Kapitel 22
Krallenstreif betrat hinter seiner Schülerin das Lager, die beinahe sofort herumwirbelte, nachdem sie das Lager betreten hatten.
"Vielen Dank, dass du mir das Territorium gezeigt hast, Krallenstreif!"
Der Krieger lächelte und dachte sich nur, dass sie wirklich eine überaus höfliche junge Kätzin war. Deshalb erwiderte er: "Vielen Dank, dass du so aufmerksam warst und keine Probleme gemacht hast."
Mit großen Augen nickte Efeupfote hektisch.
"Aber natürlich, ich will doch lernen, wie ich eine gute Kriegerin werde und Eisensee meinte, dass ich Glück hatte, dich als Mentor zu bekommen. Also will ich dir ganz genau zu hören, um eine gute Schülerin zu sein."
"Bisher kann ich mich nicht beschweren." Dann stupste er sie leicht an und deutete auf den Frischbeutehaufen. "Du kannst dir jetzt etwas zu Essen nehmen und dich dann ausruhen. Morgen werden wir uns um Blauglanz kümmern."
Die Aussicht darauf, Blauglanz' Nest zu wechseln und sie nach Zecken und Flöhen abzusuchen, schien Efeupfotes Vorfreude ein wenig zu trüben, doch nur einen Augenblick später, begannen ihre Augen wieder fröhlich zu leuchten.
"Okay! Bestimmt erzählt sie mir wieder spannende Geschichten! Es ist aber schade, dass Flutherz gestorben ist, er hat auch immer tolle Geschichten erzählt."
Krallenstreif gab ein Geräusch der Zustimmung von sich. Flutherz war vor einigen Tagen gestorben und Blauglanz war nun komplett allein im Ältestenbau. Umso wichtiger war es, sich um sie zu kümmern und ihr ein wenig Gesellschaft zu leisten.
Nachdem Efeupfote zum Frischbeutehaufen gesprungen war, wo sich auch ihre Schwester gerade eine Maus genommen hatte, sah sich Krallenstreif um.
Als er die Kätzin erblickte, nach der er gesucht hatte, holte er tief Luft und ging dann zu ihr. Eisensee war gerade in einem Gespräch mit Stachelstreif, doch als sie Krallenstreif sah, verabschiedete sie sich schnell und kam ihm entgegen.
"Willst du vielleicht jetzt spazieren gehen?", fragte sie direkt, als sie bei ihm ankam und er nickte zustimmend.
Eine Weile liefen sie schweigend Seite an Seite durch den Wald, bis Eisensee ihn leicht mit der Schulter anschubste.
"Und wie war dein erster Tag als Mentor so?"
Der Tigerkater lächelte leicht. "Gut. Wirklich gut. Efeupfote ist eine tolle Schülerin. Sie hört mir genau zu und macht alles, was ich ihr sage, ohne sich zu beschweren. Und sie ist wirklich unglaublich höflich."
Die Zweite Anführerin nickte mit einem leisen Lachen. "Ja, das ist mir auch aufgefallen. Erdbeerfleck hat sie wirklich gut erzogen."
"Ja, das hat sie wirklich." Krallenstreif hielt inne und blieb stehen. "Ich würde dir jetzt gerne etwas sagen."
Eisensee blieb ebenfalls stehen und drehte sich zu ihm um. Sie sah ihm direkt in die Augen und auch wenn es vielleicht nur Wunschdenken war, meinte Krallenstreif, ein wenig Hoffnung in ihren Augen sehen zu können. Er holte noch einmal tief Luft, bevor er anfing zu reden.
"Ich wollte dir das jetzt schon seit einer ganzen Weile sagen. Eisensee, du bist eine wirklich wunderbare Kätzin. Die bist hübsch und freundlich und liebevoll und eine wirklich gute Zweite Anführerin und ich mag dich. Nein, das stimmt nicht ganz. Ich... Ich habe mich in dich verliebt, Eisensee. Ich liebe dich."
Er blickte ihr noch immer in die Augen, die sich während seiner kurzen Rede geweitet hatten. Für einen Moment fühlte sich Krallenstreif komplett verunsichert, da Eisensee noch immer schwieg und keine Reaktion zeigte, doch dann drückte sie auf einmal ihre Schnauze in sein Fell und Krallenstreif konnte ein lautes Schnurren hören.
"Ich liebe dich auch." Eisensee leises Flüstern wurde von Krallenstreifs Fell nochmal zusätzlich gedämpft, doch trotzdem konnte er die Wärme und Liebe aus ihrer Stimme raushören und nun begann auch er zu Schnurren. Ohne zu Zögern schmiegte er sich eng an sie und schloss die Augen, genoss ihre Nähe.
Sein ganzer Körper schien vor Freude zu glühen und für einen Moment verschwand der Rest der Welt. Es existierten nur noch er und Eisensee, so wie sie hier gerade standen, eng aneinander geschmiegt und laut schnurrend.
Doch nach einer Weile, als die Sonne bereits unterging, machten sie sich wieder auf den Rückweg ins Lager. Dort angekommen drückte sich Eisensee noch ein letztes Mal eng an Krallenstreif.
"Ich muss zu Kamillenduft. Sie wollte sich die Wunde an meiner Pfote noch einmal ansehen, auch wenn ich ihr gesagt habe, dass es gar nicht mehr weh tut."
Krallenstreif nickte nur lächelnd und fuhr ihr mit der Zunge über den Kopf, dann entfernte sich Eisensee zum Heilerbau. Nur einen Moment später erschien Rußfell neben ihm und sah ihn mit neugierig funkelnden Augen an.
"Das sah sehr vertraut aus. Noch mehr als sonst."
Mit einem Lächeln drehte er sich zu seiner besten Freundin. Er war sich sicher, dass seine Augen vor Freude leuchten mussten.
"Ich hab Eisensee endlich gesagt, wie ich ihr gegenüber fühle. Und sie erwidert meine Gefühle."
"Das freut mich wirklich so sehr für dich, Krallenstreif!"
Mit einem Schnurren drückte Rußfell sich kurz an ihn, bevor sie zum Frischbeutehaufen tappte, eine Amsel zu sich zog und Krallenstreif mit einer Schwanzgeste einlud, sich zu ihr zu setzen. Als sie beide bequem saßen und gemeinsam die Amsel verspeisten, begann Rußfell erneut zu reden.
"Zwischen Blitzläufer und mir läuft es auch wirklich gut. Er ist so toll und nett und ich bin wirklich froh, dass er mein Gefährte ist."
Krallenstreif lächelte leicht, als er den verliebten Blick in ihren Augen sah. Es war offensichtlich, wie glücklich Blitzläufer sie machte und Krallenstreif war froh, dass seine beste Freundin jemanden gefunden hatte, der so liebevoll mit ihr umging.
Doch als er bemerkte, dass ihr Blick nur einen Moment später ein wenig besorgt wirkte, stupste er sie sanft an.
"Hey, was ist denn los?"
Ein leises Seufzen entkam der grauen Kätzin. "Nichts. Es ist nur... Auch wenn wir noch nicht wirklich darüber geredet haben, weiß ich, dass er gerne Jungen hätte. Nicht unbedingt jetzt, aber irgendwann mal."
"Und du willst keine Jungen?"
Es überraschte Krallenstreif nicht, nicht wirklich. Während er sich zwar sicher war, dass Rußfell eine tolle Mutter wäre, wusste er auch, dass sie selbst ein wenig Angst vor der Verantwortung hatte und außerdem lieber ihren Kriegerpflichten nachgehen würde, anstatt in der Kinderstube zu sitzen und auf Junge aufzupassen.
"Ich weiß es nicht genau. Klar, Junge sind toll und bestimmt würde ich sie über alles lieben, aber... Ich weiß es einfach nicht genau."
Krallenstreif nickte verstehend. "Das kann ich verstehen. Du musst es ja jetzt noch nicht wissen, du hast noch genug Zeit. Und selbst wenn du dich entscheidest, dass du keine Jungen haben willst, ist das absolut in Ordnung."
Darauf erwiderte Rußfell nichts mehr und auch wenn sie noch nicht vollkommen überzeugt wirkte, schien sie zumindest ein wenig ruhiger und blickte ihren Freund dankbar an.
Nach einigen Augenblicken Stille erhob Krallenstreif sich wieder und streckte sich mit einem leisen Gähnen.
"Ich gehe jetzt Schlafen. Und was ist mit dir?"
Die Kriegerin nickte nur kurz und folgte ihm in den Kriegerbau. Dort schlief Krallenstreif zwar nicht sofort ein, doch zumindest ruhte er sich ein wenig aus und als dann auch Eisensee nach einer Weile in den Bau kam und sich eng an ihn kuschelte, lächelte er leicht und wünschte sich, dass einfach alles so bleiben würde, wie es jetzt war; dass er immer so glücklich sein könnte wie in diesem Moment.
Zu dem Zeitpunkt ahnte er noch nicht, wie viel sich noch in den nächsten Monden verändern würde.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro