Prolog
»Bist du dir sicher, dass es eine gute Idee ist, zu Ihm und Ihr zu gehen?«, fragte ein flammenroter Kater mit großen, weißen Pfoten, während er einer schwarzen Kätzin durch den dichten Kiefernwald folgte. »Es ist schon lange her, dass jemand es gewagt hat, Ihn und Sie zu stören.«
Die schwarze Kätzin hielt an und peitschte leicht gereizt den Schweif. Ihre grünen Augen leuchteten in der Dunkelheit. »Du hast leicht reden, Donner. Dein Clan ist nun wieder zusammengesetzt. Von meinem hingegen sind nur noch wenige Katzen übrig. Viel zu wenige. Und viele sind schwer verletzt oder sehr alt.«
»Das ist noch lange kein Grund, um zu Ihm und Ihr zu gehen«, miaute der rote Kater vorsichtig. »Was möchtest du Ihn und Sie überhaupt fragen? Der SchattenClan hat sich wieder zusammengefunden und hat es mit Ojihas Hilfe zum WindClan und DonnerClan geschafft. Was möchtest du noch?«
»Ich möchte wissen, was es mit den Mächten auf sich hat«, antwortete die schwarze Kätzin. Diesmal klang ihre Stimme ungewöhnlich ruhig und gefasst.
»Welche Mächte?«
»Du kannst es nicht wissen«, seufzte die Kätzin. »Du hast nicht gesehen, was mit meinem Clan passiert ist. Katzen haben sich gegenseitig umgebracht, bedroht und erpresst, nur, um an eine dieser Mächte zu kommen.«
»Ich verstehe wirklich nicht, wovon du redest.«
»Ich ehrlich gesagt auch nicht«, erwiderte die schwarze Kätzin. »Deswegen muss ich zu Ihm und Ihr. Alleine«, fügte sie hinzu, als Donner Anstalten machte, ihr weiter zu folgen. »Das geht nur den SchattenClan etwas an. Stell dir vor, diesmal sind keine DonnerClan-Katzen darin verwickelt. Fast unglaublich, oder?«
Der rote Kater verkniff sich ein belustigtes Schnurren und ließ die schwarze Kätzin allein weiter gehen. Sie sprang geschickt über Wurzeln, herumliegende Äste und umgekippte Baumstämme. Der Wald wurde immer dichter, immer wilder. Es war vollkommen still, als gäbe es hier keinen einzigen Funken Leben.
»Um Ihn und Sie zu finden, musst du verloren gehen, hat Rußpelz gesagt«, murmelte die schwarze Kätzin leise vor sich hin und hob den Kopf. »Wo bin ich? Nein, ich weiß, wo ich bin.« Sie seufzte und schien zu überlegen. Dann schloss sie die Augen und ging blind weiter, tastete sich voran. Immer weiter und weiter. Mehrmals stolperte sie, fiel hin, stand wieder auf und ging erneut vorwärts.
Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts eine Katze auf. Ihr Fell strahlte trotz der Dunkelheit in einem grellen Weiß, doch ihr Umriss schien leicht verschwommen zu sein. Ihre blauen Augen richteten sich auf die schwarze Kätzin, die immer noch verzweifelt weiter stolperte. Die weiße Katze folgte ihr ein Stück und blieb stehen, als auf der anderen Seite der Kätzin ein Kater auftauchte. Auch sein Umriss schien verschwommen, doch sein Pelz war so dunkel wie die düstersten Schatten im Wald. Schwarz wie eine Nacht ohne Sterne. Seine gelben Augen fixierten die schwarze Kätzin, dann die weiße Katze gegenüber. Sie erwiderte seinen Blick und beide nickten sich zu.
»Was willst du, Wandernde?«, fragte die weiße Katze mit einer klaren Stimme.
Die schwarze Kätzin zuckte vor Schreck zusammen und hätte beinahe ihre Augen aufgerissen, schaffte es aber gerade noch rechtzeitig, sie wieder fest zuzukneifen. »Ich suche Ihn und Sie.«
»Du hast uns gefunden«, ertönte nun die Stimme des schwarzen Katers. »Aber du weißt, dass wir dir die Prophezeiungen nicht erklären können. Wir sehen die Zukunft wie sie ist, dürfen aber nicht zu viel verraten, da sie sonst nicht eintrifft. Daher verschlüsseln wir die Zukunft in Prophezeiungen und geben sie euch, damit ihr sie euren Clan-Katzen weitergebt.«
»Ich sorge mich um meinen Clan«, miaute die schwarze Kätzin. »Ich möchte wissen, was die Mächte sind.«
»Du kennst sie«, meinte die weiße Katze wieder. »Die insgesamt zwölf Mächte. Schatten und Licht, Gestern und Morgen, Feuer und Wasser, Erde und Luft und Sonne und Mond im Licht der Sterne.«
»Ich verstehe nicht«, sagte die schwarze Kätzin. »Warum gibt es diese Mächte? Was ist ihr Sinn? Was passiert, wenn sie alle vereint sind?«
»Das wissen nur wir«, antwortete der schwarze Kater.
»Die Katze, die einst neun der zwölf Mächte in sich vereint hat, ist nun tot. Eine weitere Katze mit einer Macht ist ebenfalls gestorben. Es weilen nur noch zwei Katzen der Mächte unter den Lebenden. Werden die anderen zehn Mächte in anderen Katzen wiedergeboren werden?«
»Das wissen nur wir.«
»Sind Terra, Aqua, Ignis und Aer Katzen der Mächte?«
»Das wissen nur wir.«
Die schwarze Kätzin zögerte und fragte schließlich: »Der SchattenClan wird doch überleben, oder?«
Keine Antwort.
»Oder?«, rief sie, doch ein kaltes Schweigen umhüllte sie. Sie schien eine Weile mit sich zu kämpfen, riss dann jedoch ihre Augen auf. Frustriert peitschte sie mit dem Schweif, während sie sich um die eigene Achse drehte. Er und Sie waren verschwunden, als wären sie nie dagewesen.
»Eure Prophezeiungen bringen nichts, wenn nicht mal der SternenClan sie versteht«, zischte sie verärgert.
»Tränen fallen, Katzen trauern«, durchschnitten plötzlich die Worte von Ihm und Ihr die Stille. »Die Wesen der Nacht im Dunkeln lauern. Achte auf den düsteren Mond, sonst wird der Schatten zu einem blutenden Rot.«
Die schwarze Kätzin sträubte entsetzt ihr Nackenfell, machte einen Buckel und stürmte davon.
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