Eine Entschlossenheit
Als Wolfstern mit dem DonnerClan ankam, war es schon zu spät. Mit einem Blick zu Windstern und Harzjäger rüber verstand sie, dass der Verräter und die Katze der Macht bereits zu fehlen schienen.
»Kräuselpfote«, knurrte der zweite Anführer des SchattenClans voller Verachtung in der Stimme. »Ich wusste, dass der SumpfClan-Abschaum zu nichts zu gebrauchen ist! Es war doch vollkommen klar, dass sie uns verraten würde!«
»Wir wissen nicht, ob sie oder Ignis der Verräter ist«, wies Windstern ihn zurecht. »Beide fehlen. Sprungflügel!«
Die Heilerin bahnte sich ihren Weg zu ihm hindurch. Um ihre Pfoten waren mehrere Lagen Spinnweben gewickelt und ihr weißes Fell war an einigen Stellen rot befleckt. Irgendjemand der Verletzten musste viel Blut verloren haben. Wolfstern ließ ihren Blick über die DonnerClan-Katzen schweifen, die sie zurückgelassen hatte. Fliegenschatten schien immer noch bewusstlos zu sein und bewegte sich nicht. Sprenkelpfote, Nachtrabe und Eichelpfote wichen nicht von seiner Seite, während Weises Reh ihn untersuchte. Ein Stück weiter hielt Flinkfuß ihre Pfote in die Luft, aber die Wunde blutete nicht mehr.
Dann entdeckte sie Spritzklang. Die WindClan-Kriegerin lag leise wimmernd an Efeubeins Seite und schmiegte sich eng an ihn. Ihr Schweif war nicht mehr vorhanden, endete in einem blutigen Stumpf. Wolfstern drehte schnell den Kopf weg, um das nicht sehen zu müssen.
Während die DonnerClan-Krieger, die mit ihr hierher gehetzt waren, sich erschöpft zu Boden fallen ließen, hörte sie Windstern mit Sprungflügel diskutieren. Doch plötzlich ertönte ein lautes Fauchen, gefolgt von einem erschrockenen Schrei. Alle Blicke zuckten in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
Harzjäger hielt eine schwarz-weiße Kätzin zu Boden gedrückt, die verzweifelt versuchte, sich zu wehren. »Du Verräterin!«, fauchte er. »Wie konntest du! Windstern hat dich im SchattenClan geduldet und du drehst uns allen den Rücken zu! Was hast du mit Ignis gemacht!«
»Nein! Lass mich los!«, heulte die Kätzin, Kräuselpfote.
»Harzjäger!«, rief Windstern streng, woraufhin der goldbraun getigerte Kater ein letztes Mal verärgert fauchte, aber zurücktrat. Kräuselpfote stand nicht auf, sondern blieb leicht zitternd auf dem feuchten Gras liegen. Drehte sich nur auf den Bauch und starrte die Katzen um sich herum verängstigt an. Im ersten Schein der Sonne, der bereits am Horizont zu sehen war, glänzte ihr Fell leicht.
»Es... Es tut mir leid!«, rief Kräuselpfote. »Aber ich hatte keine Wahl! Sie haben mir versprochen... mir versprochen...«
»Was haben sie dir versprochen? Wer? Die Verfolger?« Harzjäger peitschte wütend mit dem Schweif. »Du hast von Anfang an mit ihnen zusammengearbeitet! Ich wusste es!«
»Wartet«, ertönte auf einmal eine etwas ruhigere Stimme. Die Katzenmenge teilte sich und Ojiha kam nach vorne. Der seltsame Vogel saß gemütlich zwischen seinen Schultern. Der Kater blieb vor Kräuselpfote stehen und schaute auf sie runter. Stille. Alle warteten darauf, dass er noch etwas sagte, aber es kam nichts.
»Wir verschwenden unsere Zeit«, brach Wolfstern schließlich das Schweigen. »Meinetwegen ist Kräuselpfote die Verräterin, aber es ist schon zu spät! Wir sollten uns eher darauf konzentrieren, Ignis zurückzuholen als uns eine Strafe für sie zu überlegen!«
Einige Katzen nickten zustimmend, während andere nachdenklich den Kopf hin und her wiegten. Besonders Harzjäger war unzufrieden. Er funkelte sie wütend an. »Du bist vielleicht die Anführerin des DonnerClans, aber wir sind der SchattenClan! Misch dich nicht in unsere Angelegenheiten ein!«
Wolfstern sträubte ihr Fell. »Wir haben unsere Leben riskiert, um mit euch gegen die Verfolger und diese Wölfe zu kämpfen und jetzt sollen wir uns auf einmal nicht mehr einmischen? Wer ist denn als erstes zu uns gekommen und hat um Hilfe gebeten?«
»Beruhigt euch!«, rief Schattenstern. In ihrer Stimme schwang etwas mit, was Wolfstern einen Schauer über den Rücken jagte. Sie will Rache für Brud. Die WindClan-Anführerin zuckte mit den Ohren. »Wir müssen Ignis zurückholen, bevor Düsterer Mond auch seine Macht bekommt! Kräuselpfote, wo hast du ihn hingebracht?«
Die Schülerin duckte sich. Einerseits unter Ojihas Blick und andererseits unter Schattensterns fordernden Worten.
»Wenn es dir wirklich leid tut«, miaute jetzt Windstern, »dann hilf uns. Ich bin mir sicher, dass du deine Gründe hattest, so zu handeln. Du hast nun die Gelegenheit, es wieder gut zu machen.«
»Gründe?«, entfuhr es Harzjäger, aber bevor er sich weiter aufregen konnte, ertönten laute Rufe aus Richtung der Wiese, über die sie zuvor gelaufen waren. Die Katzen rückten etwas zur Seite, sodass Wolfstern Terra und Hechtkralle sah, die sich nach vorne drängten. Ihre Pfoten waren mit schmutziger Erde bedeckt und ein leichter Totengeruch ging von ihnen aus. Wahrscheinlich haben sie Brud und die SchattenClan-Kätzin beerdigt, die sich vor Windstern geworfen hat...
»Sie hatte ihre Gründe«, keuchte Hechtkralle als erster. »Sie war früher auch eine Katze der Macht, bevor sie ihr genommen wurde. Die Verfolger haben ihr versprochen, sie ihr zurückzugeben, sobald sie alle Mächte beisammen haben.«
»Und sie hat ihnen geglaubt?«, schnaubte Rosendorn leise.
»Angeblich gibt es ein Zeichen für Katzen der Mächte, denen ihre Macht gestohlen wurde«, fügte Terra hinzu und schaute zu Kräuselpfote. »Ihres ist auf der Brust.«
»Die Hautkruste ohne Fell?«, fragte Vogelnase, die die Augen zusammengekniffen hatte, um besser sehen zu können.
»Sonnenpfote hat sowas auch«, ertönte die schwache Stimme von Käferblume. Sie hatte ihren Sohn mit Hilfe einer SchattenClan-Schülerin ganz alleine über die Wiese bis hierher getragen. »Eine kahle Stelle ohne Fell. Aber... Ich dachte, das wäre eine Verletzung. Es blutet noch.«
Wolfstern blickte zu Sonnenpfote hinüber, der bewusstlos zu sein schien. An einer seiner Pfoten fehlte ein ganzes Stück Fell. Es sah aus, als wäre es ausgerissen worden, aber wenn das wirklich das Zeichen einer Katze war, die ihre Macht verloren hatte...
»Hirschbein hatte das auch mal«, bemerkte auf einmal die schildpatt-weiße Heilerin des SchattenClans. »An einem seiner Vorderbeine. Er hat mir damals gesagt, er wäre ungünstig in den Fluss gefallen und hätte es sich an einem Felsen aufgeschrammt.«
»Heißt das, er ist auch eine Katze der Macht gewesen?«, fragte die SchattenClan-Schülerin neben Käferblume mit weit aufgerissenen Augen.
»Ja«, miaute Kräuselpfote kleinlaut. »Er hatte die Macht der Erde. Und ich hatte die Macht des Lichts, Sonnenpfote die der Sonne und Ignis...« Sie zögerte kurz, als würde sie überlegen, ob sie es wirklich sagen sollte.
»Was ist mit Ignis?«, fragte Ojiha sie ruhig. Der Vogel zwischen seinen Schultern flatterte mit den Flügeln, blieb aber sitzen. »Er ist kein Streuner, nicht wahr? Wenn er einer wäre, hätte ich ihn gekannt. Wer ist er?«
Kräuselpfote senkte den Blick. »Er heißt eigentlich gar nicht Ignis. Er ist Sternenpfote.«
Darauf folgte ein Schweigen, das Wolfstern so unheimlich war, dass sie nicht wagte, es zu durchbrechen.
»Sternenpfote?«, krächzte Käferblume auf einmal. »Er... Er lebt?« Sie kam schwankend auf die Pfoten. »Aber was ist mit ihm passiert? Was hast du mit ihm gemacht!«
»Sternenpfote lebt!«, jaulte gleichzeitig ein blaugrauer SchattenClan-Krieger und schaute mit fröhlich funkelnden Augen zu Sprenkelpfote hinüber. »Das ist er! Der, von dem ich dir erzählt habe! Der mich damals geheilt hat!«
Ich verstehe absolut gar nichts, dachte Wolfstern leicht frustriert. Wer ist jetzt wieder Sternenpfote? Warum kennen ihn alle SchattenClan-Katzen? Oder jedenfalls die meisten. Doch sie denken, er ist tot?
»Wer ist Sternenpfote?«, sprach Schattenstern das aus, was wahrscheinlich ein Großteil der Anwesenden sich fragte.
»Einer meiner Söhne«, miaute Käferblume. »Er hat den Clan einst verlassen, um der Schüler einer wandernden Heilerin zu werden. Ich dachte, er wäre gestorben, als unser altes Territorium zerstört wurde.« Sie wirkte so entschlossen wie noch nie, blickte Windstern herausfordernd an. »Wir müssen ihn zurück holen! Jetzt, sofort!«
»Mutter!«, rief zu Wolfsterns Überraschung jetzt auch Sprenkelpfote. »Wir müssen ihn retten, bevor Düsterer Mond ihm seine Macht nimmt!«
»Das werden wir auch tun«, entgegnete Schattenstern. Ihr Blick richtete sich erst auf Wolfstern und dann auf Windstern.
Wolfstern nickte grimmig. Ich habe noch genug Kraft, um mich diesen Wölfen entgegen zu stellen. Ob ihre übrigen Krieger das schafften, wusste sie allerdings nicht. Sie waren alle erschöpft oder verletzt oder beides. Außerdem hatte sie nicht vergessen, dass die Verfolger im Wald gezielt versucht hatten, die Anführer anzugreifen und zu töten. Werde ich ein zweites Mal so schnell reagieren können?
Windstern schien ebenfalls Bedenken zu haben, denn er zögerte. »Es wäre vielleicht besser, wenn wir eine kleine Gruppe von Katzen losschicken, die versucht, Sternenpfote heimlich dort raus zu holen.«
»Ich gehe!«, meldete sich Käferblume sofort.
Windstern nickte ihr dankbar zu. »Ich schlage vor, aus jedem Clan kommen zwei Katzen mit. Die restlichen ziehen sich in ihre Lager zurück. So werden die Verfolger nicht vermuten, dass wir jemanden losgeschickt haben, um Sternenpfote zurück zu holen. Wir müssen unauffällig handeln.«
»In Ordnung«, stimmte Schattenstern ihm zu und wandte sich an ihren Clan. »Wer fühlt sich noch stark genug, um mit Käferblume zu gehen?«
»Ich!«, meldeten sich Terra und Hechtkralle gleichzeitig.
Schattenstern zögerte. »Hechtkralle, du bist jetzt mein Stellvertreter. Ich weiß nicht, ob die Verfolger misstrauisch werden, wenn sie sehen, dass du nicht mit uns zum Lager zurückkehrst.«
Hechtkralle wirkte enttäuscht, nickte dann aber mit einem Seufzen. »Ich verstehe.«
»Ich gehe mit Terra«, ertönte die Stimme von Nebelpfote.
»Nein«, sagte Schattenstern direkt.
»Warum nicht?«, brauste der Kater auf. »Ich habe schon gekämpft und kann es nochmal tun! Und überhaupt, ich kann mich gut anschleichen und bin mit meinem Fell auch besser getarnt als so einige andere!«
»Ich habe ›Nein‹ gesagt!«
»Lass ihn gehen, Schattenstern«, mischte Efeubein sich in das Gespräch ein. Er saß immer noch an Spritzklangs Seite und strich ihr beruhigend über die Stirn. »Er ist mein Schüler und ich weiß, dass er zu einigem fähig ist. Er weiß, was er tut.«
Schattenstern schnippte kurz mit der Schwanzspitze. »Na gut«, miaute sie. »Aber wehe, dir stößt etwas zu!«
Nebelpfote sprang aufgeregt auf die Pfoten. »Wird es nicht!«
»Ich kann für den DonnerClan gehen«, miaute Kiefernblut, eine dunkelbraun getigerte Kätzin, die früher dem BlitzClan angehört hatte. Wahrscheinlich hatte sie sich gemerkt, was Nebelpfote über seinen gut getarnten Pelz gesagt hatte.
»Ich auch«, meinte Hasensturm. Er hatte Wolfstern mit seiner schnellen Entdeckung der Grube beeindruckt. Sie nickte beiden zustimmend zu.
»Dann ist es beschlossen«, verkündete Windstern und sah zu den sechs versammelten Katzen, zu denen sich auch noch eine hellgrau-weiße SchattenClan-Kätzin mit schwarzen Flecken gesellt hatte. »Holt Sternenpfote so schnell wie möglich zurück, bevor Düsterer Mond ihm seine Macht stiehlt.«
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