrer Nase aus und kitzelte Sonnengesichts weißes Brustfell. "Danke Mutter", Sperlingschweif rieb ihre Wange an ihrer Mutter.
"Eine schlechte Nachricht gibt es jedoch", voller Sorge peitschte Sonnengesichts Schweif auf und ab. "Farnglanz wird nach wie vor vermisst. Sie ist noch immer nicht zurückgekehrt"
"Mein armes Junges", die Trauer war deutlich aus Rosenfeuers Stimme zu hören, Farnglanz war ihre Tochter, natürlich vermisste sie sie. Sperlingschweif hob den Kopf um sie anzusehen und erst jetzt fiel ihr auf, dass die orangerote Kätzin in dem Nest der Heilerin lag. Dort lag sie. Jämmerlich zusammengesunken, die dünnen Beine eng an sich gepresst und traurig ins nichts starrend.
"Gewitterviper war seither jeden Tag auf Patrouille, manchmal ist sie bis zum Mondhoch erst zurück, sie sucht überall nach Farnglanz. Auch Duftrose ist aufgewühlt und geht sie suchen, ich passe in der Zeit immer auf ihre Jungen auf", berichtete Sonnengesicht. Verwundert runzelte Sperlingschweif die Stirn. "Duftrose geht aus dem Lager? Aber Vipernjunges und Natternjunges sind doch noch so jung. Geht sie wenigstens mit Gewitterviper?", besorgt sah Sperlingschweif zu ihrer Mutter auf.
Duftrose hatte erst vor zwei Monden ihre Jungen bekommen, warum sollte sie also das Lager verlassen und ihre Junge zurücklassen?
"Nein", Sonnengesicht blickte auf ihre Pfoten und machte ein angestrengtes Gesicht. Wahrscheinlich fiel ihr gerade ebenfalls auf, dass es komisch war, dass die orangene Kätzin aus dem Lager ging, vor allem alleine. "Jetzt wo du es sagst, Duftrose geht immer alleine los. Meist bei Sonnenhoch und wenn sie zurück kommt, dann riecht sie immer etwas nach SchluchtClan"
"Wagst du es, meiner Tochter etwa etwas zu unterstellen!", mit gezeigten Zähnen blickte Rosenfeuer Sonnengesicht genau an, sie schien, obwohl sie beinahe blind war, genau zu wissen, wo Sonnengesicht lag. "Wenn Duftrose nach ihrer Schwester suchen möchte, dann kann sie das machen. Egal wo!"
Verunsichert legte Sonnengesicht die Ohren an und schaute die alte Katze mit großen, runden Augen an, wie ein Junges, dass etwas falsch gemacht hatte, blickte sie Rosenfeuer an. "Verzeih, Rosenfeuer", murmelte sie beschämt und blickte runter zu Sperlingschweif, die sie ebenfalls leicht verschreckt ansah.
Dennoch wurden beide Kätzinnen das Gefühl nicht los, dass Duftrose aus einem anderen Grund das Lager verließ. Zumal keine Katze im Clan wusste, wer der Vater ihrer Jungen war.
Eine kleiner, roter Kater stapfte durch den Schnee, der ihm beinahe bis zu den Schultern ging. Ihm war kalt, aber er würde noch nicht zurückkehren. Nicht jetzt, noch nicht. Er hatte es versprochen, er würde erst zurückkehren, wenn es Mondhoch war, oder wenn er gefunden hatte, wonach er suchte. Es war kein Auftrag gewesen, der ihn dazu verleitet hatte, jeden Tag bei Sonnenaufgang nach draußen zu gehen und erst bei Mondhoch zurückzukommen. Es war eine Bitte gewesen, ein verzweifelndes Gesuch der Hilfe. Er konnte es nicht ablehnen.
Also hatte er seine Hilfe versprochen und was er versprach, dass hielt er, sofern es möglich war. "Riecht ihr etwas?", er drehte sich um und sah über seine Schulter drei Katzen fragend an. Alle waren sie größer als er, doch folgten sie ihm auf Schritt und Tritt. "Das einzige, was ich rieche ist Schnee und uns selbst", gab der braune Kater, der einige Schwanzlängen hinter ihm lief, von sich. "Ich rieche auch nichts", ertönte es, etwas weiter hinten. "Bist du sicher, dass sie in diese Richtung gegangen ist? Welche Gründe hätte sie dafür?"
Der rote Kater schüttelte den Kopf, die Wahrheit war, er wusste nicht, ob sie den Weg eingeschlagen hatte, den er nun nahm, aber er hoffte es. "Sie ist eine Heilerkatze, was haben wir schon für Gründe?", jaulte er, der Wind wurde immer und immer heftiger. Er zerrte an seinem Fell und er fürchtete, bald einfach umgerissen und mitgerissen zu werden, immerhin war er nicht gerade groß.
"Ich will dich ja nicht verärgern", erklang eine weibliche Stimme und eine rote Kätzin drängelte sich an den anderen vorbei. Ihr Pelz, verklumpt vom Schnee, klebte an ihrem Körper. "Aber kann es sein, dass wir keine Ahnung haben, wo wir hingehen? Gibt es überhaupt Beweise, dass sie hier lang ist?"
Mutlos schüttelte der Kater den Kopf. Nein, nein es gab keine Beweise, dass die Heilerin hier gewesen war. Warum sollte sie auch in diesem Sturm irgendwo hingehen wollen? Es hatte seit Monden geschneit, an manchen Tagen war der Schnee so hoch, dass er sich nicht mehr raus traute, er wollte schließlich laufen und nicht schwimmen müssen. Er war weder zuversichtlich, sie in diesem Sturm zu finden, noch war er sicher, dass sie den richtigen Weg eingeschlagen hatten, aber er durfte nicht aufgeben. Dazu war sie zu wichtig.
"Wir sollten zurück gehen", meldete sich der braune Kater erneut zu Wort. "Der Sturm wird stärker und es fängt wieder an zu schneien",wurde er von einem grauem Kater unterstützt. "Morgen ist auch noch ein Tag", munterte die Kätzin den roten Kater auf.
Er wollte nicht aufgeben. Er wollte sich dem Wetter nicht beugen und nach Hause zurückkehren. "Aber was ist, wenn sie ganz in der Nähe ist? Was ist, wenn sie hinten, hinter dem Baum liegt? Wenn sie verletzt ist?", Sorge war so klar in seiner Stimme, wie es der Himmel schon seit Monden nicht mehr war.
"Vielleicht", der graue Kater erhob das Wort. "Vielleicht ist es bereits zu spät, vielleicht ist sie schon tot, hast du daran gedacht?" Seine Stimme war sanft, seine Worte aber so verletzten wie der Schlag eines Daches. "Sag das nicht, bitte"
Der kleine, rote Kater blickte ein letztes Mal über seine Schulter in das unbekannte Land hinüber. Seine Jungen hatten recht, es hatte keinen Zweck, noch heute weiter zu gehen. Ein andern mal. "Ich verspreche, ich komme wieder. Ich werde dich finden"
Weit, weit entfernt von dem Kater, der verzweifelt nach ihr suchte, lag eine braune Kätzin im Schnee. Reglos lag sie da. Sie sah so schön aus, wie eh und je. Ihr braunes Fell besaß noch immer den silbernen Schimmer und ihre grüngelben Augen hielten noch immer den fröhlichen, leicht neckischen Glanz. Sie lag so still da, man hätte meinen können, sie wäre Tod. Aber das war sie nicht, zumindest noch nicht.
Wie ein seichter Fluss an einem sonnigem Tag floss das rote Blut im Schnee hindurch. Wie ein Fluss sickerte es umher und suchte sich seinen Weg, durch die schneebedeckte Landschaft. Doch es war kein Fluss, jedenfalls keiner aus Wasser. Es war ein Fluss aus dem tiefsten rot, was kaum eine Katze gern sah. Es war ein Fluss aus Blut.
Die Kätzin lag still da, umgeben von ihrem eigenem Blut. Die Kätzin lag im Sterben.
꧁⸻꧂
Wörter 1688
Wie findet ihr das vierte Kapitel? Etwas mysteriös öder? Was hat es wohl mit den Katzen im Schnee zu tun?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro