Eine Übernahme
Terra sprang sofort auf die Pfoten, als Funkenstern auf sie zu kam. Sie spürte, wie Hechtkralle neben ihr sich ebenfalls anspannte. Bereit, sich jeden Moment auf ihn zu stürzen, sollte er wieder etwas von ihr wollen. Letztes Mal war der golden getigerte Kater gekommen, um »nur mit ihr zu sprechen«, was darin geendet hatte, dass er Terra beinahe niedergeschlagen hatte, weil sie ihn nicht mal ausreden ließ. Nur Hechtkralle war es zu verdanken, dass die Situation nicht eskaliert war.
»Ich will nur mit ihr sprechen«, sagte Funkenstern auch diesmal. Seine grünen Augen funkelten sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht recht deuten konnte.
»Wirklich?«, fauchte Terra. »Wir beide wissen, wie das letztes Mal geendet hat.«
»Ich bin dein Anführer und du musst auf mich hören!«, knurrte er sie an, die Ohren angelegt und das Fell leicht gesträubt. »Ich verspreche, dass ich dir nichts tun werde.«
»Deine Versprechen sind nichts wert!«, zischte sie. »Warum behältst du Hechtkralle und mich überhaupt im WindClan, wenn du es nicht ausstehen kannst, uns zusammen zu sehen?«
Funkenstern bleckte die Zähne, antwortete aber nicht. Stattdessen drehte er sich um und ging mit peitschendem Schweif weg. Seine unsymmetrische Gestalt verschwand irgendwo zwischen den umher huschenden Streunern. Die Katzen, die er mitgebracht hatte, benahmen sich, als würde alles hier ihnen gehören. Das provisorische Lager, die Beute, selbst das Wasser am Fluss.
Moira war die schlimmste von allen. Die dunkelbraune Kätzin mit den unzähligen Narben scheuchte die WindClan-Krieger herum und half mit ihren Krallen nach, wenn sie nicht auf sie hörten. Mittlerweile hatte Luchsohr eine schlimme Verletzung an der Schulter, die sich auch noch entzündet hatte, und blieb die meiste Zeit in der Kinderstube bei Tannennadel und seinen Jungen, wo er manchmal in eine Art Fieberschlaf fiel. Weil Weises Reh immer noch nicht zurückgekehrt war, gab es auch niemanden, der sich um ihn kümmern konnte. Aqua versuchte zwar ihr bestes, aber sie war keine Heilerin und war auch diejenige, die am meisten Angst vor den fremden Katzen hatte. Schließlich hatte sie nie gelernt, wie man richtig kämpfte.
»Wenn er noch ein einziges Mal kommt und mit dir ›sprechen‹ möchte, ziehe ich ihm endgültig das Fell über die Ohren«, presste Hechtkralle hervor. »Dann ist es mir auch egal, ob er mich tötet oder nicht.«
»Sowas darfst du nicht sagen!« Erschrocken schmiegte Terra sich an ihn. »Ich brauche dich. Das weißt du doch.«
Hechtkralle nickte mit einem leichten Schnurren in der Kehle und deutete dann mit einem Kopfnicken in Richtung Lagermitte, wo eine weiße Kätzin scheinbar orientierungslos umher tappte. Es war Seelenpfote. Seit Funkenstern seine Katzen hierher gebracht und Terra erfahren hatte, dass Seelenpfote unter ihnen, aber kaum mehr wieder zu erkennen war, dachte sie, es könnte nicht mehr schlimmer werden. Doch als sie gesehen hatte, wie die Streuner Seelenpfote behandelten, hatte sie fast alle Hoffnung auf ein gutes Ende verloren.
»Siehst du Laufherz irgendwo?«, fragte Terra leise. Normalerweise war die junge Kätzin immer da, um ihrer Mutter zu helfen.
»Nein«, meinte Hechtkralle. »Ich glaube, wir müssen uns diesmal selbst um sie kümmern.«
Vorsichtig und möglichst unauffällig bewegten sie sich auf Seelenpfote zu. Die weiße Kätzin hatte den Kopf gesenkt und wiegte sich hin und her als wäre sie tief in Gedanken versunken.
»Seelenpfote«, sprach Terra sie sanft an. »Erinnerst du dich an mich?« Natürlich tut sie das nicht. Warum frage ich eigentlich? »Komm, ich bringe dich zurück in die Kinderstube, bevor jemand dich sieht.«
Widerstandslos ließ sie sich von Hechtkralle und Terra weg führen. Die WindClan-Kriegerin nickte Tannennadel und Vogelschweif beim Eintreten freundlich zu. Luchsohr lag wieder neben seiner Gefährtin. Seine Flanken hoben und senkten sich, wobei bei jedem Atemzug etwas stinkende Flüssigkeit aus seiner Schulterwunde sickerte, die Tannennadel sofort weg tupfte. Als Terras Blick auf die Jungen fiel, spürte sie einen Stich in ihrem Herzen.
Ich hätte auch welche haben können, dachte sie traurig und warf Hechtkralle einen flüchtigen Blick zu, der Seelenpfote nun in ihr Moosnest bettete. SternenClan, erfülle mir meinen größten Wunsch, bitte!
»Ich bin Brud und du bist Funkenstern!«, hörte sie auf einmal Dachsjunges' Stimme, der Fichtenjunges auffordernd anstieß. »Los! Greif mich an!«
»Das ist ein blödes Spiel«, sagte der hellbraune Kater mit den spitzen Ohren. »Du veränderst die Spiele immer so, dass du danach trotzdem gewinnst.«
»Diesmal nicht! Wirklich!«
Terra beobachtete, wie Fichtenjunges lustlos nach Dachsjunges schlug, doch der ältere Kater sprang zurück und wich der Pfote so aus. Lachend kugelte er sich am Boden, setzte sich dann auf und schaute mit leuchtenden Augen zu Mohnjunges. Fichtenjunges' Schwester hatte ihm zugeschaut, doch jetzt drehte sie schnell den Kopf weg als wäre sie verlegen.
»Genug Spiele für heute«, miaute Vogelschweif auf einmal, packte Dachsjunges am Nackenfell und hob ihn hoch. Der weiße Kater zappelte unwillig, ließ dann jedoch zu, dass er im Moosnest der Königin zwischen den drei leiblichen Jungen der gelbbraunen Kätzin abgelegt wurde. Etwas missmutig zuckte er mit den Ohren, sah aber immer wieder hinüber zu Mohnjunges.
»Die beiden mögen sich wirklich«, sagte Terra zu Hechtkralle, als sie die Kinderstube wieder verließen.
Der blaugraue Kater nickte belustigt. »Wenigstens etwas Gutes, das es in diesem Lager noch gibt.« Er hielt kurz inne und meinte dann: »Laufherz war auch nicht in der Kinderstube. Wo ist sie nur hin? Sie würde ihre Mutter doch nicht alleine lassen und versuchen, zu fliehen?«
»Vielleicht ist sie nur kurz zum Schmutzplatz gegangen«, überlegte Terra, konnte den Gedanken jedoch nicht loswerden, dass mehr dahinter steckte. Seelenpfotes Tochter war erstaunlich klug für ihr Alter.
»Wer sind denn die Katzen da hinten?«, fragte Hechtkralle auf einmal.
Die WindClan-Kriegerin folgte seinem Blick und entdeckte zwei Kater, die mit Funkenstern und zweien der Streuner zusammen saßen. Die Gruppe redete angeregt miteinander, bis die zwei Fremden schließlich nickten, aufstanden und weggingen.
»Kanntest du die? Gehören sie zu Funkenstern?«
Terra schüttelte den Kopf. »Zu den Verbündeten, ich meine, dem DonnerClan, gehören sie soweit ich weiß auch nicht. Aber Funkenstern schien sie auch nicht zu kennen. Wer sie wohl sind?«
»Hast du gesehen, wie komisch der eine Kater aussah?« Hechtkralle legte den Kopf schief. »Wie eine Katze, aber irgendwie... anders.«
»In welche Richtung sind sie gegangen?«, fragte Terra.
Der blaugraue Kater reckte den Kopf. »Zurück über den Fluss und in das Territorium des DonnerClans.« Er schaute sie von der Seite an. »Du hast doch nicht vor, ihnen zu folgen? Funkenstern lässt dich nicht aus den Augen! Wenn er erfährt, dass du ohne sein Einverständnis das Lager verlassen hast, wird er... Er wird dich zwar nicht töten, aber ich kann ihm zutrauen, dass er einer anderen Katze weh tut, damit du leidest.«
Terra ließ enttäuscht die Schultern hängen. Doch plötzlich kam ihr eine Idee. Ihre Schnurrhaare zuckten, als sie sich an ihren Gefährten wandte und miaute: »Wenn du Laufherz siehst, sag Bescheid.«
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